Future Mobility Summit 2019: „Mobilität soll bezahlbar bleiben“
Wie gelingt die Wende zu mehr Nachhaltigkeit? Henning Kagermann, Leiter der Nationalen Platform sagt: Elektromobilität hilft nicht überall.
Herr Kagermann, wie geht es Ihrem Elektroauto?
Dem geht es gut, ich bin sehr zufrieden. Ich fahre meinen BMW i3 seit fünf Jahren und musste noch nie in die Werkstatt – außer zu den normalen Regelterminen. Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein völlig neu entwickeltes Auto so wenig Sorgen bereiten würde.
An einen neuen E-Wagen denken Sie nicht?
Mal schauen, was in den nächsten zwei Jahren auf den Markt kommt. Wenn es Modelle gibt, die im Realbetrieb bis zu 400 Kilometer Reichweite haben, dann schaffe ich auch mein anderes Auto mit Verbrennungsmotor ab.
Sie sind ein Early Adopter, einer der ersten Kunden, die sich für ein Elektroauto entschieden haben. Warum ist die Nachfrage insgesamt noch so gering?
Das liegt an vielen Punkten. Die Hersteller hätten ihr Marketing und den Vertrieb intensivieren sollen. Hinzu kommt, dass einige Gesetze und Fördermaßnahmen nicht zur rechten Zeit in Kraft getreten sind. Die Kommunen haben die Möglichkeiten zur Privilegierung von E-Autos – freie Busspuren und Parkplätze – nicht so umgesetzt, wie man gehofft hatte. Und es gab nur wenige Early Adopter, die mit gutem Beispiel voran gegangen sind.
Auch das Wohneigentums- und Mietrecht ist noch nicht geändert worden, um den Aufbau privater Ladepunkte zu erleichtern.
Ja, das ist ein Thema, das wir seit einigen Jahren der Regierung ans Herz legen. Es wurde ja auch schon angeschoben, ist aber komplizierter als erwartet. Ich verstehe, dass die Politik beim sensiblen Thema Eigentum keine Schnellschüsse will. Aber das müsste jetzt dringend in Angriff genommen werden. Es gibt einiges, was liegen geblieben ist.
Mehr Tempo hat man sich auch von der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) erwartet, die Sie leiten. Warum ist es so mühsam, Vorschläge für eine tragfähige Zukunftsvision zu formulieren – vor allem beim Klimaschutz?
Ich halte den Vorwurf nicht für tragbar. Die Arbeitsgruppe 1, die sich mit dem Klimaschutz im Verkehr beschäftigt hat, hat sehr oft, sehr lange getagt. Bei diesem Thema gehen die Meinungen eben weit auseinander und entsprechend heterogen ist die AG1 zusammengesetzt. Am Ende ist ein guter Zwischenbericht entstanden, der nun der Regierung vorliegt.
Da gibt es andere Meinungen. Das Ziel, die CO2-Emissionen im Verkehr bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, erreichen die beschlossenen Maßnahmen nicht.
Es gibt noch eine große Spannbreite in den Korridoren, die die Fachleute in sechs Handlungsfeldern aufgezeigt haben. Aber man hat sich immerhin auf diese Korridore geeinigt. Wir fanden es besser, zunächst ein gemeinsames „Zwei-Drittel-Paket“ weiterzureichen. Hiermit kann man bereits ein großes Stück des Weges gehen. Auf den Rest muss man sich noch einigen. Wir haben ja bis 2030 Zeit, man muss nicht alles sofort machen, aber es ist entscheidend, jetzt anzufangen. Außerdem gibt es fünf weitere Arbeitsgruppen, die ihren Input noch liefern werden.
Ist aber zum Beispiel die Annahme, dass in Zukunft ein Anteil von 30 Prozent Homeoffice den Pendlerverkehr und damit die CO2-Emissionen reduzieren wird, nicht eine Luftbuchung?
Die Wirkungen der Digitalisierung und ihre Wechselwirkungen mit anderen Faktoren sind insgesamt noch nicht abschließend bewertet worden, daran arbeiten wir weiter. Hier gibt es noch große Potenziale. Die Zunahme von Homeoffice-Arbeitsplätzen ist nur ein Aspekt von vielen.
Die Frage, ob auch im Verkehrssektor ein CO2-Preis sinnvoll ist, soll die Bundesregierung prüfen lassen. Die NPM empfiehlt einen solchen Preis. Warum?
Weil man mit diesem Instrument nur an einer Schraube drehen muss und so eine Lenkwirkung in Richtung Treibhausgasreduzierung erzielt. In anderen Sektoren gibt es das ja schon. Nun gilt es, den Verkehr und weitere Sektoren einzubeziehen. Und das System muss sozial ausgewogen sein. Mobilität soll bezahlbar bleiben.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat eine CO2-Steuer für diese Legislaturperiode ausgeschlossen.
Man muss sie ja auch nicht sofort einführen. Wichtig ist, dass erst einmal ein Konzept entwickelt wird und alle Planungssicherheit haben. Bürger und Investoren sollten vorbereitet werden, auch mit Blick auf die Beschäftigung in der Autoindustrie. Dann sollte man es auch angehen
Verkehrsminister Andreas Scheuer will verhindern, dass die Kosten für das Autofahren steigen.
Das kann in einer Übergangsphase passieren, weil die Alternativen zum klassischen Verbrennungsmotor – Elektromobilität, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe – noch teurer sind. Deshalb ist es wichtig, dass eine CO2-Bepreisung sozialverträglich gestaltet wird.
Minister Scheuer hat Überlegungen der AG1 zu Steuererhöhungen und Tempolimit scharf kritisiert. Wie sehr hat das Ihre Arbeit gestört?
Die Überlegungen sind durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangt. Da ist es Aufgabe der Politik, zu reagieren. Das stört mich persönlich nicht. In der Gruppe lag der Fokus ohnehin weniger auf den einzelnen Instrumenten als auf den gesamten Handlungsfeldern, da wurden große Hebel wie Antriebswechsel, Effizienzsteigerung und Digitalisierung diskutiert.
Ihnen wird aber vorgeworfen, dass Sie zu diplomatisch sind, die NPM zu nah auf Regierungskurs führen.
Meine Aufgabe ist die Moderation des Lenkungskreises der NPM. Mit diesem breit aufgestellten Gremium stimme ich mich ab und hier gibt es keinen Dissens.
Die Bundeskanzlerin fordert einen „radikalen Wandel“ beim Klimaschutz im Verkehr. Hätte Ihnen eine frühere Äußerung von Merkel geholfen?
Das wird alles zu hoch gehängt. Wir haben einen klaren Regierungsauftrag. Dabei bewegen wir uns in einem schwierigen Ziel-Dreieck: Wir sollen Wettbewerb und Beschäftigung sichern, Klimaschutzziele erreichen und am Ende eine bezahlbare und begeisternde Mobilität der Zukunft definieren. Das macht man nicht in ein paar Monaten. Die NPM hat für den Klimaschutz im Verkehr ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen und drei große Hebel definiert: Effizienzsteigerung, Digitalisierung und alternative Antriebe und Kraftstoffe.
Wie soll denn sichergestellt werden, dass Bio-Kraftstoffe nachhaltig und synthetische Kraftstoffe mit geringeren Umwandlungskosten produziert werden?
Beides sind zentrale Fragen. Bei Bio- Kraftstoffen halte ich persönlich das Potenzial für begrenzt, auch bei der zweiten Generation, die nicht mehr in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Synthetische Kraftstoffe sind bislang ineffizient, Elektroautos brauchen aktuell fünf Mal weniger Energie. Aber E-Fuels sind systemdienlich, wie man sagt. Das heißt, sie sind lagerbar, die Tankinfrastruktur ist da. Außerdem können sie im Flug- und Schwerlastverkehr einmal bedeutsam werden. In der Plattform untersucht die AG2, welche Technologie wann ihren Beitrag leisten kann und wie der optimale Technologiemix aussieht. Man muss hier Abwägungen treffen, in Forschung und Entwicklung investieren - und offen bleiben.
Stichwort Technologieoffenheit. Was halten Sie davon, dass sich Volkswagen davon verabschiedet hat und alles auf Batterie-Elektromobilität setzt?
Ich glaube nicht, dass sich Volkswagen gegen Technologieoffenheit an sich gewendet hat. Der Konzern setzt nur einen Schwerpunkt. Man muss unterscheiden zwischen der Strategie eines Unternehmens und der eines ganzen Landes. Verkehrsträgerübergreifend betrachtet bleibt Deutschland gar nichts anderes übrig, als technologieoffen zu bleiben. Elektromobilität hilft nicht überall. Und wir wollen ja Beschäftigung und Exporte sichern. Länder wie China oder Japan setzen noch stark auf Wasserstoff. Die deutschen Unternehmen sollten aufpassen, dass sie sich nicht zu früh nur auf eine Technologie festlegen, wenn sich am Ende womöglich auch noch eine andere, etwa Wasserstoff, durchsetzen könnte. Einig sind wir uns alle, dass man beim Einstieg in den Massenmarkt jetzt einen Fokus auf Elektromobilität legen sollte. Das heißt aber nicht, dass wir allgemein nur auf Elektromobilität setzen sollten.
Ist die Autoindustrie in ihrer Entschlossenheit der Politik voraus?
Ich verstehe es gut, dass die Wirtschaft, die investieren soll, klar Position bezieht, wohin die Reise ihrer Ansicht nach gehen sollte. Die Politik hat den Schulterschluss ja auch gesucht.
Herr Kagermann, wann wird die NPM konsensfähig sein und der Regierung alle Instrumente für mehr Klimaschutz im Verkehr anbieten?
Die Politik kann schon jetzt auf dem aufbauen, was wir geliefert haben. Die NPM zeigt, dass die Klimaschutzziele im Grundsatz erreichbar sind. Die Politik sollte jetzt Prioritäten setzen und entscheiden, wie weit sie die von uns vorgeschlagenen Handlungsfelder ausreizt. Es ist genügend da, damit die Politik bereits tätig werden kann. Wir wollen unsere Ergebnisse nun mit allen Arbeitsgruppen vertiefen und dann weitere Optionen vorstellen.
Das Gespräch führten Henrik Mortsiefer und Jens Tartler.
Auf dem Kongress "Future Mobilty 2019", der vom 8. bis 9. April zum neunten Mal vom Tagesspiegel und erstmals in Kooperation mit der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ausgerichtet wird diskutieren Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden, NGOs und Gewerkschaften auf dem Euref-Campus in Berlin dringende Fragen der Mobilitätswende.
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