Neue Siemens-Zentrale: Ein lichter Tempel
Siemens eröffnet seine neue Zentrale mitten in der Münchener Innenstadt – bei gedämpfter Feier. Der Brexit stand nicht auf dem Plan.
Die Siemens-Organisatoren hatten an fast alles gedacht. Den Brexit aber hatten sie nicht auf dem Plan, als sie das Datum für die Eröffnung der neuen Konzernzentrale in der Münchner Innenstadt ausgerechnet auf den gestrigen Freitag legten. Und so ist die Stimmung schon etwas getrübt, als Vorstandschef Joe Kaeser warnt, dass „in Zeiten wie diese die politische Agitation zunimmt“. Die Spitzen der Gesellschaft und der Wirtschaft ruft er dazu auf, „für Europa einzutreten“. Die Folgen für den Technologie-Konzern mit seinen weltweit 348000 Mitarbeitern seien noch nicht abschätzbar.
Wegen des Briten-Votums verliert die Veranstaltung ein wenig an geplanter Erstklassigkeit: Statt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der mit dem Treffen der zerstrittenen Unionsparteien in Potsdam beschäftigt ist, kommt Ilse Aigner, bayerische Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin. Diese meint über Großbritannien: „Wir müssen uns nun sputen und die wirtschaftlichen Beziehungen schnell neu regeln.“ Nicht dabei ist auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), der in diesen Stunden Dringlicheres zu tun hat.
Das Gebäude galt als aus der Zeit gefallen
Die Eröffnungsfeiern für die neue Zentrale, die 1200 Mitarbeitern Platz bietet, will man sich aber doch nicht vermiesen lassen. Der Wittelsbacher Platz – in der Nähe des Odeonsplatzes – mit der Statue Maximilians, des Kurfürsten von Bayern, ist komplett abgesperrt. Weiße Stehtischchen und Zelte prägen das Bild. Unter glühender Sonne werden beim Festmenü geeistes Gurkensüppchen, Maispoularde und gegrillter Saibling ausgegeben. Die alte Konzernzentrale auf dem gleichen Areal, die 63 Jahre lang genutzt worden war, wurde abgerissen, das Gebäude galt als verschachtelt und aus der Zeit gefallen. Das Klenze-Palais von 1825 steht natürlich noch, dort residiert weiterhin der Vorstand.
Siemens-Boss Kaeser lobt den neuen siebengeschossigen Bau mit viel Glas über alle Maßen. Das neue „Zuhause“ stehe „im Herzen der Weltstadt mit Herz“, es sei ein „offenes Haus in einer pulsierenden Stadt“. Kaeser beschwört die Siemens-Familie und ist gerührt von dem eigenen Anspruch, „dem Weltbesten zu genügen“. In der Tat kommt es nicht häufig vor, dass ein Konzern seine neue Zentrale mitten hinein in die teuerste deutsche Stadt baut und dies ziemlich gut gelingt.
Ein Seitenhieb in Richtung Berlin
Man sieht viele Rundungen und wenige Kanten in diesem Ensemble des dänischen Architekten Louis Becker vom Büro Henning Larsen. Das Erdgeschoss mit seinem hellen Atrium soll zum allergrößten Teil öffentlich zugänglich sein, ein Café und ein Restaurant ziehen ein. Wer von der Altstadt kommt, kann durch das Gebäude zum Museumsviertel gehen. Im vergangenen Jahr klagten Anwohner, dass das Haus doch recht hoch ist und das Ensemble des Wittelsbacher Platzes verändert werde. Siemens rühmt sich, im Jahre des 200. Geburtstags von Firmengründer Werner von Siemens ein Haus mit höchsten ökologischen Standards geschaffen zu haben. Die oberirdische Gebäudefläche beträgt 45000 Quadratmeter, alles wird mit regenerativer Energie betrieben, der C02-Ausstoß soll im Vergleich zur alten Zentrale 90 Prozent geringer sein.
Mit Kosten in einem „niedrigen dreistelligen Millionenbereich“ sei man in der Planung geblieben, heißt es, ebenso bei der Bauzeit von sechs Jahren. Joe Kaeser merkt in einem Seitenhieb an: „Im Gegensatz zu machen Projekten in Berlin.“ Dass aber auch bei Siemens nicht immer alles reibungslos läuft, hatten zuletzt die endlosen Verzögerungen bei der Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn gezeigt. Kaeser lobt nicht nur das neue Gebäude, das jetzt nach und nach von den Mitarbeitern bezogen wird. Er beschwört auch eine neue Unternehmenskultur herauf. „Wir müssen nicht ins Silicon Valley gehen“, sagt er.
Mit Blick auf Erdgeschoss mit Atrium freue er sich „auf die Offenheit und die Begegnung mit den Menschen“. Der Ort stehe für ein „respektvolles Miteinander und einen hierarchiefreien Dialog“. In dieser Stätte, so meint Krawattenträger Kaeser, bestünden „keine Zwänge für Krawatte und Kleidung“. Der dänische Architekt Louis Becker ist da bei der Eröffnung schon weiter: Becker trägt keine Krawatte, sein Hemd hat er äußerst weit geöffnet.
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