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Impulse für die Arbeit. Minister Heil und seine Experten, darunter Siemens-Vorstandsmitglied Janina Kugel (zweite von rechts) und Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske (links).
© dpa

Rat der Arbeitswelt: Elf Helfer für Heil

Der Minister stellt den neuen „Rat der Arbeitswelt“ vor – mit Ex-Verdi-Chef Bsirske und Siemens-Vorstand Kugel.

Der Dissens auf offener Bühne gefällt dem Gastgeber: Eine These der Arbeitgebervertreterin kontert der Gewerkschafter; die Wissenschaftlerin blickt von oben auf das Thema und am Ende greift sowieso das Primat der Politik. So stellt sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Funktion des neuen „Rat der Arbeitswelt“ vor, der sich am Dienstag zur konstituierenden Sitzung im Ministerium traf. Elf Persönlichkeiten sind dabei aus Wirtschaft und Wissenschaft, Arbeitgebervertreter, Gewerkschafter und Betriebsräte. Einmal im Jahr soll das neue Gremium einen „Handlungsempfehlungsbericht“ geben – für die Politik, aber auch für Unternehmen, Beschäftigte und Sozialpartner. Hier sieht Heil den wesentlichen Unterschied zum Sachverständigenrat mit dessen rein ökonomischem Fokus. Der Rat der Arbeitswelt werde „interdisziplinär und praxisbezogen arbeiten“.

Erster Streit um das Arbeitszeitgesetz

Und unabhängig, darauf wies Siemens-Personalchefin Janina Kugel hin, die zusammen mit Frank Bsirske das Gremium leitet. Ob das klappt, wird man sehen, denn Kugel und Bsirske zeigten am Beispiel Arbeitszeitgesetz gleich die Spannweite der Meinungen auf: Kugel ist für eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes, indem die Höchstarbeitszeit nicht mehr täglich, sondern wöchentlich gilt; Bsirske findet das überflüssig: „Wir sind Europameister bei der Flexibilisierung.“ Und brauchen also keine Änderung des Gesetzes, wie die Arbeitgeber für die digitale Welt fordern.

Budget von 1,5 Millionen/Jahr

Heils Ministerium gibt für den Rat 1,5 Millionen Euro im Jahr aus, davon fließt der ganz überwiegende Teil zu einer Geschäftsstelle, die von drei Forschungsinstituten bestückt wird: das Beratungsunternehmen Prognos, das Institut für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen (IAQ) sowie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Wie der Rat arbeitet und wie oft sich die elf Mitglieder treffen, sei ihnen selbst überlassen, sagte Heil.

"Der Mitte geht es schlecht"

„Wir wollen neue Themen identifizieren und einen besseren Blick auf den Wandel bekommen“, beschrieb Sabine Pfeiffer, Soziologin an der Uni Erlangen-Nürnberg, die Zielsetzung. „Wir wollen Trends identifizieren und Möglichkeiten der Einflussnahme für die Politik und die Sozialpartner“, ergänzte Bsirske, der bis vergangenen September Verdi geführt hatte. Der Alt-Gewerkschafter erinnerte an die Agendapolitik der rot-grünen Bundesregierung, die zu einer „Rückkehr der Unsicherheit“ auf dem Arbeitsmarkt geführt habe mit Leiharbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen sowie Minijobs und Scheinselbstständigkeit. „Wir brauchen eine Stärkung der Tarifbindung“, forderte Bsirske – und bekam Widerspruch von Kugel. „Das Heil liegt nicht immer in der Tarifbindung“, sagte die Personalchefin, die noch bis Ende Februar dem Siemens-Vorstand angehört. Pfeiffer wiederum merkte an, der Blick auf prekäre Löhne und Tarifflucht greife zu kurz: „Der Mitte geht es immer schlechter“, sagte die Soziologin über die „gefährliche Schieflage“ in der Gesellschaft.

Stephan Schwarz vertritt das Handwerk

Es gibt also reichlich Diskussionsstoff für den heterogenen Rat, zu dem noch folgende Personen gehören: Uschi Backes-Gellner, Betriebswirtschaftsprofessorin in Zürich; Sinischa Horvart, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats sowie stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der BASF SE; Iwer Jensen, bis Ende 2019 Vorstandsvorsitzender der Team AG, ein mittelständisches Unternehmen aus der Bauwirtschaft; Matthias Möreke, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des VW-Werks in Braunschweig; Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Stephan Schwarz, geschäftsführender Gesellschafter des Gebäudedienstleisters GRG und ehemals Präsident der Berliner Handwerkskammer; Bettina Volkens, bis Ende 2019 Personalvorstand der Lufthansa, sowie Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört.

Nach der ersten Sitzung am Dienstag ist das nächste Ratstreffen für den März geplant, dann sind sogar bis zu zwei Tage anberaumt. Spätestens im Frühjahr 2021 erwartet Minister Heil dann „fundierte Impulse“ der Räte.

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