zum Hauptinhalt
Die Haushaltsbatterien gehören seit einem Jahr zur Varta AG. Doch der Politik geht es nicht darum, sondern Hochleistungszellen für Autobatterien.
© VARTA Consumer Batteries

Varta erhält 300 Millionen Euro: Ein Weltmarktführer aus der Provinz soll Deutschlands E-Mobilität retten

Mit 1,7 Milliarden Euro versuchen Bund und Länder eine Zellenfertigung für Elektroautos anzuschieben. Ein Batteriespezialist bekommt dafür nun frisches Geld.

Für die Steuerzahler ist das ein teures Treffen am kommenden Dienstag auf der Schwäbischen Alb. Drei Minister reisen mit Geldkoffern an, um in Ellwangen einer Zukunftstechnologie auf die Sprünge zu helfen: Die Entwicklung und Fertigung von hocheffizienten Batteriezellen bei Varta.

Das Unternehmen mit dem berühmten Namen hat sich in der jüngeren Vergangenheit rasant entwickelt. Seit dem Börsengang vor knapp drei Jahren vervierfachte sich der Aktienkurs. 

Bei kleinen Akkus für Hörgeräte oder Kopfhörer ist Varta Weltmarktführer. Und mit der Übernahme der Varta-Haushaltsbatterien vor einem Jahr hat sich das Unternehmen noch breiter aufgestellt.

Aber die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (Bund), Nicole Hoffmeister-Kraut (Baden-Württemberg) und Hubert Aiwanger (Bayern), kommen nicht wegen der Batterien für Elektrogeräte oder Taschenlampen auf die Alb. Es geht ihnen um das Zukunftsgeschäft mit wiederaufladbaren Hochleistungszellen. Und die werden vor allem in elektrischen Autos gebraucht.

Zellen für Autobatterien ausschließlich aus Asien

Bislang produzieren ausschließlich asiatische Unternehmen die Batteriezellen für das elektromobile Zeitalter. Für jeweils zweistellige Milliardenbeträge haben sich VW, Daimler und BMW Zellen von Samsung, SKI, LG Chem und CATL bis Mitte des Jahrzehnts gesichert. Aber was passiert dann?

Das Oligopol der Zellenkonzerne kann die Preise diktieren und den Markt knapp halten. Es gibt Szenarien, wonach 2025 bis zu 100 Gigawattstunden (GW) allein in Europa fehlen. Das wäre in etwas die Kapazität für zwei Millionen Elektroautos in der Mittelklasse. Mit viel Geld versucht die Politik nun, europäische Produktionsstätten bis 2025 aufzubauen und eine geschlossene Wertschöpfungskette für die Autoindustrie zu schaffen.

Opel will in Kaiserlautern bauen

Allein in Deutschland ist der Steuerzahler mit 1,75 Milliarden Euro dabei. Im Rahmen der von Brüssel genehmigten IPCEI-Projekte (für Important Project of Common European Interest) übernimmt davon der Bund 1,22 Milliarden Euro und die Bundesländer mit Zellenprojekten 524 Millionen Euro.

Bislang ist die Förderung folgender Firmen von Altmaier mitgeteilt worden: BASF, die in Schwarzheide in der Lausitz Kathodenmaterial für Zellen produzieren; ein französisch-deutsches Projekt mit Saft und PSA/Opel, die in Kaiserslautern eine Zellenfertigung planen, sowie BMW und der Zellenhersteller Customcells aus Itzehoe, über deren Projekte es noch keine Details gibt.

Varta-Chef Herbert Schein führte das Unternehmen vor knapp drei Jahren an die Börse.
Varta-Chef Herbert Schein führte das Unternehmen vor knapp drei Jahren an die Börse.
© Kai-Uwe Heinrich

Varta ist das erste Unternehmen, bei dem die Minister persönlich den Bewilligungsbescheid zustellen. Das Unternehmen aus Ellwangen kann sich über 300 Millionen Euro freuen, mehr als 200 Millionen bringt Altmaier mit. 59,5 Millionen stammen aus dem baden-württembergischen Haushalt für den Varta-Heimatstandort Ellwangen und gut 30 Millionen Euro aus dem Freistaat Bayern für den Varta-Standort Nördlingen, der um die Ecke von Ellwangen auf dem bayerischen Teil der Schwäbischen Alb liegt.

Mit dem Geld von Bund und Ländern will Varta die nächste Generation Lithium-Ionen-Zellen entwickeln. „Unser Ziel ist es, die Energiedichte in den nächsten Jahren um bis zu 50 Prozent zu erhöhen“, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. „Dies erreichen wir unter anderem durch Silizium in der Anode.“

Eine neue Rundzelle soll entwickelt werden 

Varta will ferner am Stammsitz in Ellwangen eine Rundzelle entwickeln, die perspektivisch auch für Autobatterien in Betracht kommt. Zu den Anwendungsbereichen der neuen Zelle nennt das Unternehmen „Roboter aber auch fahrerlose Transportsysteme. Für neue, zukunftsweisende Fahrzeugkonzepte könnten diese Batterien und unsere Technologie auch einen wichtigen Beitrag leisten.“

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Varta hat in der Region Ellwangen-Nördlingen im letzten Jahr gut 500 Mitarbeiter eingestellt und sucht weitere 1000 in den kommenden zwölf Monaten. Derzeit beschäftigt der börsennotierte Mittelständler rund 4000 Personen. „Wir erhöhen dieses Jahr unsere Kapazitäten deutlich schneller als geplant und werden bereits Anfang nächsten Jahres eine Produktionskapazität von rund 200 Millionen Lithium Ionen Batterien pro Jahr erreichen“, teilt Varta mit. Nach der ursprünglichen Planung sollte die 200 Millionen-Grenze erst in ein paar Jahren erreicht werden.

Corona spielt keine Rolle 

Auch das Coronavirus konnte das Unternehmen nicht vom Kurs abbringen. Man sei „tatsächlich ungeschoren durch die erste Welle der Covid 19-Krise gekommen“. Und bis zu der Welle lief es sowieso gut: Der Umsatz im ersten Quartal stieg um 170 Prozent auf 199 Millionen Euro, das Konzernergebnis sogar um 265 Prozent auf 24,5 Millionen Euro.

Die Marge im Kerngeschäft Microbatteries lag bei 34,3 Prozent. So profitabel sind sonst nur die US-amerikanischen Plattformmonopole. Bei einem Umsatz von rund 800 Millionen Euro erwartet Varta in diesem Jahr einen Gewinn vor Steuern (Ebitda) von 180 Millionen Euro.

Steuermittel für eine profitable Firma

Obgleich Varta hochprofitabel ist, sitzt den Politikern das Steuergeld locker. Weil eine „Hochskalierung mit erheblichen Risiken verbunden ist, da die Produktentwicklung und die Entwicklung der Produktionstechnik gleichzeitig erfolgen müssen“, wie es im Stuttgarter Wirtschaftsministerium heißt.

Altmaier will unbedingt eine großindustrielle Zellenfertigung, vor der Autohersteller und die großen Zulieferer aufgrund der riesigen Einstiegsinvestitionen zurückschrecken. „Wenn die das nicht machen, machen wir es selbst“, hat Altmaier schon vor Jahren die Devise ausgegeben.

Zur Startseite