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7600 Mitarbeiter hat das VW-Werk im sächsischen Zwickau. Die Fabrik wird für 1,3 Milliarden Euro für die Elektromobilität umgerüstet.
© imago/Rainer Weisflog

Autos aus Ostdeutschland: E-Mobilität macht Hoffnung

In den vergangen Jahren ist die Beschäftigung in der ostdeutschen Autoindustrie überdurchschnittlich gestiegen. Wie geht es weiter?

Drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer gibt es in Ostdeutschland wieder „De-Industriealisierungsängste“. Zu dieser Einschätzung kommen die Autoren einer Studie über den „Transformationsprozess der Automobilindustrie in Berlin, Brandenburg und Sachsen“. Gleichzeit schwächen Investitionen in die Elektromobilität die Sorgen um den Arbeitsplatz ab. Tatsächlich ist die Branche mit Produktionswerken von BMW und Porsche in Leipzig sowie VW in Zwickau vor allem in Sachsen stark vertreten. „Auto ist für Sachsen so wichtig wie VW für Niedersachsen“, meint der ostdeutsche IG Metall-Chef Olivier Höbel. Die IG Metall hat gemeinsam mit der Stiftung Neue Länder die Untersuchung finanziert, um Erkenntnisse über die Auswirkungen des Strukturwandels auf die Beschäftigten zu bekommen.

95 000 Beschäftigte in Sachsen 

In Sachsen arbeiten derzeit rund 95 000 Personen in der Autoindustrie, in Berlin-Brandenburg sind es 22 000. Sachsen gehört mit fünf Fahrzeug- und Motorenwerken sowie rund 780 Zulieferern, Ausrüstern und Dienstleistern zu den wichtigsten Standorten hierzulande. Knapp 700 000 Autos werden jedes Jahr in Sachsen gebaut, damit stammt etwa jeder achte in Deutschland montierte Pkw aus dem Freistaat. Das könnte auch so bleiben, denn zumindest VW und Porsche haben große Summen in die Umrüstung ihrer Werke gesteckt, um dort Elektroautos zu bauen: „Die Zuversicht in den Wechsel in die E-Mobilität hat zugenommen, neue Produktzusagen und Investitionen haben Zukunftsängste gemildert“, heißt es in der Studie. Befragt wurden zwischen Oktober 2018 und Mai 2019 23 Betriebe mit 34000 Beschäftigten sowie zwölf weitere Institutionen.

Der Osten braucht Zuwanderung

In den Jahren zwischen 2014 und 2018 war die Zahl der direkt in der Autoindustrie Beschäftigten im Osten um 12,5 Prozent auf 73 000 gestiegen, während das Plus im Westen bei 6,3 Prozent (auf 778 000) lag. Der überproportionale Anstieg kann zusammenhängen mit den geringeren Personalkosten: Im Osten inklusiv Berlins verdienen die Arbeitnehmer in der Autoindustrie 47000 Euro, während das Jahreseinkommen im Westen bei 68800 Euro liegt. Allerdings machen die Lohnkosten nur einen geringen Teil der Gesamtkosten in der Autoindustrie aus. „Die Niedriglohnkonkurrenz funktioniert nicht mehr“, meint dazu der Jenaer Soziologe Klaus Dörre, denn der Fachkräftemangel gefährde inzwischen viele Betriebe in den neuen Ländern. „Der Osten braucht unbedingt Zuwanderung.“

Druck auf die Zulieferer steigt

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs hat erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung, Zehntausende Arbeitsplätze sind im nächsten Jahrzehnt vor allem bei Zulieferern bedroht. „Der Kampf um Komponenten/Teile hat einen Unterbietungswettbewerb unter Zulieferern ausgelöst, der den Druck an den Standorten tendenziell erhöhen wird“, heißt es in der Studie über die Branche insgesamt. „Deutlich weniger dramatisch“ sei aber die Lage in Sachsen. Marktführer VW baue sein Werk in Zwickau für 1,3 Milliarden Euro zu einem E-Auto-Werk um, in dem Modelle verschiedener VW-Konzernmarken produziert werden. Mit öffentlichen Mitteln auf Grundlage des neuen „Qualifizierungschancengesetz“ wird die 7600 Mitarbeiter umfassende VW-Belegschaft in Zwickau/Mosel für das elektromobile Zeitalter umgeschult.

Die i-Reihe von BMW läuft aus

BMW und Porsche verfolgen in Leipzig eine andere Strategie als VW: In den Fabriken gibt es so genannte Mischlinien, auf denen dann sowohl Autos mit Verbrennungs- als auch mit Elektromotor produziert werden können. Die 2013 in Leipzig gestartete BMW i-Reihe läuft 2022 aus, und noch ist nach Angaben der Studienautorin Antje Blöcker offen, ob Leipzig auch nach 2022 elektrische BMW bauen wird. Im Porsche-Werk Leipzig wird der soeben vorgestellte elektrische Taycan gebaut. Dazu fließen rund 100 Millionen Euro in ein Presswerk von Schuler und Porsche nahe Halle, „das mittelfristig das Überleben der Standorte sichert“. Alles in allem, so resümieren die Autoren, sei der Start in die Antriebswende im Osten „durchaus sehr positiv“ ausgefallen. Ein Unbehagen hätten dennoch viele Ostdeutsche bei der proklamierten Mobilitätswende: „Negative Transformations- und Wendeerfahrungen der Vergangenheit spielen eine große Rolle.“

Alfons Frese

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