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Seit 2019 ist We Share in Berlin mit E-Golfs unterwegs. Nun werden die Fahrzeuge gegen Wagen des Modells ID.3 ersetzt.
© We Share

Carsharing-Tochter von VW: We Share wächst stark – doch sieht sich vom Land Berlin behindert

Vor zwei Jahren startete die VW-Tochter We Share ihr elektrisches Carsharing-Angebot in Berlin. Fehlende E-Ladesäulen und Regulierung machen der Firma Sorgen.

Es war eine echte Neuheit: Mit 1500 vollelektrischen VW Golfs startete We Share im Sommer 2019 in Berlin. Mittlerweile sind nicht nur Elektroautos ein deutlich gewohnterer Anblick im Stadtzentrum. Auch der Carsharing-Anbieter selbst, dessen Fahrzeuge dank des großen Namens-Schriftzugs auf den Straßen gut sichtbar sind, hat sich in der Hauptstadt etabliert. „Wir haben eine sehr gute Position in Berlin erreichen können und unsere eigenen Erwartungen teilweise übertroffen,“ bilanziert Philipp Reth, Geschäftsführer von We Share, genau zwei Jahre nach dem Markteintritt in Berlin.

Ein eigenes Auto in der Stadt zu besitzen, ist für viele Menschen gerade in Berlins Zentrum schon länger nicht mehr attraktiv. Brauchen sie doch ein Auto, greifen sie zur App und nutzen das nächste, freie Carsharing-Fahrzeug. Auch angesichts einer von vielen Seiten angemahnten Verkehrswende dürfte die geteilte Nutzung von Fahrzeugen die Zukunft gehören. Doch welche Anbieter am Ende das Rennen machen, scheint offen. Der Markt in Berlin ist umkämpft. Und profitabel arbeitet noch keines der Unternehmen.

Als We Share 2019 in den Berliner Markt eintrat, waren andere Firmen längst aktiv: Share Now, das gemeinsame Tochterunternehmen von BMW und Daimler, der Berliner Anbieter Miles oder Sixt Share waren mit ihren Diensten bereits auf der Straße. Dennoch bedeutete der Start von We Share einen Schub für die gesamte Berliner Carsharing-Branche. Erstmals wagte sich damit der Volkswagen-Konzern auf das Feld der geteilten Autonutzung.

Zwei Jahre später verfügt die VW-Tochter nach eigenen Angaben über 150.000 angemeldete Nutzer in Berlin. Für CEO Reth ein guter Wert. „Wir haben eine sehr aktive Kundschaft. Die Hälfte aller Nutzer fährt mindestens einmal im Monat mit uns.“

Jedes We-Share-Auto wird mehrmals täglich ausgeliehen

Private Pkw stehen durchschnittlich 23 Stunden am Tag. Carsharing-Angebote sind daher umso sinnvoller – und wirtschaftlicher – je häufiger die Fahrzeuge unterwegs sind. Auch in dieser Frage sieht Reth das Unternehmen vorn. „Die Nutzung der Flotte ist gut. Jedes Auto wird einige Male pro Tag von Kunden ausgeliehen.“ Das schlage sich auch in den Firmenzahlen nieder: „Wir haben sämtliche Parameter übererfüllt. Wir sind bei Kundenzahl, Fahrten und Umsatz über Plan.“

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Bislang ist Carsharing für die Anbieter noch ein Verlustgeschäft. Insbesondere bei den Diensten mit großen Autokonzernen im Rücken äußerten Branchenkenner immer wieder die Vermutung, es gehe vor allem darum, Fahrdaten zu sammeln und die Modelle bei einer jungen, urbanen Zielgruppe bekannt zu machen. We-Share-Chef Reth jedoch ist überzeugt, auch mit den aufwendigen Diensten bald Geld verdienen zu können.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, profitabel zu werden. Da sind wir absolut im Plan und werden das in den nächsten Jahren erreichen.“ Wie lange es bis dahin voraussichtlich dauern wird, verrät er nicht. Bis zur „schwarzen Null“ in den Büchern werde es jedoch deutlich weniger als fünf Jahre dauern, erklärt er.

Höchste Nachfrage in Berlins östlicher Innenstadt

Dabei hilft wohl auch, dass We Share seinen Dienst vor allem in den zentrumsnahen Gebieten der Hauptstadt anbietet, wo viele Menschen leben und die Zahl der Ausleihen entsprechend höher ist. Die höchste Nachfrage sei in der östlichen Innenstadt rund um Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain, heißt es vom Unternehmen.

Eine Analyse des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" ergab kürzlich, dass das Betriebsgebiet von We Share nur 17 Prozent der Berliner Landesfläche umfasse. Wer am Stadtrand wohnt, kann auf die neuen Dienste oft immer noch nicht zugreifen. Die Hälfte des Betriebsgebiets sei schon jetzt außerhalb des S-Bahnrings, sagt Firmenchef Reth. Größer werde der Bereich jedoch vorerst nicht. Schon jetzt komme man mit dem Angebot in Wohngebiete, in denen die Nutzungsraten stark nachließen.

CEO Philipp Reth ist zufrieden mit der Entwicklung des Carsharing-Anbieters We Share in Berlin.
CEO Philipp Reth ist zufrieden mit der Entwicklung des Carsharing-Anbieters We Share in Berlin.
© We Share

Durch die Corona-Pandemie sei das Unternehmen nach eigenen Angaben nach einem kurzen Einbruch im Frühjahr 2020 gut hindurchgekommen. Geholfen habe dabei wohl auch, dass noch immer viele Menschen den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr meiden. Die Nutzungen durch die Kunden seien daher nun andere, sagt Reth: „Wir sehen, dass viele Menschen vermehrt über die Wochenendtage unsere Autos nutzen, um länger aus der Stadt rauszukommen.“

Noch in diesem Jahr werden sie dabei auf neue Autos zugreifen können. Derzeit tauscht das Unternehmen alle seit dem Start genutzten E-Golfs gegen Fahrzeuge des neuen ID.3 aus. Vereinzelt sollen auch noch größere und kleinere Autos der neuen Volkswagen-Generation zur Flotte hinzustoßen. Zum Jahresende werde man so eine komplett erneuerte Flotte anbieten können, erklärt der CEO.

We Share kritisiert Berliner E-Lade-Strategie

Mit seinen 1500 vollelektrisch betriebenen Fahrzeugen ist die Firma ein großer Nutzer der Berliner Ladeinfrastruktur. „Das Thema treibt uns massiv um“, sagt Reth. An dem Unternehmen zeige sich, was auf Ballungsräume zukomme: „Wir sehen eine starke Zunahme von privaten Elektroautos, doch die Ladeinfrastruktur wächst nicht im gleichen Maße mit. Die Verantwortung dafür sehen wir auch beim Land Berlin.“

We Share hat daher in einer Kooperation mit der Schwarz-Gruppe auf Parkplätzen von Lidl- und Kaufland-Filialen rund 50 Schnellladestationen installiert, die die Flotte nachts exklusiv nutzen kann. Doch vor allem die klassischen Ladesäulen, die das Land errichte, schafften kaum Abhilfe. „Die heutige Ladeinfrastruktur in den Bezirken ist nicht auf die steigende Nachfrage von morgen ausgelegt. Diese langsamen Säulen sind nur Tröpfchen auf einem immer heißeren Stein.“

Kritik am neuen Berliner Straßengesetz

Kritisiert wird bei dem Unternehmen auch, dass das Land die gesamte Sharingbranche vom E-Scooter bis zum Auto über die Novelle des Berliner Straßengesetzes stärker regulieren will. Neben neuen Regeln und einer Begrenzung der Flottengröße sollen die Dienste ab Herbst 2023 auch pro Fahrzeug Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Raums an das Land zahlen.

Reth verweist auf „signifikante siebenstellige Millionenbeträge pro Jahr“, die das Unternehmen bereits an Parkgebühren zahle. Weitere Belastungen könnten den Dienst unwirtschaftlicher machen. „Wir sind heute schon in der Situation, dass wir beim Carsharing eine relativ hohe Abgabenlast haben. Elektrocarsharing noch über diese Abgaben hinaus zu belasten, sehen wir kritisch.“ Insbesondere elektrisches Carsharing solle „aufgrund seiner Nachhaltigkeitspotenziale“ vom Land anders bewertet werden.

Bei allen Diskussionen um die Sharing-Angebote: Im Vergleich zu den mehr als 1,2 Millionen Pkw in Berlin nimmt sich die Zahl der aktuell 6000 Carsharing-Fahrzeuge noch marginal aus. Für Reth ist aber genau das die Chance: „Das gesamte Potenzial für Carsharing ist angesichts von über einer Million privater Pkw in der Stadt mit Sicherheit noch nicht ausgeschöpft.“

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