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Wirtschaftsverbände warnen vor einer Vermögensteuer, aber es gibt auch Reiche, die dafür sind.
© IMAGO / Steinach

Debatte über Reichensteuer: „Die Vermögenden in Deutschland hassen nichts so sehr wie Steuern zu zahlen“

Die einen wollen große Vermögen höher besteuern, die anderen warnen vor den Folgen. Was sagt einer, der selbst viel hat – aber doch mehr abgeben will?

Wenige Themen eignen sich besser für den Lagerwahlkampf als höhere Steuern auf Vermögen. Auf der einen Seite stehen Union, FDP und AfD, die diese kategorisch ablehnen, unter anderem weil sie Familienunternehmen schaden soll. Auf der anderen SPD, Grüne und Linke, die Wohlhabende gern stärker zur Kasse bitten wollen – der Gerechtigkeit wegen. Unterstützung bekommt dieses Lager seit Kurzem aus unerwarteter Richtung: In der Initiative „taxmenow“ haben sich 36 Millionär:innen aus Deutschland und Österreich zusammengeschlossen, die höhere Abgaben auf Millionen- und Milliardenvermögen fordern.

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Reiche für die Reichensteuer – dass das überrascht, kann Antonis Schwarz verstehen, der die Gruppe mitgegründet hat. „Die Leute teilen nicht so gerne, vor allem nicht mit dem Staat“, sagt der 33-Jährige über Vermögende. Schwarz ist ein Spross der gleichnamigen Pharma-Dynastie, deren Medikamentenkonzern 2006 für 4,4 Milliarden Euro verkauft wurde. Mit 18 Jahren erbte er daraufhin eine Millionensumme. Plötzlich so viel Geld zu besitzen, habe ihm Gewissensbisse gemacht, sagt Schwarz. Also gründete er ein Politik-Startup und eine Stiftung, 30 Prozent seines Millionenvermögens sind nach eigenen Angaben in sogenanntem Impact Investing mit sozialem Anspruch angelegt. „Aber ich habe gemerkt, wie wenig Steuern ich zahle, obwohl ich sehr hohe Erträge erwirtschafte und dafür fast keinen Finger rühre.“ Deswegen fordert er heute: Steuern rauf, Schlupflöcher schließen. „Wer sich Steuern am besten leisten kann, soll auch am meisten beitragen.“

Alte Regelung für verfassungswidrig erklärt

Die Vermögensteuer wird in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben. Der Steuersatz betrug bis dahin ein Prozent für natürliche Personen und 0,6 Prozent für juristische, die Einnahmen standen laut Grundgesetz den Ländern zu. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die damalige Regelung jedoch für verfassungswidrig, unter anderem weil Immobilien gegenüber anderem Vermögen bessergestellt waren. Helmut Kohls schwarz-gelbe Bundesregierung wollte die Steuer ohnehin abschaffen und verhinderte eine Neuregelung. Das Vermögensteuergesetz gilt jedoch bis heute.

Nun wollen Sozialdemokraten, Grüne und Linke die Steuer wieder in Kraft setzen. Während die SPD in ihrem Programm zur Bundestagswahl nicht präziser wird, als „einen maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen“ zu fordern, schweben den Grünen ein Prozent Steuer ab einem Vermögen von zwei Millionen Euro vor. Das Geld soll über die Länder in Bildung fließen. Die Linken wollen hingegen eine progressive Vermögensbesteuerung, von einem Prozent bei einer Million auf dem Konto bis zum Höchstsatz von fünf Prozent ab 50 Millionen Euro. Außerdem sollen zur Bewältigung der Coronakrise alle mit mehr als zwei Millionen Euro eine Vermögensabgabe zahlen. Alle drei Parteien wollen dabei Ausnahmen für Betriebsvermögen machen.

Wirtschaft warnt vor Abwanderung von Unternehmen

Denn Wirtschaftsverbände laufen Sturm. „Das potenziell versteuerbare Vermögen ist in Betriebsvermögen gebunden und nicht frei als liquide Mittel, aus denen eine Steuer gezahlt werden könnte“, warnte zuletzt etwa Stefan Schröter, Landesvorsitzender von „Die Familienunternehmer“ in Berlin. Die Vermögensteuer sei deswegen eine „Mittelstandsbremse“, die Betrieben die Substanz entziehe. Auch die Stiftung Familienunternehmen warnte kürzlich unter Berufung auf das Institut der deutschen Wirtschaft: „Große Vermögen sind stärker betrieblich gebunden als dies amtliche Statistiken und Erhebungen ausweisen.“

Antonis Schwarz (33) erbte schon mit 18 einen Millionenbetrag - heute würde er gern höher besteuert.
Antonis Schwarz (33) erbte schon mit 18 einen Millionenbetrag - heute würde er gern höher besteuert.
© Nils Schwarz

Und der Startup-Verband lancierte eine Umfrage unter Gründer:innen, laut der 86 Prozent weniger Neugründungen befürchten, sollte eine Vermögensteuer eingeführt werden, und jeweils über die Hälfte angibt, sich eine solche Abgabe in Höhe von einem Prozent nicht leisten zu können beziehungsweise gegebenenfalls vor ihr ins Ausland zu flüchten. Dass eine Vermögensteuer zur Abwanderung von Unternehmen führe, ist eine ebenso oft geäußerte Befürchtung wie die, dass die Einnahmen aus ihr den bürokratischen Mehraufwand nicht aufwiegen könnten.

„Bloß nicht den Staat ans Geld kommen lassen!“

Dass eine Vermögenssteuer kleine und mittelständische Betriebe in Schieflage bringe, werde „als Abwehrargument missbraucht“, sagt Antonis Schwarz. Ihm gehe es weniger um diese als um die Top 200 der Vermögen in Deutschland. „Um Leute wie die Familie Quandt-Klatten, die im letzten Jahr mehr als 700 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet bekommen hat.“ Deren Problem sei nicht, dass sie sich eine Vermögenssteuer nicht leisten könnten. „Die Hochvermögenden in Deutschland hassen nichts so sehr wie Steuern zu zahlen“, sagt Schwarz. Sie hätten die Einstellung: „Bloß nicht den Staat ans Geld kommen lassen, der ist vollkommen unfähig. Es ist besser man spendet oder schafft Arbeitsplätze mit Investitionen.“ Dabei liege sehr viel Vermögen etwa in Immobilien, Aktien oder Gold. „Das schafft nicht unbedingt viele Arbeitsplätze.“

Für ihn sei die Frage nach der Vermögensteuer nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische, sagt Schwarz. „Es geht darum, dass wir unsere Demokratie zurückerobern, weil sie von bestimmten Interessensgruppen – großen multinationalen Konzernen und Vermögenden – unterwandert wurde“, so der 33-Jährige. „Sonst steuern wir auf eine neo-feudale Gesellschaft zu.“

Grünen-Großspender nicht mit Vermögensteuer-Konzept einverstanden

Schwarz ist Grünen-Mitglied. Im Februar machte er der Partei mit 500.000 Euro die zweitgrößte Einzelspende in ihrer Geschichte. Was nicht heißt, dass er mit dem Grünen-Konzept zur Vermögensteuer einverstanden wäre: „Zwei Millionen sind fast ein bisschen zu niedrig“, sagt Schwarz mit Blick auf den Freibetrag, der seiner Partei vorschwebt. „Da könnten Leute Angst haben, weil sie in einem Haus leben, das so viel kostet, und sie nicht wissen, wo sie die einprozentige Vermögenssteuer herkriegen sollen.“ Er schlägt stattdessen vor, sich auf Vermögen ab 30 Millionen Euro konzentrieren und den Steuersatz ab 100 oder 500 Millionen schrittweise ansteigen lassen. Ein Prozent könnte „nur der Anfang sein“.

Wie die Grünen findet er eine Zweckbindung der Steuer sinnvoll, jedoch nicht für Bildung, sondern in Form eines Staatsfonds, der das Geld anlegt und allen Bürger:innen zum 18. Geburtstag eine bestimmte Summe auszahlt. Auch eine einmalige Corona-Vermögensabgabe, wie die Linke sie fordert, kann Schwarz sich vorstellen. Ebenso ein Vermögensregister, „damit Vermögensgegenstände nicht mehr in irgendwelchen Offshore-Konstrukten versteckt werden können“.

Dass der Lagerwahlkampf um solche Ideen noch kommt, glaubt aber auch Schwarz nicht. „Es ist eher ein Randthema, das noch nicht bei den Kandidatinnen und Kandidaten angekommen ist. Ich mache mir keine großen Hoffnungen.“ Mit Union und FDP, von denen sehr wahrscheinlich mindestens einer mitregieren werde, „wird eine höhere Besteuerung nicht passieren“. Alle Parteien seien in ihren Aussagen zur Vermögensbesteuerung erstaunlich oberflächlich, sagt Schwarz. „Es ist interessant, wie unkonkret man bei einem so wichtigen Thema sein kann.“

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