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Mario Draghi. Der EZB-Präsident hatte zuletzt erklärt, die EZB werde mit "allen verfügbaren Mitteln" gegen die Konjunkturflaute und eine drohende deflationäre Abwärtsspirale vorgehen.
© picture-alliance/dpa
Update

Zentralbank öffnet den Geldhahn: EZB senkt Leitzins und kauft Kreditpakete auf

Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins auf ein neues Rekordtief. Zusätzlich will sie verbriefte Firmenkredite aufkaufen. Damit hatte kaum ein Beobachter gerechnet. Der Euro stürzt ab, die Aktienkurse steigen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt ihren Leitzins überraschend auf das Rekordtief von 0,05 Prozent. Das teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mit. Mit dem Zinsschritt hatte kaum ein Ökonom gerechnet. Zusätzlich zur erneuten Leitzinssenkung beschloss die Notenbank den Aufkauf von Unternehmenskrediten - sogenannten ABS-Papieren. Das sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des
Gouverneursrates in Frankfurt am Main. Mit diesem Instrument will die Notenbank den Markt mit mehr Geld versorgen und die Konjunktur in der
Eurozone ankurbeln. Die Reaktion des Finanzmarktes fiel deutlich aus: Der Kurs des Euro fiel auf unter 1,31 Dollar, so tief wie seit mehr als 14 Monaten nicht mehr. Am Anleihenmarkt zogen die Renditen an, ebenfalls bergauf ging es am Frankfurter Aktienmarkt für den deutschen Leitindex Dax. Carsten Brzeski, Ökonom bei der niederländischen Großbank ING, zeigte sich völlig überrascht: “Beginnt jetzt auch EZB-Chef Mario Draghi damit, Geld aus dem Hubschrauber abzuwerfen?“

Privatbanken kritisieren Zinsschritt

Kritik an der Zinsentscheidung kam von den deutschen Privatbanken. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes BdB, erklärte: “Die ökonomischen Wirkungen der heutigen Zinssenkung sind vernachlässigbar. Die EZB hat sich im Vorfeld der Zinsentscheidung unnötig unter Zugzwang gesetzt. Die Gefahr, dass der Euro-Raum in eine gefährliche Deflationsspirale rutscht, ist nach wie vor gering. Auf der anderen Seite wächst mit den Aktivitäten der EZB die Gefahr, dass die in mehreren Euro-Ländern dringend erforderlichen Wirtschaftsreformen weiter verschleppt werden.“

EZB will "mit allen Mitteln" gegen die Deflation vorgehen

Mögliche weitere Maßnahmen wird EZB-Chef Mario Draghi dann ab 14.30 Uhr (MESZ) bei einer Pressekonferenz bekanntgeben. Draghi hatte zuletzt erklärt, die EZB werde mit “allen verfügbaren Mitteln“ gegen die Konjunkturflaute und eine drohende deflationäre Abwärtsspirale vorgehen. In einem solchen Horrorszenario würden Preise, Investitionen und Löhne sinken und die Wirtschaft lähmen. Die EZB hatte bereits im Sommer erklärt, sie arbeite an einem Kaufprogramm für Kreditverbriefungen, bis dato jedoch keine Details genannt oder das Programm offiziell beschlossen. Skeptiker bezweifeln den Nutzen und warnen vor Risiken.

Insider: 500 Milliarden Euro für die Euro-Zone

Insidern zufolge erwägt die EZB, die lahmende Wirtschaft der Euro-Zone mit weiteren bis zu 500 Milliarden Euro anzuschieben. Wie mit den Beratungen des EZB-Rats vertraute Personen am Donnerstag sagten, liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der den Aufkauf von Kreditverbriefungen und Pfandbriefen in einem Volumen bis zu einer halben Billion Euro vorsieht. Die Notenbank könne noch in diesem Jahr beginnen, den Banken die entsprechenden Papiere abzukaufen. In dem Vorschlag, über den der EZB-Rat zur Stunde im Sitz der Zentralbank in Frankfurt berät, werde eine Laufzeit des Programms von drei Jahren genannt. Ein EZB-Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren. (Reuters)

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