Rat der Arbeitswelt: Drei steigen aus
Zwei frühere Vorstandsmitglieder und eine Wissenschaftlerin haben keine Lust mehr auf den Job im neuen Rat der Arbeitswelt.
Der Trennungsschmerz bei den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen hält sich in Grenzen. Von einer „Farce der Drei“ ist die Rede im Rat der Arbeitswelt, nachdem drei Mitglieder gegenüber Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Montag ihren Rücktritt erklärt hatten. Zumindest „ zwei von ihnen seien schon länger erkennbar zu der Auffassung gelangt, dass ihre Teilnahme eine Fehlinvestition war“, sagte ein Ratsmitglied dem Tagesspiegel. Gemeint sind die ehemaligen Personalvorstände von Siemens und Lufthansa, Janina Kugel und Bettina Volkens. Die früheren Managerinnen hätten den Aufwand der Ratsarbeit unterschätzt und eine Ausstiegsmöglichkeit gesucht.
Kein Neustart
Diese lieferte dann ausgerechnet Heil in einer Mail vom 10. März, in der er wiederum auf ein Schreiben von Kugel, Volkens sowie der Züricher Betriebswirtin Uschi Backes-Gellner antwortet. Die Drei beklagen in ihrem Schreiben vom 23. Februar, der Rat befasse sich nicht mit den „großen und langfristigen Fragen des Wandels der Arbeitswelt“, sowie „Ideen und Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in Deutschland“. Stattdessen drehe sich das Gremium „zunehmend um kurzfristige politische Forderungen und sehr konkrete Vorschläge für gesetzliche Regelungen“.
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Heil antwortete kühl und ging auf die Bitte der drei Querulantinnen, einen „Neustart des Rates zu ermöglichen“, nicht direkt ein. Er betonte vielmehr die Unabhängigkeit des Gremiums mit seinen zwölf Mitgliedern aus der Wissenschaft sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, das sich im Januar 2020 konstituiert hatte. „Der Rat muss in jedem Fall unabhängig und weisungsfrei zu gemeinsamen Entscheidungen kommen“, schreibt der Minister und betont die Nichteinmischung der Politik.
Minister Heil hält sich raus
„Gerade in diesen schwierigen Zeiten der Pandemie kann der Rat der Arbeitswelt mit seinem ersten Bericht im Mai 2021 einen Beitrag und eine Orientierung leisten“, fährt Heil fort. Er wünsche sich das Gremium als „dauerhaft verlässlichen Ratgeber“ und nimmt Stellung zum Vorwurf der drei Aussteigerinnen, die Zusammensetzung sei „gesellschaftspolitisch nicht ausreichend ausgewogen erfolgt“. Der Rat sei „so zusammengesetzt, dass unterschiedliche Perspektiven, Interessen und Diskussionskulturen aufeinandertreffen“, argumentiert Heil. Es sei ihm bei der Berufung der Mitglieder wichtig gewesen, „die Vielfalt von Perspektiven und Meinungen in der Arbeitswelt abzubilden“, schreibt der Minister an alle Ratsmitglieder – und eben nicht nur an die Verfasserinnen des Schreibens vom 23.2.
Zu wenig Honorar für viel Arbeit
Diesen Umstand nutzten Kugel und Co. zum Ausstieg: In ihrem Rücktrittsschreiben, das Heil am 15. März erreichte, beklagen sie den großen Verteiler. „Man brauchte einen vorzeigbaren Anlass für den Abgang und den haben sie dann inszeniert“, kommentierte wiederum ein Ratsmitglied und führte als Beleg für die These Kugels Verhalten in den vergangenen Monaten an. Die ehemalige Siemens-Managerin habe sich immer wieder über das Missverhältnis von Aufwand und Ertrag beklagt, woraufhin sich Heils Staatssekretär Björn Böhning beim Hauptausschuss des Bundestages erfolgreich für eine Aufwandsentschädigung von knapp 10 000 Euro/Jahr eingesetzt habe. Aber das war wohl nicht genug.
Mitte Mai gibt es den ersten Bericht
Das Verhalten von Kugel verursachte jetzt erneut „Überraschung“ im Arbeitsministerium. Wie es heißt, hat am vergangenen Donnerstag ein enger Mitarbeiter Heils mit Kugel telefoniert und dabei auch über Verbesserungen in der Ratsarbeit, etwa durch die Etablierung eines Sprechers oder einer Vorsitzenden diskutiert. Angeblich verabredete man sich auf eine Fortsetzung des Gesprächs in zwei Wochen. Doch dann trat Kugel zurück.
Schwerpunkt beim Thema Pflege
Die verbleibenden neun Ratsmitglieder tragen es mit Fassung. Sowohl am Montag als auch am Dienstag trafen sich Arbeitsgruppen, das gesamte Gremium trifft sich wieder am 25. März. Ein vorerst letzter Termin ist für Mitte April angesetzt. Dann sollte der Bericht stehen und in Druck gehen. Am 18. Mai wollen die Räte gemeinsam mit Heil das Werk vorstellen, das die Ergebnisse von vier Arbeitsgruppen abbildet. 1. Welche Kompetenzen/Qualifikationen braucht die Arbeitswelt von morgen, welche Auswirkungen hat das auf das Bildungssystem, vor allem auch die berufliche Weiterbildung? 2. Welche neue Arbeitsformen (Homeoffice, Cloudworking) bedürfen welcher Rahmenbedingungen, etwa des Arbeitsschutzes? 3. Wegen der Pandemie ist Pflege ein Schwerpunktthema des ersten Berichts; welche Folgen hat die Ökonomisierung des Gesundheitssystems? 4. Wie lassen sich prekäre Arbeitsverhältnisse (Minijobs, Soloselbstständige) zukunftsfest machen?