Air Berlin: Wer schuld ist und was getan werden könnte
Es gibt mehrere Gründe, warum Air Berlin die Zerschlagung droht. Auch die Politik hat ihren Anteil daran. Ein Kommentar.
Der Erfolg hat viele Väter, heißt es. Und für den Misserfolg ist niemand verantwortlich. Bei Air Berlin, der immerhin noch zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, ist es genau andersherum – wie so vieles bei diesem Unternehmen anders ist als bei der Konkurrenz. Das macht Air Berlin zu dem vielleicht Berlinischsten Unternehmen überhaupt: In dieser Firma lassen sich die ganzen Liebenswürdigkeiten und Unzulänglichkeiten, die diese Stadt aus- und interessant machen, unter einem Brennglas beobachten. So viel Kreativität – und Hybris! Mit dabei Geldgeber aus dem Morgenland. Es wäre schade, wenn diese Geschichte als Trauerspiel zu Ende ginge. Aber danach sieht es leider aus.
In der historischen Gesamtschau ist Air Berlin eine Erfolgsstory. Ihr Schöpfer war der kantige Joachim Hunold, ein Mann, der sich von seinem damaligen Arbeitgeber LTU nicht mehr herumschubsen lassen wollte. Also kaufte er 1992 die Mehrheit an einer, mit nur zwei Fliegern winzigen, Charterfluggesellschaft, um auf eigene Rechnung Touristen nach Mallorca zu bringen. Hunold – ein Gründertyp, ohne selbst Gründer gewesen zu sein. Er hatte in den 1990ern noch Widerstände in einem staatlich geprägten Marktumfeld zu überwinden, die für viele der heutigen Berliner Start-up-Hipster zu groß scheinen. Hunold pumpte die Airline auf, manche sagen, zu schnell. Zeitweilig hatte Air Berlin mehr als 140 Maschinen in der Flotte und mehr als 9000 Menschen in Lohn und Brot. Air Berlin brachte mehr Wettbewerb in den Himmel, mehr Optionen für Reisende, flog den Namen der Stadt am Leitwerk von Phuket bis nach Florida – ohne größere Unfälle in all den Jahren. Das ist ein Erfolg. Sein Erfolg. Punkt.
Die Luftverkehrssteuer gehört abgeschafft
Der Niedergang zieht sich seit Jahren hin: Der Börsengang 2006 brachte Geld fürs Wachstum, aber auch Tausendfache Anlegerenttäuschung. Bei Air Berlin fand man kein klares Image, wollte sich andauernd neu erfinden: Ferienflieger oder die freundliche Business-Airline? Hunold & Co. entschieden sich für beides, so wie Berlin ja auch nicht nur eine Klientel anspricht. Für jeden was dabei bei der „Airline mit Herz“: Das war ein strategischer Fehler, nicht der einzige. Dafür gab es viel Häme. Hunold warf 2011 hin, weil sonst die Scheichs hinter der arabischen Staatsfluglinie Etihad nicht bereit gewesen wären, die nötigen Unsummen für den Weiterbetrieb bereitzustellen.
Jetzt ziehen die Araber offenbar die Notbremse. Sie geben insgesamt fast die Hälfte der Flieger, die ja nur noch geliehen sind, an die Konkurrenten Lufthansa und Tuifly ab – und die für den Betrieb nötigen Mitarbeiter gleich mit. Andere werden entlassen. Das könnte man schulterzuckend zur Kenntnis nehmen – wenn die Politik im Bund und im Land Berlin schuldlos an all dem wären. Sind sie aber nicht: Der Flughafen BER, der vor fünf Jahren ein Teil des Rettungsplans war, ist immer noch nicht fertig. Hier hätte der lokale Marktführer ab 2012 groß aufspielen können. Die Nicht-Inbetriebnahme ist zumindest als unterlassene Hilfeleistung zu werten. Zweite Untat ist die Einführung der Luftverkehrssteuer Anfang 2011 durch den Bund. Unter dem Vorwand des Umweltschutzes erzwungen, hat dieses Instrument sich – wie befürchtet – als Nachteil der heimischen Airlines im Wettbewerb mit den ausländischen Konkurrenten herausgestellt. Die Steuer gehört abgeschafft, soll der Rest von Air Berlin eine Überlebenschance haben.