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Die Bundesverfassungsrichter müssen sich erneut mit den EZB-Anleihekäufen beschäftigen.
© picture alliance / Uli Deck/dpa

Verfassungsgericht urteilt zur Europäischen Bankenunion: Waren die Anleihekäufe der EZB rechtens?

Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich erneut mit den EZB-Anleihe-Käufen. Auch die europäische Bankenaufsicht steht im Fokus der Richter.

Er wolle alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. „Whatever it takes“, das versprach Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), vor sieben Jahren – und ließ Taten folgen. Um Geld in den Markt zu pumpen und die Banken zur Kreditvergabe zu animieren, kaufte die EZB in den vergangenen Jahren massiv Staatsanleihen der Euroländer auf. Bis heute hat sie im Rahmen dieses Kaufprogramms Papiere im Wert von 2,8 Billionen Euro erworben.

Die Eurokrise konnte Draghi auf diese Weise abwenden. Trotzdem ist das Kaufprogramm bis heute umstritten. Kritiker werfen ihm vor, damit die Grenzen der unabhängigen Geldpolitik überschritten zu haben. Von diesem Dienstag an muss sich deshalb erneut das Bundesverfassungsgericht mit den Anleihenkäufen der EZB beschäftigen.

Die Karlsruher Richter müssen ein für alle Mal entscheiden, ob es rechtens ist, wenn die Zentralbank in einem solchen Maße Staatsanleihen erwirbt. Die Verhandlung dürfte sich gleich über anderthalb Tage hinziehen. Denn zusätzlich sollen die Richter auch gleich noch die Frage beantworten, ob auch die europäische Bankenaufsicht verfassungskonform ist. Denn daran gibt es ebenfalls Zweifel. Ein Überblick, worum es im Detail geht.

Das Anleihenkaufprogramm

Um die Kritik an dem Kaufprogramm zu verstehen, muss man wissen, welche Aufgabe die EZB hat: Sie soll die Preise in der Eurozone stabil halten. Die EZB betreibt dafür Währungs- und Geldpolitik – aber keine Wirtschaftspolitik. Diese Trennung ist wichtig, weil die Zentralbank unabhängig handeln soll. Zu groß ist sonst die Gefahr, die Politik könnte die EZB für ihre Zwecke einspannen.

Das Problem ist aber, dass es gar nicht so einfach ist, zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik zu entscheiden. Die Anleihekäufe zum Beispiel können theoretisch die Preise in der Eurozone stabilisieren. So gesehen erfüllt also die EZB mit ihnen ihre Aufgabe. Gleichzeitig entlastet sie aber auf diese Weise auch die Regierungen der Eurozone enorm. Denn die EZB sorgt mit ihrem Kaufprogramm dafür, dass die Kurse für die Staatsanleihen fallen: Die Euroländer können sich also sehr viel günstiger verschulden, als das ohne das Eingreifen der Zentralbank der Fall wäre. Das wiederum nimmt den Druck, Reformen umzusetzen. Dazu kommt, dass die EZB an sich keine Staatsfinanzierung betreiben darf. Die Kritiker werfen ihr aber aber vor, eben das mit den Anleihekäufen zu tun.

Verhandelt wird vor dem Bundesverfassungsgericht nun konkret über vier Verfassungsbeschwerden. Unter den Klägern sind der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber, außerdem der frühere . Auf ihre Klagen hin, haben sich die Bundesverfassungsrichter bereits 2017 mit den Anleihekäufen beschäftigt – und damals ernste Bedenken angemeldet. Die Karlsruher Richter legten den Fall daraufhin jedoch dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Und die Luxemburger Kollegen sahen das Ganze anders: Sie entschieden im Dezember 2018, dass die Käufe der EZB durchaus rechtens seien. Die spannende Frage ist deshalb nun, ob Karlsruhe das so hinnimmt oder ob es einschreitet.

Für Draghi steht dabei viel auf dem Spiel. Im äußersten Fall könnten die Richter nämlich eine deutsche Beteiligung an den Anleihenkäufen der EZB untersagen. Bundesregierung und Bundestag könnten sie verpflichten, auf eine Anpassung oder Beendigung hinzuwirken.

Streit um die Bankenaufsicht

Zweiter Streitpunkt vor dem Bundesverfassungsgericht ist die europäische Bankenaufsicht. Zum Schutz vor neuen Finanzkrisen werden die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum seit 2014 zentral von Frankfurt am Main aus überwacht. Aktuell betrifft das 114 „bedeutende“ Institute, von denen aus 19 in Deutschland kommen. Etwa 1100 Aufseher, die bei der EZB angesiedelt sind, prüfen regelmäßig den Geschäftsbetrieb dieser Geldhäuser.

Für die übrigen Banken sind nach wie vor die nationale Finanzaufsicht zuständig – in Deutschland sind das Bafin und Bundesbank. Die zweite Säule der Bankenunion ist ein gemeinsamer Fonds, um Geldhäuser in Schieflage notfalls abwickeln zu können. Er wird von einem Gremium in Brüssel verwaltet. Das Geld zahlen die Banken ein. Bis zum Jahr 2024 sollen so schätzungsweise 55 Milliarden Euro zusammenkommen.

Die Kläger um Kerber halten nun jedoch beides für verfassungswidrig. Deutschland übernehme unkontrollierbare Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt, habe aber potenziell nichts mehr zu sagen. Für die Übertragung derart weitreichender Kompetenzen gebe es keine rechtliche Grundlage.

In seiner Verhandlung im November hatte der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle unter anderem kritisch hinterfragt, ob Geldpolitik und Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB sauber genug getrennt sind. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass die Richter auch in diesem Fall den EuGH einschalten. Darauf verzichten sie aber und verkünden nun direkt ihr Urteil. (cne/dpa)

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