Entgeltgleichheit: Ein Sieg über die Lohnlücke
Mit dem neuen Gesetz wird längst überfällig ein Missstand beseitigt - die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Davon werden alle Seiten profitieren. Ein Kommentar.
Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) hat sich durchgesetzt. Ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass sich die Koalitionsspitzen von Union und SPD nach monatelanger Auseinandersetzung und starkem Gegenwind aus der Wirtschaft doch noch auf einen Kompromiss in Sachen Lohngerechtigkeit geeinigt haben. Das ist gut so, denn das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit ist ein Erfolg und ein Fortschritt – für alle Beschäftigten, aber auch für die Unternehmen und die Gesellschaft.
Denn derzeit verdienen Frauen in Deutschland immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, zwischen sieben und 21 Prozent – je nach Studie. Damit soll es nun vorbei sein. Die Politik will im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts endlich einen Missstand beseitigen, den das Grundgesetz seit eh und je verbietet. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, heißt es dort in Artikel drei, Absatz zwei. „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Faire Bezahlung wird ein Kriterium für die Wahl des neuen Arbeitgebers
Mehr als 14 Millionen Beschäftigte erhalten mit dem neuen Gesetz das Recht zu erfahren, wie viel sie im Vergleich zu ihren Kollegen verdienen. Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern müssen künftig offenlegen, wie gut (oder schlecht) sie ihre Mitarbeiter bezahlen, und dies auch dokumentieren. Ausgenommen sind Betriebe, die gültige Tarifverträge abgeschlossen haben.
Aus Sicht der Wirtschaft ergibt sich daraus zunächst vor allem ein größerer bürokratischer Aufwand. Langfristig aber werden nicht zuletzt die Unternehmen von der neuen (Lohn-)Transparenz in ihren Häusern profitieren. Schließlich konkurrieren kleine, große und mittelständische Firmen angesichts einer äußerst soliden Konjunktur und der demografisch bedingten Verknappung von Arbeitskräften immer stärker um Personal – auch um die Frauen. Für die Firmen werden sie zunehmend unverzichtbar, ob als einfache Angestellte, im Mittelbau oder in leitenden Positionen. Viele Beschäftigte können heute schon zwischen mehreren Jobangeboten wählen – man darf davon ausgehen, dass eine faire Bezahlung spätestens bei einem Überangebot an Arbeitsmöglichkeiten für Bewerber zu einem entscheidenden Kriterium wird.
Frauen dürfte das Gesetz über die Entgeltgleichheit nicht nur die Bemessung des eigenen Marktwertes erleichtern. Die Wissenschaft sieht in der Lohntransparenz im Unternehmen eine wesentliche Grundlage für einen friedlichen Umgang der Kollegen untereinander – die gesetzliche Regulierung von Lohnungerechtigkeit wäre somit ein wichtiger Beitrag zum Wirtschaften der Geschlechter auf Augenhöhe und für ein angenehmes Geschäftsklima.
Es ist auch der Mut der Frauen gefragt
Bei alledem sollte man nicht vergessen, dass die Gründe für die Gehaltsdifferenzen zwischen Männern und Frauen hierzulande äußerst komplex sind und sich aller Voraussicht nach auch nicht durch ein Gesetz gänzlich aus der Welt schaffen lassen. So arbeiten viele Frauen in Deutschland in kleinen und mittelständischen Betrieben und profitieren somit nicht unmittelbar von der neuen Transparenzregelung. Zudem sind viele von ihnen in Teilzeit und in (derzeit noch) vergleichsweise schlecht bezahlten Jobs etwa im Dienstleistungs-, Bildungs- oder Gesundheitssektor beschäftigt. Andere Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie oder die Baubranche sind dagegen nach wie vor Männerdomänen, in die sich kaum Frauen wagen – obwohl dort oft schon auf Facharbeiterebene sehr gute Gehälter gezahlt werden.
Hier ist nicht der Gesetzgeber, hier ist der Mut der Frauen gefragt. Sie sollten sich beruflich stärker als heute auf traditionell männliches, aber hoch dotiertes Terrain begeben. Auf der anderen Seite müssen zwingend auch die Löhne in traditionellen Frauenbranchen steigen. Nur so wird die verantwortungsvolle Arbeit, die dort geleistet wird, auch angemessene materielle Anerkennung finden.