Energiewende: Dramatische Zeiten für Vattenfall
Der schwedische Staatskonzern macht einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro - vor allem wegen deutscher Braunkohle und schwedischer Kernkraft.
Die Marktexperten von Greenpeace haben es schon immer gewusst. „Vattenfalls Milliardenverlust ist der tiefrote Beweis, dass sich kein Energiekonzern auf Dauer gegen die Energiewende stellen kann.“ Bei den Umweltschützern klingt Schadenfreude durch, zumal sie sich auf der richtigen Seite der Geschichte sehen. Dass die von Angela Merkel (CDU) geführte Regierung erst die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängerte und dann wenig später, nach Fukushima, dramatisch verkürzte, erwähnt Greenpeace nicht. Fakt ist, dass sowohl Vattenfall als auch die drei übrigen großen Energieversorger hierzulande (Eon, RWE und EnBW) Großteile ihres Geschäftsmodells verloren haben und derzeit von den Reserven leben. Ob alle überleben, ist keineswegs ausgemacht.
Fünf Milliarden für Windkraft
Der schwedische Staatskonzern Vattenfall meldete am Mittwoch einen Verlust für 2015 von rund 2,1 Milliarden Euro. Das ist etwa doppelt so viel wie im Jahr zuvor. „Der derzeitige Umbruch in der Energiewelt ist dramatisch“, kommentierte Konzernchef Magnus Hall das Ergebnis. „Aber auch sehr spannend“, da sich neue Geschäftsmöglichkeiten ergäben. Beispielsweise baut der Konzern für gut fünf Milliarden Euro bis 2020 Windkraftanlagen. Das Geld dazu könnte unter anderem aus Deutschland kommen: Vattenfall will in diesem Jahr die ostdeutschen Braunkohleaktivitäten verkaufen, dazu gehören vier Tagebaue und vier Kraftwerke. Ob es dafür einen hohen Preis gibt, ist indes fraglich. „Braunkohlekraftwerke haben in Deutschlands Energiemix künftig keinen Platz mehr, entsprechend befindet sich ihr Wert im freien Fall“, meint Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. Mit dem Klimaabkommen von Paris habe sich „Deutschland faktisch zu einem raschen Braunkohleausstieg verpflichtet“.
Spätestens 2050 ist Schluss mit der Kohle
Das ist in jedem Fall eine eigenwillige Auslegung der Pariser Memoranden. Ganz zu schweigen von der Realisierbarkeit. 2022 geht hierzulande das letzte Atomkraftwerk vom Netz, die Bedeutung anderer konventioneller, grundlastfähiger Energieträger dürfte dann noch einmal zunehmen. Und wenn 2050 wie geplant die erneuerbaren Energien einen Anteil von 80 Prozent haben, müssen immer noch 20 Prozent aus anderen Quellen kommen. Indes glauben nicht einmal die überzeugtesten Braunkohlelobbyisten an eine Zukunft der Kohle über 2050 hinaus. Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentinvon NRW, sieht das Ende des Tagebaus im Rheinischen Revier spätestens 2050. Ähnlich ist der Zeithorizont in dem anderen großen deutschen Braunkohlegebiet, der Lausitz.
Milliardenabschreibung auf Kraftwerke
Die dort von Vattenfall betriebenen Tagebaue sind ungefähr 2040 erschöpft. Zwei weitere Gebiete sind zwar genehmigt und würden einen Abbau bis 2050 ermöglichen. Ob es dazu kommt, ist indes fraglich und hängt von zwei Akteuren ab: der Politik und dem neuen Eigentümer. Vattenfall will bis zum Sommer die Braunkohle verkaufen, infrage kommen diverse Interessenten aus Tschechien und der Essener Kraftwerkskonzern Steag. Viel mehr als eine Milliarde Euro werden die Schweden nicht für die Kohle bekommen. Das wissen sie auch und haben deshalb bereits vor knapp einem Jahr Abschreibungen auf die Braunkohle in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vorgenommen. Diese Wertberichtigungen sowie weitere Abschreibungen auf das Hamburger Steinkohlekraftwerk Moorburg und ein schwedisches AKW sind neben sinkenden Preisen die Hauptursachen für den Milliardenverlust. „Weiter fallende Börsenstrompreise undeine Kernkraftsteuer in Höhe von 0,07 Schwedische Kronen (entspricht 0,0075 Cent) pro Kilowattstunde bringen die schwedischen Kernkraftwerke in eine bedenkliche Lage“, erklärte Konzernchef Hall am Mittwoch.
5000 Mitarbeiter gibt es in Berlin
Vattenfall beschäftigt in Deutschland noch knapp 15 000 Mitarbeiter, davon fast 5000 in Berlin und 8000 in der Lausitz. Mit dem Senat verhandelt Deutschlandchef Tuomo Hatakka gerade über eine erneute Konzession zum Betrieb des Stromnetzes und eine Beteiligung des Landes Berlin an der Netzgesellschaft. Noch vor der Abgeordnetenhauswahl im September soll es ein Ergebnis geben.