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Die Air-Berlin-Flotte soll erheblich schrumpfen, von 140 Flugzeugen auf 75 Maschinen - die jedoch ohnehin alle nur geleast sind.
© REUTERS

1200 Stellen fallen weg: Drastische Schrumpfkur für Air Berlin

Air Berlin will sich neu aufstellen - und streicht 1200 Stellen. Auch an den Standorten Berlin und Düsseldorf ist die Sorge groß.

Berlin - Eines muss man den mittlerweile vier Air-Berlin-Chefs der vergangenen fünf Jahre lassen: Keiner hat je besonders lange um den heißen Brei herumgeredet, sobald es ernst wurde. Und der Ernstfall ist der Normalfall bei dieser (noch) zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft. In dieser Tradition erklärte der amtierende Vorstandschef Stefan Pichler, Nachfolger von schillernden Managerfiguren wie Joachim Hunold und Hartmut Mehdorn, gleich zu Beginn seiner Präsentation am Donnerstag, es sei die „weitreichendste Umstrukturierung in der Unternehmensgeschichte“. Bisherige Maßnahmen hätten nur an der Oberfläche gekratzt.

Bis Sommer 2017 werden 1200 Vollzeitstellen gestrichen

Das war sicher keine Übertreibung, wobei die seit Tagen durch erste Insiderberichte tief verunsicherten Mitarbeiter wohl gewusst haben, dass das Wort „Umstrukturierung“ in der Regel nicht mit Stellenaufbau oder Gehaltserhöhungen verbunden ist. Am Mittwochabend nach Börsenschluss bestätigte das Unternehmen die jüngsten Zahlen und Berichte im Wesentlichen: Air Berlin wird bis zum kommenden Sommer 1200 Vollzeitstellen streichen – vor allem in der Verwaltung und der Technik. Insgesamt dürfte dies mehr Personen betreffen, wie Teilnehmer von einer Betriebsversammlung in Berlin berichteten. Schließlich arbeiten nicht alle Mitarbeiter des Luftfahrtunternehmens Vollzeit. Ein Unternehmenssprecher wies derartige Berechnungen jedoch zurück.

Ohne betriebsbedingte Kündigungen werde es nicht gehen

Ohne betriebsbedingte Kündigungen werde es aber nicht gehen, räumt Pichler ein. Man sei aber mit Betriebsräten und Gewerkschaften im Gespräch darüber, wie man den Prozess „sozialverträglich“ gestalten könne, sagte Pichler am Donnerstag Journalisten in einer Telefonkonferenz. Man werde Mitarbeitern, die flexibel seien, auch anbieten können, zum Partner Etihad Airways zu wechseln, der in dem arabischen Emirat Abu Dhabi seine Geschäfte führt.

Fliegendes Personal dürfte verschont bleiben

Es dürften alle Standorte von dem Plan betroffen sein: In Berlin und Düsseldorf, wo Air Berlin seine Fluggäste umsteigen lässt, sitzen viele Technik- und Verwaltungsmitarbeiter. Dort wird die Sorge groß sein. Der Flugverkehr an diesen Basen wird aber eher noch wachsen, fliegendes Personal dürfte verschont bleiben. Dafür wird die „Airline mit Herz“ ihr Personal von kleineren Standorten komplett zurückziehen: Betroffen sind die Flughäfen Frankfurt, Hamburg, Köln/Bonn, Paderborn, Leipzig, Nürnberg, Zürich und Wien. Neben Berlin und Düsseldorf will die Airline lediglich in Stuttgart und München Personal halten. Der Schritt bedeute aber nicht, dass man die anderen genannten Flughäfen nicht mehr anfliegen werde, stellte ein Sprecher klar.

Air Berlin habe kein Profil, lautete der Vorwurf

Pichler sprach von einer „Fokussierung des Geschäftsmodells“. Über Jahre hatten Branchenkenner dem Management vorgeworfen, Air Berlin habe kein Profil, wolle alles sein vom Business-Jet bis zum Ferienflieger.

Air-Berlin-Chef Stefan Pichler stellt die Fluglinie neu auf.
Air-Berlin-Chef Stefan Pichler stellt die Fluglinie neu auf.
© dpa

Jetzt wollen die Eigentümer die Gesellschaft ähnlich wie Lufthansa als klassische Netzwerk-Airline profilieren, inklusive einer Business-Klasse und Fernstrecken vor allem in die USA. In Partnerschaft mit dem arabischen Großaktionär Etihad greift man damit eher im oberen Preissegment an und weicht der Billigkonkurrenz Easyjet und Ryanair, die nicht über den Atlantik fliegen, aus.

Die Scheichs haben die Geduld mit Air Berlin noch nicht verloren

Der Schritt ist auch ein Indiz dafür, dass die Scheichs aus Abu Dhabi noch nicht die Geduld mit Air Berlin verloren haben. Die Berliner sollen Fluggäste, die Etihad aus Nah- und Fernost über Abu Dhabi befördert, in Europa und den USA verteilen. Das hat bisher nur mäßig gut geklappt. Jetzt ist es der ultimative Versuch. 75 Maschinen der insgesamt 144 Flieger der Air Berlin stehen für diese „neue Air Berlin“ bereit. 40 Mittelstreckenflieger von Airbus verleiht Air Berlin samt Piloten, Flugbegleiter, Wartung, Versicherungen und Verwaltungsleistungen für sechs Jahre an die Lufthansa-Gruppe. Air Berlin erhält dafür insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Die Lufthansa bestätigte das Geschäft und will diese Jets größtenteils der Flotte der Billigflugtochter Eurowings zuschlagen, um damit bald auf Augenhöhe von Easyjet und Ryanair zu fliegen.

Flugpläne und gebuchte Tickets sollen ihre Gültigkeit behalten

Weitere 35 Maschinen will Air Berlin in einen neuen Geschäftsbereich fürs touristische Geschäft ausgliedern. Hierfür lotet man „strategische Optionen aus“, hieß es. Jüngste Berichte über Gespräche mit dem Tui-Konzern über eine Übernahme dieser Flieger bestätigte Air Berlin nicht. Das Unternehmen sah sich gleichwohl genötigt, Kunden zu beruhigen: Flugpläne und gebuchte Tickets würden ihre Gültigkeit behalten.

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