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Geld im Fokus. Eigentlich sollte sich die EZB nur um die Stabilität des Geldes kümmern - tatsächlich ist sie längst zum Spieler bei der Lösung der Finanzkrise geworden.
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Update

Der Kampf gegen die Deflation: Notenbank lässt Zinsen unverändert - und greift in die Trickkiste

In Europa wird die Lage eher schlimmer als besser. Mario Draghi und die EZB haben daran nichts ändern können. Jetzt plant er einen großen Wurf - mit einer Billion Euro.

Europas Währungshüter machen das Geld im Euroraum nicht noch billiger. Nach der überraschenden Zinssenkung von 0,15 auf 0,05 Prozent im September bleibt der Leitzins nun zunächst auf diesem Rekordtief. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag bei seiner Sitzung in Neapel.

Notenbank-Präsident Mario Draghi hatte die Entscheidung für den Minizins im September mit der anhaltend schwachen Konjunktur und der geringen Inflation im Euroraum begründet. Seit Monaten liegt die Jahresteuerung in den 18 Ländern mit der Gemeinschaftswährung unter der EZB-Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent. Im September fiel die Inflation im Euroraum nach jüngsten Zahlen von Eurostat auf 0,3 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit fast fünf Jahren.

Hartnäckig halten sich darum Befürchtungen, dass es eine Deflation geben könnte, also einen Preisverfall auf breiter Front. Der könnte wiederum dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Investitionen aufschieben, weil sie weiter sinkende Preise erwarten. Das könnte die Konjunktur abwürgen.
Im Kampf gegen eine Kreditklemme will die EZB mit ihrem neuen Wertpapier-Ankaufprogramm bis zu eine Billion Euro in die Hand nehmen. Draghi zufolge ist dies das potenzielle Gesamtvolumen. Start des Programm soll Mitte Oktober sein, es wird zwei Jahre laufen. Die EZB will Kreditverbriefungen - sogenannte ABS - und Pfandbriefe kaufen. Mit ABS-Papieren können Banken Kredit-Risiken bündeln, aus der Bilanz auslagern und am Markt damit handeln. Idealerweise haben sie dann mehr Mittel frei, um neue Darlehen zu vergeben. Um die Kreditvergabe und damit letztlich die Konjunktur anzukurbeln hatte sich der EZB-Rat in seiner September-Sitzung zudem auf einen höheren Strafzins für bei der Notenbank geparktes Geld verständigt. Dieser negative Einlagenzins bleibt unverändert.

Die EZB will riskante Kreditpakete kaufen

Ohne die Kredite in ihrer Bilanz hätten die Institute Freiräume zur Vergabe von Krediten. Denn trotz der seit Jahren anhaltenden Geldflut der EZB kommt die Kreditvergabe gerade in Südeuropa nicht recht in Schwung.
Das ABS-Kaufprogramm ist umstritten - schließlich gelten Geschäfte mit undurchsichtigen Kreditpaketen als Mitauslöser der Finanzkrise 2007/2008. „Wenn überhaupt, sollte die EZB nur risikoarme Papiere übernehmen - und das nach sorgfältiger Prüfung“, mahnte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst im „Spiegel“-Interview.
„Klar ist: Wenn sich die EZB, um das angestrebte große Volumen zu erreichen, eben doch riskante Papiere auf die eigene Bilanz lädt oder zu hohe Preise zahlt, dann belastet das letztlich den Steuerzahler.“ Der Frankfurter Ökonom Jan Pieter Krahnen bezweifelt, dass die EZB mit dem angekündigten Ankauf von ABS-Papieren die Kreditvergabe der europäischen Banken wesentlich ankurbeln kann. „Dass die Erwartungen an dieses Programm sehr hoch sind, zeigt, wie dramatisch die Lage auf den Kreditmärkten insbesondere in den südeuropäischen Ländern wahrgenommen wird“, erklärte Krahnen. Etliche Volkswirte sind überzeugt, dass das ABS-Programm für die EZB nur die Vorstufe zu einem umfassenden Kauf von Anleihen („Quantitative Easing“/QE) ist.

Der EZB-Rat tagt turnusgemäß zweimal jährlich außerhalb Frankfurts. Die Sitzung in Neapel wurde von Protesten begleitet: Einige tausend Menschen demonstrierten in der Stadt. Nach Berichten der italienischen Nachrichtenagentur Ansa riefen die Teilnehmer Parolen wie: „Wir sind es, die für die Krise bezahlen.“ (dpa)

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