Neue VW-Konzernstrategie: "Die Zukunft der Automobilität ist großartig"
Konzernchef Herbert Diess setzt voll auf Elektromobilität und autonomes Fahren und erwartet eine Verdopplung des Marktvolumens
Die „Dieselthematik“, wie der Abgasbetrug im VW-Konzern in den vergangenen Jahren genannt wurde, ist abgehakt. Jedenfalls für den Vorstand und den Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der am Dienstag die Strategie für die kommenden zehn Jahre vorstellte: Volle Konzentration auf Elektromobilität inklusive Bau von sechs Batteriezellenfabriken und die Transformation zu einem Softwarekonzern, der beim autonomen Fahren eine Poleposition anstrebt. „Das Auto hat eine glänzende Zukunft“, sagte Diess, dessen Vertrag kürzlich bis 2025 verlängert worden war. „Auf der Basis von Software ist der nächste, weitaus radikalere Wandel der Übergang zu deutlich sichereren, intelligenteren und schließlich autonomen Fahrzeugen.“
30 Prozent weniger CO2
Im Vergleich zu 2018 plant der größte Fahrzeughersteller der Welt den CO2- Fußabdruck pro Auto über den gesamten Lebenszyklus bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren, das entspricht Diess zufolge 15 Tonnen CO2/Fahrzeug. Ebenfalls bis 2030 soll der Anteil der Verkäufe von Elektrofahrzeugen auf rund 50 Prozent steigen, 2040 werde den Plänen zufolge „nahezu 100 Prozent“ der neuen Konzernfahrzeuge in den Hauptmärkten China, USA und Europa emissionsfrei sein. Zum Konzern gehören neben der Kernmarke VW auch Skoda und Seat, Audi, Porsche, Bentley und Lamborghini sowie die VW Nutzfahrzeuge, MAN und Scania. Volkswagen beschäftigt weltweit 660 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
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85 Prozent der Mobilität im Auto
„New Auto“ hat VW als Überschrift für die neue Strategie gewählt, um mit dem Slogan auch „unsere Begeisterung für individuelle Mobilität“ auf den Punkt zu bringen, wie Diess erläuterte. „Die Zukunft der Automobilität wird großartig sein“, zumal 2030 rund 85 Prozent der Mobilität im Auto stattfinde, wie der VW-Chef glaubt. Autonom, sicher und nachhaltig würden die Pkw dann unterwegs sein und beispielsweise eigenständig mit der Infrastruktur in der Umgebung kommunizieren.
Fünf-Billionen-Euro-Markt
Der Trend zum Software-getriebenen Fahrzeug und neuen Mobilitätsdienstleistungen führe zu einem enormen Marktvolumen, das Diess zufolge 2030 weltweit bei rund fünf Billionen Euro liegt - heute sind es zwei Billionen. Etwa 1,2 Billionen Euro veranschlagt VW 2030 allein für die Software. Auch deshalb erwartet Diess neue Player wie Google oder Apple mit autonom fahrenden Pkw auf dem Mobilitätsmarkt. Mit seiner Markenvielfalt und der Plattformstrategie, die den Einsatz von Teilen und Technologien in verschiedenen Konzernmodellen vorsieht, sieht sich Volkswagen dafür gut gerüstet. Die bisherigen Plattformen für Verbrenner- und Elektroautos sollen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts abgelöst werden durch eine neue Mechatronics-Plattform, auf der dann mehr als 40 Millionen Fahrzeuge produziert werden könnten. Dazu investiert der Konzern rund 800 Millionen Euro in ein neues Zentrum für Technische Entwicklung in Wolfsburg.
VW investiert 73 Milliarden Euro
Diese Summe gehört zu den 73 Milliarden Euro die Volkswagen von 2021 bis 2025 für Zukunftstechnologien vorsieht. Dazu gehören Batteriezellenfertigungen, denn „VW wird einer der größten Batterienutzer weltweit sein“, wie Diess sagte. Ziel ist die Abdeckung aller Teilbereiche, von den Rohstoffen bis zum Recycling, um eine selbst kontrollierte Batterielieferkette aufzubauen.
Darüber hinaus möchte der Konzern seinen Stromauto fahrenden Kunden eine Lösung aus einer Hand anbieten – von den für den Ladevorgang benötigten Produkten bis hin zu Energiemanagement-Dienstleistungen. Man werde ein „komplettes Energie-Ökosystem rund um das Fahrzeug und die Ladeinfrastruktur aufbauen, das den Kunden ein komfortables Laden ermöglicht sowie dem Unternehmen weitere Geschäftspotenziale eröffnet“. Insgesamt will Volkswagen Konzern in den kommenden Jahren 18000 Ladepunkte in Europa, 17 000 in China und 10 000 in den USA und Kanada aufbauen. Diese Technologien und Dienstleistungen rund um das E-Auto sollen zu einer Kernkompetenz werden.
Sechs Fabriken für Batteriezellen
Das strebt VW auch bei der Batteriezelle an, dem wichtigsten Teil im E-Auto. Der Konzern entwickelt dazu mit Partnern eine Einheitszelle mit einem Kostensenkungspotenzial von bis zu 50 Prozent, die in 80 Prozent der Konzernfahrzeuge eingesetzt werden könnte. Der Bedarf an Zellen ist gigantisch, weshalb VW bis 2030 sechs Fabriken in Europa mit einer Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden bauen möchte. Der erste Standort in Schweden wird vom VW-Partner Northvolt betrieben. Man habe gerade weitere 500 Millionen Euro in das Projekt investiert und arbeite mit Northvolt auf einen Produktionsstart im Jahr 2023 hin, hieß es am Mittwoch in Wolfsburg.
Chinesischer Partner für Salzgitter
Für den zweiten Batteriezellen-Standort in Salzgitter verbündet sich VW mit dem chinesischen Zellspezialisten Gotion High-Tech, an dem sich Volkswagen mit 1,1 Milliarden Euro (entspricht 26 Prozent) beteiligt. In Salzgitter soll die Produktion 2025 starten. Als dritten Standort will der Konzern Spanien zu einer strategischen Säule seiner Elektro-Offensive machen und die gesamte Wertschöpfungskette von Elektroautos rund um die Tochter Seat etablieren. Dazu wird mit einem strategischen Partner der Aufbau einer Giga-Fabrik mit einer Kapazität von 40 Gigawattstunden bis Ende des Jahrzehnts geprüft.
Höhere Profitabilität
Aufgrund der Verschiebung vom Verbrennungsmotor zum E-Auto und anschließend dem autonomen Fahren mit hohem Softwareeinsatz erwartet Diess eine höhere Profitabilität. Die operative Umsatzrendite soll deshalb 2025 bei acht bis neun Prozent liegen und damit ein Prozent höher als bislang erwartet. Für das erste Halbjahr 2020 hatte der Konzern kürzlich einen Gewinn von elf Milliarden Euro gemeldet. Zwar werde der Absatz der Verbrenner in diesem Jahrzehnt um rund ein Fünftel sinken, doch „unser robustes Geschäft“ mit Benzin- und Dieselautos werde in den kommenden Jahren dazu beitragen, „die für den Übergang nötigen Gewinne zu generieren“.