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Kurz vor Schluss? Bei der Fluggesellschaft Air Berlin steht die Woche der Entscheidungen an. Die deutsche Nummer Zwei wird voraussichtlich zerschlagen. Das kann weitreichende Folgen für die Branche haben.
© dpa

Sorge um Air Berlin: Etihad verliert die Geduld

Die Flotte soll halbiert werden. Die Gewerkschaften fürchten, dass rund 1000 Mitarbeiter gehen müssen.

Fünf Jahre nach dem Einstieg der arabischen Fluggesellschaft Etihad bei der defizitären Air Berlin verlieren die Scheichs von Abu Dhabi offenbar die Geduld. Wie der Tagesspiegel aus Branchenkreisen erfuhr, verhandeln sie gleich mit mehreren Partnern über die Aufteilung der Gesellschaft. Auch andere Medien berichteten darüber. Demnach könnte die eine Hälfte des Berliner Unternehmens an die großen Konkurrenten Lufthansa und Tui gehen, die andere bliebe bei Etihad. Noch diese Woche könnten Mitarbeiter der beteiligten Gesellschaften über den Schritt informiert werden. Sicher ist der Abschluss aber noch nicht. Vor allem bei Lufthansa, wo der Aufsichtsrat am Mittwoch über das Thema beraten will, scheint man sich dem Vernehmen nach noch nicht sicher. Sowohl Air Berlin als auch Etihad lehnten eine Stellungnahme ab. Man kommentiere Spekulationen und Gerüchte grundsätzlich nicht, hieß es.

Gewerkschaften wollen Klarheit, Anleger greifen zu

Während die Gewerkschaften von Verdi bis Cockpit schnelle Klarheit für die naturgemäß verunsicherten Mitarbeiter bei Air Berlin und Tui forderten, motivierten die Berichte viele Börsenanleger. Die seit Jahren schwächelnde Aktie von Air Berlin notierte zum Börsenschluss gut fünf Prozent fester. Zeitweilig hatte sie sogar neun Prozent im Plus gelegen.

Die letzte Rettung?

Das Szenario könnte nämlich die letzte Rettung für das chronisch defizitäre Unternehmen sein. Air Berlin hatte in den zehn Jahren seit dem Börsengang nur ein Jahr mit schwarzen Geschäftszahlen abgeschlossen – und das auch nur dank kreativer Buchführung. 2012 hatte die Gesellschaft ihr Vielfliegerprogramm Topbonus samt Kundendaten verkauft. Ausgerechnet an Etihad. Die Wende brachte das nicht. Daran konnte auch Stefan Pichler, der dritte Chef seit Einstieg der Araber, nichts ändern. Er steht vor der Ablösung, hört man.

Tuifly könnte Maschinen übernehmen

Der Plan sieht vor, dass Air Berlin die 17 Airbus-Jets seiner österreichische Tochter Niki, einst gegründet von dem Formel-1-Rennfahrer Niki Lauda, an Tui abgibt. Und dazu 14 Boeing-Flieger, die Air Berlin einst von Tuis Tochter Tuifly ausgeliehen hatte. Tuifly könnte die Flotte von derzeit 41 Maschinen ausbauen. Allerdings heißt es, könnte man das unter dem Dach der Niki machen, deren Kostenstruktur als besonders schlank gilt. Entsprechend alarmiert zeigte sich der Tui-Konzernbetriebsratschef Frank Jakobi, der die Stimmung in der Zentrale in Hannover als „explosiv“ beschrieb und eine „schnellstmögliche Klärung“ der Situation verlangte. Ähnlich scheint die Stimmung in der Zentrale von Air Berlin zu sein. Kalt erwischt sah man sich auch bei der Diensteistungsgewerkschaft Verdi. „Wir sind nicht informiert worden, gehen aber davon aus, dass dies umgehend geschieht", sagte ein Sprecher der Bundeszentrale. Das fliegende Personal dürfte bei einer Umsetzung dieses Plans weiterhin gebraucht werden. Hart treffen könnte es aber die Mitarbeiter an den Standorten Berlin und Düsseldorf. Rund 8900 Mitarbeiter beschäftigt Air Berlin weltweit.

Eine "Verzweiflungstat"

Branchenbeobachter Gerald Wissel von der Firma Airborne Consulting in Hamburg nannte den skizzierten Plan eine „Verzweiflungstat“ von Etihad. Womöglich müsse das Unternehmen sogar Geld mitbringen, um die Teile von Air Berlin ordnungsgemäß abzugeben. Die Ausnahme sei die Tochter Niki als „Diamant“ im Portfolio von Air Berlin. „Unterm Strich sehe ich eine reelle Chance, dass der Rest von Air Berlin profitabel am Markt bestehen kann“, sagte Wissel. „Die Bedingung ist aber, dass sich Etihad komplett zurückzieht und einsieht, dass die Europa-Strategie des Unternehmens gescheitert ist.“ Air Berlin weiterhin nur als Zulieferbetrieb für das Drehkreuz in Abu Dhabi zu nutzen, werde sich nicht rechnen. Bessere Zukunftschancen sieht der Luftfahrtexperte für Air Berlin mit einem neuen Großaktionär und einer Konzentration auf das touristische Geschäft in Europa.

Was kommt auf die Kunden zu?

Sollten die Pläne wie dargestellt umgesetzt werden, kann schwer vorhergesagt werden, was das für Reisende an Air Berlins wichtigsten Standorten bedeutet. Im besten Falle nicht viel, da Air Berlin nur Strecken abseits der Drehkreuze Tegel und Düsseldorf an Lufthansa abgeben würde. Auch das abstrakte Risiko einer Pleite und des damit womöglich einhergehenden Verlustes bereits bezahlter Tickets dürfte sinken. Denn Air Berlin als haftendes Unternehmen bliebe bestehen.

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