Bankenaufsicht der EZB: Die Zentralbank im Interessenkonflikt
Die EZB kümmert sich seit diesem Dienstag neben der Geldpolitik auch um die Bankenaufsicht. Das bringt sie in einen Interessenkonflikt. Ein Kommentar
Bloß keine faulen Kompromisse mehr. Das war der gute Vorsatz der Politik nach Ausbruch der Finanzkrise vor sechs Jahren. Das Finanzsystem sollte stabiler, die Banken strenger überwacht werden. Schließlich hatte die Krise gezeigt: Viele Institute handeln grenzüberschreitend und sind untereinander vernetzt. Entsprechend schnell stecken Banken sich im Fall einer Krise gegenseitig an. Deshalb haben die Euro-Staaten beschlossen, große Banken künftig gemeinsam zu überwachen. Das ist ein lobenswerter Vorsatz. Herausgekommen ist dabei allerdings ein fauler Kompromiss.
Nach langer Vorbereitung übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Dienstag die Aufsicht über die 120 größten Banken der Euro-Zone. Etwa 1000 neue Mitarbeiter hat sie dafür eingestellt. Doch nicht nur personell wird die EZB damit zu einer Superbehörde. Denn wenn sie sich zusätzlich zur Geldpolitik künftig auch um die Bankenaufsicht kümmert, wird sie für zwei – bisher zu Recht streng getrennte – Aufgaben zuständig sein: Als Zentralbank bringt sie das Geld in Umlauf; als Bankenaufseherin kontrolliert sie diejenigen, die damit arbeiten. Das verschafft der EZB Macht. Zu viel Macht.
Die EZB muss in erster Linie für Preisstabilität sorgen
Die Hauptaufgabe einer Zentralbank ist die Geldpolitik – und so muss es bleiben. Die EZB sorgt dafür, dass die Preise in der Euro-Zone nicht zu stark steigen oder fallen. Entsprechend viel Verantwortung trägt sie für das Funktionieren unserer Volkswirtschaft. Kümmert sich die EZB parallel auch noch um die Banken, besteht die Gefahr, dass sie geldpolitische Entscheidungen trifft, die nichts mehr mit der Preisstabilität zu tun haben. Sondern die rein dazu dienen, strauchelnde Banken am Leben zu halten.
An diesem Interessenkonflikt ändert auch das Versprechen der EZB nichts, beide Aufgaben strikt voneinander zu trennen. Denn selbst wenn die Zentralbanker und die Aufseher in eigenständigen Teams arbeiten: Die letzte Entscheidung über beide Bereiche trifft am Ende der EZB-Rat. Ist er mit den Vorschlägen der Bankenaufseher nicht einverstanden, wird eine neu geschaffene Schlichtungsstelle aktiv. Doch das ist nur Kosmetik, ihre Empfehlungen sind nicht bindend. Das letzte Wort behält der Rat.
Die Erfahrung in der Vergangenheit zeigt: Im Zweifel knickt die EZB ein
Die Zentralbanker dürften daher künftig noch stärker als bisher hin- und hergerissen sein. Zwischen ihren Aufgaben als Geldwächter und den Wünschen der Politik. Dass sie im Zweifel einknicken, zeigt die Erfahrung in der Vergangenheit. Weil es den Regierungen nicht gelang, das Wachstum im Süden Europas zu stärken, hat die EZB zuletzt immer wieder die Leitzinsen gesenkt – in der Hoffnung, so die Kreditvergabe anzukurbeln.
Weil das wenig brachte, dachte sie sich Neues aus: erst einen Strafzins für Banken, dann ein Ankaufprogramm für verbriefte Kredite. Ihre Unabhängigkeit – das höchste Gut einer Zentralbank – hat die EZB damit scheibchenweise abgegeben. Jetzt droht sie, diese endgültig zu verlieren.
Dabei ließe sich der neue Interessenkonflikt der Zentralbanker leicht lösen, indem man die Bankenaufsicht in einer von der EZB unabhängigen Institution unterbringt. Dass man das nicht von vornherein getan hat, liegt an der Angst der Politiker, die EU-Verträge ändern zu müssen. Doch auch wenn das ein langwieriger und schwieriger Prozess ist: sich davor zu drücken, wäre falsch. Die Politiker müssen sich an ihren guten Vorsatz erinnern. Keine faulen Kompromisse mehr.