Letzter Auftritt des EZB-Präsidenten: Draghi will Nachfolgerin Lagarde keine Ratschläge erteilen
Der scheidende EZB-Präsident gibt sich gelöst. Der Konjunktur in der Eurozone bescheinigt er eine Wachstumsschwäche.
Am Schluss findet Mario Draghi sogar noch ein paar deutsche Worte und zitiert in der fünften Etage im Konferenzsaal der Europäischen Zentralbank (EZB) ein deutsches Sprichwort. „Geschenkt ist geschenkt“, sagt er auf die Frage, ob er die Pickelhaube, die ihm eine große Zeitung 2012 als Zeichen preußischer Tugend überreicht hatte zurückgeben werde.
Überhaupt gibt sich der Präsident der EZB bei seinem letzten Auftritt vor Journalisten gelöst und locker. Draghi schmunzelt und lächelt. Dass der Leitzins auch nach der letzten von ihm geleiteten Ratssitzung - an der auch seine Nachfolgerin Christine Lagarde teilgenommen hat ohne mitzudiskutieren – bei Null bleibt, der Einlagezins mit minus 0,5 Prozent im Keller steckt und die Notenbank ab November wieder für 20 Milliarden Euro im Monat Staatsanleihen der Euroländer kauft, spielt nur am Rande eine Rolle.
Was er denn nun machen wolle? „Da fragen Sie am besten meine Frau“, erklärt der 72-Jährige. Die sagt später in kleiner Runde: „Erst mal Ferien“. Italienischer Staatspräsident, will eine Kollegin aus seinem Heimatland wissen? „Ich weiß es nicht“, sagt er und verweist noch einmal an seine Gattin.
Draghi will auch nicht sagen, was er möglicherweise falsch oder was er richtig gemacht hat. Das könne er nicht beantworten. Aber ein Fazit zieht er dann doch. Präsident der zweitwichtigsten Notenbank gewesen zu sein, sei eine „intensive und faszinierende Erfahrung“ gewesen. Er bedankt sich bei den Beschäftigten der EZB. Er sei stolz darauf, dass der Rat mit seinen 25 Frauen und Männern konstant dem Mandat der EZB gefolgt sei und für die Preisstabilität gearbeitet habe nach dem Motto. „Never give up“. Er widerspricht der Auffassung, dass die Stimmung im Gremium nach den Beschlüssen vom September zur weiteren Lockerung der Geldpolitik schlecht sei.
Gerade habe einer der „Dissidenten“, sagt Draghi, in der Sitzung zur Einheit im Rat aufgerufen. Zur auch von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann geäußerten deutlichen Kritik will Draghi nichts sagen. Nur so viel: „Die Geldpolitik werde weiter ihre Aufgabe erfüllen.“
Draghi von seinen Beschlüssen überzeugt
Und natürlich gibt er sich überzeugt, dass die von ihm veranlassten Beschlüsse Wirkung zeigen. „Die Negativzinsen haben die Konjunktur und die Beschäftigung angeschoben. Die Vorteile haben die Nachteile deutlich übertroffen.“ Die EZB habe auch mit den Beschlüssen zur weiteren Lockerung ihrer Politik im September richtig gehandelt. Er räumt aber auch ein, dass die Notenbank 2017 eigentlich den Kurs hatte ändern und den Weg der großzügigen Geldpolitik hatte verlassen wollen. „Aber die Umstände haben es dann nicht zugelassen“. Jetzt würden die Zinsen für lange Zeit niedrig bleiben.
Eine Empfehlung für seine Nachfolgerin? Auch da weicht Draghi aus. „Ich gebe keinen Rat. Christine Lagarde ist erfahren, sie weiß sehr genau, was sie tun muss.“ Aber indirekt hat er auch doch einen Rat. Mit Blick auf die Glaubwürdigkeit und das Verständnis für die Arbeit der weltweit zweitwichtigsten Notenbank bei den Bürgern müsse noch mehr getan werden. „Das ist eine kontinuierliche Aufgabe. Wir wollen mehr Transparenz. Aber bei 19 verschiedenen Ländern ist das nicht einfach. Das muss man mit Vorsicht angehen.“
Abschied mit Staatschefs
Am Schluss bedankt sich der Italiener bei den versammelten Journalisten aus allen Ländern Europas. „Es war mir ein Vergnügen, und das sage ich nicht aus Höflichkeit, sondern aus Überzeugung.“ Dann lädt er zum Umtrunk. Schon nach zehn Minuten verabschiedet er sich. Das Kapitel Draghi für die Journalisten beendet. Am Montag kommen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, seinem italienischen Kollegen Sergi Mattarella und seiner Nachfolgerin Lagarde zum großen Abschiedsempfang. Dann hat erst einmal Draghis Frau das Sagen.