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Gegner: Jens Weidmann (l.) und Mario Draghi - hier im April.
© dpa

Jahrestagung des IWF: Duell zwischen Draghi und Weidmann am Potomac

Die Chefs von EZB und Bundesbank tragen ihren Streit auf dem Weltfinanzgipfel in Washington aus. Warum gerade dort, bleibt wohl das Geheimnis von Mario Draghi und Jens Weidmann.

Es ist, als ob sich die Herren und deren Gefolge zu Hause nicht trauten. 6500 Kilometer von ihren Büros in Frankfurt entfernt tragen Mario Draghi und Jens Weidmann zwar nicht direkt, aber trotzdem einen durchaus heftigen Konflikt aus. Neu ist der Disput nicht, aber die Schärfe, die aus dem Umfeld des italienischen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Präsidenten der Bundesbank am Rande der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington in den Konflikt getragen wird, erstaunt.

Dass Weidmann den Kurs des Italieners und der EZB kritisch beäugt, ist bekannt. Aber in Washington bekommt er, so ist zu hören, von Draghi haarklein vorgerechnet, dass er fast immer gegen Beschlüsse des EZB-Rates stimmt, nie auch nur ein positives Signal gebe. Der Italiener sei mehr als verärgert. Draghi dagegen wird aus Bundesbank-Kreisen vorgehalten, er habe in der EZB ein „präsidiales“ System eingeführt, gebe den anderen Notenbankern in seinen Reden Entscheidungen vor, die dann nur abgenickt würden. Längst habe die Notenbank ihre Kompetenzen überschritten. „Ohne Weidmann“, sagt ein Insider, „würde die EZB schon längst Staatsanleihen kaufen“.

Immerhin bringen die Bundesbanker ein wenig Verständnis auf. Mit den Zinssenkungen, den Sonderkrediten und den außergewöhnlichen Maßnahmen wie etwa dem gerade angekündigten Aufkauf von Kreditpaketen wolle Draghi den Vorwurf entkräften, die EZB habe unter seiner Leitung nicht alles getan, um die Krise zu überwinden. Das sei nachvollziehbar.

„Draghi macht längst, was er will"

Das aber ist dann auch schon alles, was sie dem Italiener zugute halten. Dass von ihm gegen Widerstand von Weidmann im Sommer 2012 angekündigte zweite Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen (OMT) habe zwar zur Beruhigung der Krise geführt. Überwunden aber sei sie bis heute nicht. Stattdessen habe die EZB die Zinsen weiter gesenkt ebenso wie die Anforderungen an Sicherheiten. Heute akzeptiere sie sogar Ramschpapiere. Ähnliches sei bei dem angekündigten Aufkauf von Kreditpaketen (ABS) zu befürchten. Auch hier werde quasi Ramsch akzeptiert. Mögliche Verluste gingen am Schluss zulasten des Steuerzahlers. „Das sind faktisch Rettungspakete für klamme Banken. Das aber ist nicht Aufgabe der EZB, sondern der Politik.“

Mindestens ebenso wie über inhaltliche Aspekte ärgern sich Bundesbanker über die Taktik des Italieners gegenüber den Kollegen im Rat. Noch nicht gefasste Beschlüsse gebe er quasi in öffentlichen Reden kund, Beschlussvorlagen für den Rat kämen zeitlich so knapp vor den Ratssitzungen auf den Tisch, dass sie kaum mehr vernünftig analysiert werden könnten. Sie würden am Schluss fast immer durchgewunken, ohne dass die Tragweite wirklich abgesehen würde. „Draghi macht längst, was er will. Er hat den Rat in der Hand.“

Harter Tobak, den Draghi nicht auf sich sitzen lassen will. Er hält, so lässt er in Washington verbreiten, dem deutschen Notenbank-Chef vor, Beschlüsse im Rat aus Prinzip abzulehnen und quasi permanent zu blockieren. Dabei stünden nicht nur die Notenbank-Chefs aus den Krisenländern, sondern etwa auch aus den Niederlanden oder Finnland hinter Draghis Politik. Warum beide Seiten gerade in Washington streiten, ist ihr Geheimnis.

Für Draghi ist es in der US-Hauptstadt einfacher: Zum einen hat die US-Notenbank mit ihrem Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen der US-Wirtschaft einen Schub gegeben. Zum anderen appelliert auch IWF-Chefin Christine Lagarde an die EZB, Staatsanleihen zu kaufen. Immerhin sind sich Weidmann und Draghi in einem Punkt einig: Ohne weitere Strukturreformen komme Euro-Land nicht aus der Krise.

Rolf Obertreis

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