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Pkw mit Wasserstoff bleiben noch lange die Ausnahme, glaubt der Energietechnologie-Experte Markus Hölzle. Die Dekarbonisierung des Individualverkehrs verläuft seiner Einschätzung nach elektrisch – nach China ist Deutschland der größe E-Auto-Markt der Welt.
© dpa

Autobranche setzt auf Elektromobilität: „Die Industrie hat die Zeichen der Zeit erkannt“

Markus Hölzle, Professor für Elektrochemie in Ulm, über Elektromobilität, Batteriezellen aus Europa und die Wasserstoff-Zukunft.

Herr Hölzle, was für ein Auto fahren Sie?

Ein rein elektrisches Fahrzeug, den Mercedes EQC. So wie es von einem Professor für Elektrochemische Energietechnologien sicherlich auch erwartet wird….

Mit welcher Reichweite?
Auf dem Papier 470 Kilometer. 350 bis 360 Kilometer sind realistisch, wenn ich im Schnitt mit 120 km/h auf der Autobahn unterwegs bin und die Temperatur angenehm ist. Fällt die Temperatur auf fünf Grad oder darunter, schaffe ich noch 260 Kilometer.

Wie erklärt sich das?
Ab einer bestimmten Außentemperatur wird die Batterie während des Fahrens geheizt, das braucht Energie und geht dann zulasten der Reichweite.

Wie leistungsfähig und wie schwer ist die Batterie?
Die Kapazität liegt bei 80 Kilowattstunden, damit kommt das Auto dann auf 400 PS. Zum Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen trägt die Batterie 700 Kilogramm bei. Alles in allem ist das Gesamtpaket zufriedenstellend: Die „Kraftstoffkosten“, also die reinen Stromkosten, liegen bereits jetzt mit rund neun Euro für 100 Kilometer auf dem Niveau eines entsprechenden Dieselfahrzeugs. Die CO2-Emissionen im Fahrbetrieb beim aktuellen Strommix sind sogar unter denen des Diesels.

Und die Batterien werden noch besser und günstiger.
Genau. Vor wenigen Jahren noch hätte ich nicht an so eine Entwicklung geglaubt. Die Kilowattstunde kostet jetzt vermutlich noch 130 bis 180 Euro – genaue Zahlen sind natürlich ein großes Geheimnis der Pkw-Hersteller. Doch Tesla hat bereits 50 US-Dollar für die nächste Zellengeneration angekündigt – und Volkswagen will mitziehen. In wenigen Jahren sind die Elektrofahrzeuge in der Anschaffung also auch ohne Subventionierung wettbewerbsfähig gegenüber Diesel- oder Benzinantrieben.

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Allein das Bundeswirtschaftsministerium fördert Projekte zum Aufbau von Produktionen für Batteriezellen hierzulande mit drei Milliarden Euro. Ist das gut angelegtes Geld – oder ist der Vorsprung der asiatischen Hersteller nicht schon zu groß?
Es ist nicht zu spät. Der Haupttreiber der Entwicklung sind die CO2-Grenzwerte von neu zugelassenen Fahrzeugen, die nur mit viel mehr Elektrofahrzeugen erreicht werden können. Im letzten Jahr waren es 95 Gramm/Kilometer und im zweiten Halbjahr 2020 haben die deutschen Autohersteller gerade noch so viele Elektroautos produzieren und verkaufen können, dass sie dadurch Strafzahlungen vermeiden konnten. 394 000 elektrische Fahrzeuge wurden 2020 auf dem deutschen Markt zugelassen. Damit waren wir der zweitgrößte Markt – noch hinter China aber zum ersten Mal vor den USA.

Also hat die Industrie die Kurve gekriegt?
Nach meiner Einschätzung: Ja. Frau Merkel hatte sich ja eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen im Jahr 2020 gewünscht und das erreichen wir – nun eben ein Jahr später. Das würde ich trotzdem noch als Punktlandung bezeichnen. Jetzt kommen neue Elektrofahrzeuge reihenweise auf den Markt und die Politik unterstützt den Markthochlauf sehr aktiv mit einer Kaufprämie von bis zu 9000 Euro pro Fahrzeug. Kurzum: Der Bann ist gebrochen, die Industrie hat die Zeichen der Zeit erkannt. Dazu verbessert sich die Ladeinfrastruktur und die Kunden sehen zunehmend die Vorteile des Elektroautos.

Markus Hölzle leitet den Bereich Elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie-und Wasserstoff-Forschung Ulm. Damit verbunden ist auch eine Professur.
Foto: Promo
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Das wichtigste Teil im E-Auto, die Batteriezelle, kommt von südkoreanischen, chinesischen und japanischen Herstellern.
Aber eine amerikanische Firma namens Tesla will vor den Toren Berlins die größte Batteriefabrik der Welt bauen. Das ist doch eine Ansage – gerade für den Standort Deutschland! VW will sogar ein halbes Dutzend Batteriezellenfabriken bauen und Porsche macht das in kleinerem Maßstab in Tübingen. Wir holen uns eine Technologie nach Europa, weil die Autoindustrie die Lieferanten vor Ort haben möchte. Und ein riesiger Konzern wie Volkswagen kauft dann eben zukünftig einen großen Teil seines Bedarfs an Batterien bei sich selbst ein.

Ist das so einfach?
Für die Batterie braucht man Material und Produktionstechnologie. Es gibt in Europa Hersteller von Kathoden- und Anodenmaterial, unter anderem BASF, Umicore, Johnson-Matthey und SGL Carbon. Im Maschinen- und Anlagenbau haben in Deutschland beispielsweise Manz, Grob und andere Firmen ein klares Kommittent für Batterieproduktionsanlagen abgegeben – und Tesla hat sich mit Grohmann schon vor einigen Jahren einen Maschinenbauer hierzulande gekauft.

Tesla hat neues Zellenformat angekündigt. Setzt Elon Musk mal wieder den Trend?
Bei den Rundzellen, die auch Tesla verwendet, ist das gängige Format der Lithium-Ionen-Zelle 21 700. Tesla kündigt nun eine deutlich größere Zelle an unter der Bezeichnung 46 800, also mit einem Durchmesser von 46 Millimeter und 80 Millimeter Länge. Die 21 700 wird jedoch noch lange gebraucht werden, da sie für Handwerks- und Gartengeräte oder auch Motorsägen ebenso zum Einsatz kommt wie im Automobilbereich. Meiner Meinung nach wird es auch zukünftig verschiedene Formate parallel geben, dazu gehören Rundzellen, Pouchzellen und prismatische Formate. VW etwa hat sich für prismatische Zellen entschieden, die südkoreanische LG Chem setzt auf Pouchzellen in einem Joint-Venture zur Versorgung von GM in den USA.

Volkswagen will mit seinem US-Partner Quantumscape in Salzgitter auch Zellen mit einem festen Elektrolyt produzieren, das wäre nochmal ein Quantensprung, was die Leistungsfähigkeit der Batterie angeht.
Das wird alles nicht über Nacht gehen, weil es einer komplett neuen Fertigungstechnologie bedarf. Festkörperbatterien haben Vorteile, doch auch die Lithium-Ionen-Technologie entwickelt sich unaufhaltsam weiter. Ob es am Ende wirklich ein Quantensprung werden wird oder nur eine deutliche Verbesserung – das kann man noch nicht beurteilen.

Hat der Markt nicht eine erstaunliche Dynamik aufgenommen?
Die gesamte Batterieentwicklung bewegt sich gefühlt mit Lichtgeschwindigkeit. Früher gab es alle sieben Jahre ein neues Pkw-Modell, zum Beispiel die nächste Generation des VW Golf, heute werden alle zwei Jahre die elektronischen Features im ID.3 upgegradet und meist auch die Batterie gleich mit. Oder Tesla: nach einem Over-the-air-Software-Update steigt die Reichweite um 25 Kilometer – ohne dass irgendjemand Hand an die Batterie angelegt hat. Tesla hat einfach zigtausende von Batteriedaten seiner Fahrzeuge in Kundenhand ausgewertet und dann das Batteriemanagementsystem mit einer neuen Software versorgt. So sieht die Zukunft aus.

Ist es plausibel, dass viele Firmen voll auf Elektromobilität setzen und die Brennstoffzelle mit Wasserstoff vernachlässigen?
Zwei Systeme parallel aufzubauen ist immer sehr kostenintensiv. Wir brauchen in den nächsten Jahren die Batteriefahrzeuge, um die CO2-Werte schnell runterzukriegen. Die Brennstoffzelle im Pkw- Bereich kommt einfach zu spät – obwohl sie ironischerweise bereits vor einigen Jahren gerade in Deutschland kurz vor der Markteinführung stand. Im Markt verfügbar heute ist die Batterie, aber nicht die Brennstoffzelle – zumindest nicht von deutschen Herstellern. Zudem fehlt die Versorgung mit Wasserstoff über eine flächendeckende Tankstelleninfrastruktur nahezu vollständig.

Und wenn der Wasserstoff kommt – wo soll er dann bevorzugt eingesetzt werden?
Grundsätzlich sind erneuerbarer Strom und grüner Wasserstoff die beiden einzigen Hebel, die wir zum Erreichen der Klimaneutralität in der Hand haben. Die Batterie wird überall dort eingesetzt werden wo das Anforderungsprofil passt, etwa im Pkw. Aber bereits im Lkw-Bereich haben Brennstoffzellen Vorteile. Und dann gibt es ja auch noch viele andere zukünftige Anwendungen für Wasserstoff. Hier in Ulm ist zum Beispiel im 19. Jahrhundert der Zement erfunden worden und es gibt auch heute noch viele Zementwerke in Baden-Württemberg, die mit dem Einsatz von Wasserstoff effizient dekarbonisiert werden können.

Wir brauchen dafür viel mehr erneuerbare Energie.
Auf jeden Fall. Nehmen wir die Gebäudeheizung – heute typischerweise basierend auf Erdgas und Erdöl. Mit einer Brennstoffzelle im Keller und Wasserstoff aus der heutigen Erdgasleitung könnten vor allem Bestandsgebäude umgerüstet werden. Und Neubauten nutzen dann die Wärmepumpe – womit wir wieder beim Gespann aus Wasserstoff und elektrischer Energie wären. Grüner Wasserstoff aus erneuerbarer Energie ist das Ziel, der ist aber abhängig von einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. Aufgrund der hohen Dringlichkeit, die CO2-Emissionen schnell zu reduzieren, müssen wir mehrere Ziele parallel verfolgen. So wird anfangs nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen, auch weil die Elektrolysetechnologie erst in den industriellen Maßstab skaliert werden muss. Deshalb sollten wir in den nächsten Jahren auch grauen oder blauen Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zulassen, um die erforderliche Menge an Wasserstoff kostengünstig bereitstellen zu können und damit Investitionssicherheit zu schaffen.

Das ist politisch umstritten.
Dies wäre aber eine Parallele zur heutigen Stromversorgung von Batterien, die auf dem aktuellen deutschen Strommix mit etwa 50 Prozent Anteil an grünem Strom beruht. Hier wartet auch niemand auf den Tag, an dem der deutsche Strom zu 100 Prozent grüner Strom sein wird. Und das ist auch gut so.

Oder wir importieren grünen Wasserstoff aus den sonnenreichen Ländern im Norden Afrikas, wie sich das die Bundesregierung wünscht.
Deutschland importiert heute rund 70 Prozent seiner Primärenergie. Mit flächendeckender Photovoltaik und mehr Windenergie an Land und Offshore drücken wir das vielleicht auf unter 50 Prozent, aber wir werden ein großer Energieimporteur bleiben. Irgendwann muss dann auch grüner Wasserstoff dazugehören. Aber auch hier überwiegen die Vorteile, denn wir können heute mitentscheiden, wer unsere Partner hierfür sein werden. Beim Erdöl konnten wir das nie.

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