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Hildegard Müller, bald wohl Präsidentin des VDA.
© picture alliance / SvenSimon

Hildegard Müller als VDA-Chefin: Diese Frau soll die Autoindustrie durch die Mobilitätswende führen

Der Verband der Automobilindustrie hat sich auf die Ex-Staatsministerin und -Managerin festgelegt. Konkurrent Oettinger hat nur noch Außenseiterchancen.

Als sich Hildegard Müller vor ein paar Wochen aus dem Vorstand des Energieunternehmens Innogy verabschiedete, hatte sie ihren nächsten Job schon vor Augen. „Für mich ist es Zeit für Veränderungen“, schrieb Müller, die seit Mitte 2016 für RWE und Innogy tätig war und zuletzt den Geschäftsbereich Netz und Infrastruktur in Essen verantwortete. Jetzt kehrt die 52-Jährige nach Berlin und ins Verbandsgeschäft zurück. Wenn keine größeren Unfälle mehr passieren, dann wird die Bankkauffrau vom kommenden Jahr an als Präsidentin den Verband der Automobilindustrie (VDA) führen.

In der vergangenen Woche wollte sich der Vorstand des Verbandes noch nicht auf Müller festlegen, weil die meisten der 19 Vorstandsmitglieder die CDU-Politikerin nicht persönlich kennen. Das wird in diesen Tagen nachgeholt, und noch im November soll die Personalie beschlossen werden. Der bisherige EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat nur Außenseiterchancen.

Die Autoindustrie ist nach dem Dieselbetrug und der Auseinandersetzung um CO2–Grenzwerte und Stickoxidbelastungen in Städten und um die Mobilitätswende überhaupt in einer tiefen Imagekrise. Hinzu kommt interner Streit um die so genannte Technologieoffenheit.

Marktführer Volkswagen setzt unter dem Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess voll auf batterieelektrische Fahrzeuge, BMW und Mercedes dagegen wollen noch lange Verbrennungsmotoren bauen. Die Zulieferer, die wie die Hersteller auch im VDA organisiert sind, sorgen sich um die künftige Arbeitsteilung mit ihren Kunden.

Nicht die erste Frau an der VDA-Spitze

Diese Gemengelage überforderte den früheren Chef der deutschen Ford- Werke, Bernhard Mattes. Erst im März 2018 war er auf Vorschlag des damaligen Daimler-Chefs Dieter Zetsche zum VDA-Präsidenten gekürt worden. Ausgerechnet am Tag der Eröffnung der Internationalen Autoausstellung IAA hatte Mattes im Spätsommer seinen Rücktritt zum Ende des Jahres verkündet. Seitdem sucht Arndt Kirchhoff, Chef des gleichnamigen westfälischen Autozulieferers und VDA-Vizepräsident, einen Nachfolger. Nun sieht alles nach einer Nachfolgerin aus.

„Müller will den Job unbedingt“, heißt es in der PS-Szene. Sie wäre nicht die erste Frau an der Spitze einer von Männern dominierten Branche. Von 1989 bis 1996 führte Erika Emmerich den Verband; die Juristin war damals von der Spitze des Kraftfahrzeug-Bundesamtes in Flensburg zum VDA nach Frankfurt am Main gewechselt.

Inzwischen sitzt der Verband in Berlin-Mitte am Bebelplatz, weil die Nähe zur Politik unverzichtbar ist. Das gilt auch für den Präsidenten, weshalb der frühere CDU-Forschungsminister Matthias Wissmann 2007 ins Amt des VDA-Präsidenten gekommen war. Wissmann duzt sich mit der Bundeskanzlerin und er konnte sein breites Netzwerk nutzen, wenn es zum Beispiel in Brüssel um den Regulierungsrahmen für die Autoindustrie und dabei besonders um die CO2-Grenzwerte ging.

Nach dem misslungenen Versuch, mit Mattes einen Automann Lobbyarbeit machen zu lassen, soll es nun wieder ein Politiker sein. Und zwar idealerweise jemand mit CDU-Geschichte, denn die Union wird – in welcher Koalition und Konstellation auch immer – in absehbarer Zeit eine wichtige Rolle spielen.

2005 Staatsministerin unter Merkel

Hildegard Müller ist nicht nur in der richtigen Partei. Die Diplomkauffrau hat Managementerfahrung und kann eine heterogenen Verband in schwieriger Zeit führen. Von 2008 bis 2016 steuerte sie den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in dem neben Atom- und Kohlekonzernen auch die Erzeuger erneuerbarer Energien und viele Mittelständler vertreten sind. Die Jahre nach Fukushima (2011) mit einer beschleunigten und extrem holprigen Energiewendepolitik waren anspruchsvoll. Müller scheute sich nicht, auch eigene Parteifreunde immer wieder auf Defizite wie den schleppenden Netzausbau und fehlende Marktmechanismen bei der Förderung der Erneuerbaren hinzuweisen. Erst mit dem auch für Energie zuständigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kam ab 2014 neuer Schwung in das Thema.

Nur noch Außenseiterchancen auf's VDA-Spitzenamt: Günther Oettinger.
Nur noch Außenseiterchancen auf's VDA-Spitzenamt: Günther Oettinger.
© picture alliance/dpa

Gabriel hat vergangene Woche mit seinem Verzicht auf das VDA-Spitzenamt den Weg frei gemacht für Müller. Die wird sich wiederum beraten haben mit Angela Merkel. In der ersten Merkel-Regierung wurde Müller 2005 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Die Parteikarriere hatte Ende der 1990er als Vorsitzende der Jungen Union begonnen; bis 2008 saß Müller im Bundesvorstand der Union.

Die Rheinländerin ist eloquent, klar und präzise. Anders als Mattes könnte Müller in den Talkshows dem Volk erklären, warum Autos mit Verbrennungsmotor auch 2030 noch gebraucht werden und warum das sogar gut sein kann für’s Klima.

Müller, so ist das Kalkül der Bosse, verkörpert anders als der 66 Jahre alte Ex-Ministerpräsident Oettinger Aufbruch und Frische, die dem Männerclub abgeht. Unter den 19 Mitgliedern im VDA-Vorstand befindet sich mit Gertrud Moll-Möhrstedt von der Akkumulatorenfabrik Moll eine einzige Frau. Den Ton geben die Chefs von VW und Daimler, BMW und Bosch, Audi und Conti an.

Die Herren wollen sich in diesen Tagen nun erstmal persönlich überzeugen, ob sie Müller das Spitzenamt anvertrauen möchten. „Qualität geht vor Geschwindigkeit“, heißt es an der VDA-Spitze über das Procedere im Auswahlprozess.

Ein Gespräch mit Oettinger gibt es noch

In Wirklichkeit gibt es Zeitdruck, denn Mattes ist lame duck und wichtige Entscheidungen stehen an. Zum Beispiel darüber, wo künftig die IAA stattfindet. Fünf Städte, darunter Berlin, bewerben sich um die Leitmesse, und alle fünf warten auf Vorgaben, wie sich der Verband die IAA künftig vorstellt. Die neue Präsidentin wird da mitmischen wollen. Oder der neue Präsident.

Ganz aus dem Rennen ist Oettinger noch nicht. Wie zu hören ist, soll es in den nächsten Wochen ein Gespräch zwischen einem Vize-Präsidenten des VDA und dem bald ausscheidenden EU-Kommissar geben. Oettinger, der sich eigentlich mit einer Politik- und Unternehmensberatung selbstständig machen will, hat bislang noch keinen Antrag bei der EU gestellt, sich eine Tätigkeit beim VDA genehmigen zu lassen.

Der Verhaltenskodex für Kommissare sieht vor, dass sie mindestens zwei Monate vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit die Absicht gegenüber der Kommission deutlich machen müssen. Dies gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Diese Zeit wird auch als Abkühlungsphase bezeichnet.

In der Abkühlungsphase sind Ex-Kommissare aber nicht zur Untätigkeit verpflichtet. Laut Verhaltenskodex muss die EU-Kommission nach der Anzeige durch den Kommissar prüfen, ob „die Art der geplanten Tätigkeit vereinbar“ ist und „ob sie eine Nähe hat zum Portfolio des ehemaligen Kommissionsmitglieds“. Als Haushaltskommissar ist Oettinger vor allem mit internen Abläufen der EU beschäftigt gewesen. Demnach dürfte er zum VDA – falls es mit Müller nicht klappt. (Mitarbeit: Markus Grabitz)

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