Rheinmetall-Chef Armin Papperger: "Die türkische Regierung möchte, dass wir in der Türkei produzieren"
Rheinmetall-Chef Armin Papperger spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Zukunft der Verteidigungsbranche, das Automobilgeschäft und die geplante Panzerfabrik in der Türkei.
Herr Papperger, Donald Trump treibt die Rüstungsausgaben in die Höhe, in den USA und in der Nato. Wie dankbar sind Sie ihm?
Trump hat die Dinge auf den Punkt gebracht. Aber die Diskussion, dass wir mehr für die Rüstung ausgeben müssen, hat schon früher angefangen. Der Wendepunkt war die Annektion der Krim durch Russland.
Haben Rüstungsgeschäfte nach dem Krim-Konflikt die Aura des Bösen verloren?
Es hat ein Umdenken stattgefunden. Die Menschen haben sich von der Illusion verabschiedet, dass wir im Westen für alle Zeiten Frieden haben werden. Jetzt ist klar, dass wir mehr für die innere und die äußere Sicherheit tun müssen.
Heißt äußere Sicherheit die Rückkehr zur Landesverteidigung?
Ja. Die Landesverteidigung war in den letzten 20 Jahren aus dem Fokus gerutscht, heute steht sie wieder im Mittelpunkt der Sicherheitspolitik.
Das hilft Ihnen. Rheinmetall stellt ja unter anderem Kanonen und Panzer her.
Man braucht eine vernünftige langfristige Ausrichtung und dazu gehört auch klassisches Gerät. Aber auch Cyber-Security wird immer wichtiger. Man muss strategisch breit denken, und das geschieht auch – auch in Deutschland.
Im Vergleich zu den großen US-Rüstungskonzern sind Sie klein. Wie können Sie da mithalten?
Na ja. Wir sind in Europa umsatzmäßig einer der Großen und technologisch einer der ganz Großen. An die US-Unternehmen kommen wir aber trotzdem nicht heran, das stimmt. Die USA geben 550 bis 650 Milliarden Dollar im Jahr für Sicherheit aus. In Deutschland sind es gerade einmal 34 Milliarden Euro.
Muss die Bundeswehr auch mehr ausgeben?
Ja. Die Bundeswehr ist unser größter Kunde. Ein nationaler Anbieter wie wir braucht eine nationale Beschaffung. Wenn die steigt, und das passiert ja gerade, ist das für uns gut. Im Sicherheitsgeschäft denkt man langfristig. Wenn Sie heute einen neuen Panzer bestellen, bekommen sie ihn unter Umständen erst in zehn Jahren. Zudem muss man Schlüsseltechnologien definieren. Da geht es um die Technologien, die wir nicht aus der Hand geben dürfen. Frau von der Leyen war die erste, die das getan hat.
Was sind die deutschen Schlüsseltechnologien?
Landfahrzeuge, U-Boote, Schutztechnologie, Sensortechnik, Cybertechniken. Schlüsseltechnologie heißt, dass die Bundesregierung und die Industrie so viel ausgeben, dass wir in diesen Bereichen in der Spitze mithalten können.
Sie kooperieren mit Raytheon, einem der großen US-Konzerne. Nehmen die Sie überhaupt ernst?
Raytheon macht 24 Milliarden Dollar Umsatz, und wir bringen es als Gruppe auf gut sieben Milliarden. Da müssen wir uns nicht verstecken. Wir wollen mit den Amerikanern bei Luftabwehrsystemen kooperieren. Raytheon ist gut bei weitreichender Flugabwehr, Rheinmetall ist mit Nahbereichssystemen führend bei Distanzen bis zu fünf Kilometern. Für solche Kurzstrecken haben wir unsere Kanonen und Missiles, da braucht man keine Patriots. Warum sollten wir beide Systeme nicht verbinden und so eine transatlantische Achse bilden? Wir haben da auch für Deutschland gute Angebote.
Deutschland soll aber Meads bekommen, keine Patriots.
Ich glaube, zusammen mit unserem Nah- und Nächstbereichssystem bekommen wir eine günstigere Lösung hin. Wir führen derzeit zusammen mit Raytheon Gespräche mit dem Ministerium.
Ist Ihr Geschäft leichter geworden?
Ja. In den letzten 15 Jahren ist das Verteidigungsbudget stets gesunken, jetzt steigt es wieder. Das erleichtert die Forschung und die Produktion.
Wann gibt es den ersten autonom fahrenden Panzer?
Den haben wir schon 1996 entwickelt. Und wir haben jetzt ein Fahrzeug, das 1,5 Tonnen tragen, autonom fahren und Ihnen sogar wie ein Hund folgen kann. Man identifiziert sich über Fingerabdruck, Iris- oder Gesichtserkennung, und dann folgt Ihnen das Gerät oder fährt woanders hin, je nach Ihrer Programmierung.
Dann hätten Sie also schon 1996 das erste autonome Auto bauen können?
Ja, aber das hätte niemand bezahlen können. Die Kamera allein hätte damals so viel gekostet wie das ganze Auto. Aber ganz ehrlich: Wir haben 1996 auch noch nicht erkannt, was das für ein Riesengeschäft werden könnte.
Rheinmetall ist nicht nur Rüstungskonzern, sondern auch Automobilzulieferer. Ist die Elektromobilität die Zukunft des Autos?
Ich glaube, in zehn Jahren werden noch genauso viele Autos mit Verbrennungsmotoren hergestellt wie heute, weil die Automobilproduktion insgesamt zunimmt.
Auch Diesel?
Ja, aber wohl vor allem große Hubräume. Der Diesel wird dann übrigens dank besserer Rußfilter sauberer sein als der Otto-Motor. Die Autoproduktion wird weltweit jedes Jahr um zwei bis drei Prozent wachsen. Das liegt vor allem an China und Indien. In den USA kommen auf 1000 Einwohner rund 800 Pkw. In China sind es 65, in Indien 30. In diesen Ländern beginnt die Mobilitätentwicklung jetzt erst richtig. Die Elektromobilität wird kommen, aber in großem Stil wahrscheinlich als erstes in den chinesischen Städten. Schanghai und Peking könnten die ersten Städte sein, in denen aus Gründen des Umweltschutzes keine Verbrennungsmotoren mehr fahren dürfen. Experten schätzen, dass 2025 höchstens zehn Prozent der Autos weltweit E-Autos sein werden, 90 Prozent sind Verbrenner oder Hybride. Ich sehe das gelassen. Wir sind mit unseren Produkten bei beiden Technologien dabei.
Sie bieten für den Diesel Systeme an, die das Stickstoff- und das Co2-Problem lösen. Warum bauen die Autohersteller die nicht ein?
Das haben sie schon getan, aber schwerpunktmäßig in größeren, teuren Modelle. Bei den kleinen nicht immer. Das ist eine Frage der Kalkulation. Die Abgasreinigung kostet 200 Euro, bei einem Kleinwagen fällt das schon ins Gewicht. Aber nach den ganzen Skandalen wird ein Umdenken einsetzen. Für uns ist die Entwicklung von Vorteil. Europa ist Vorreiter bei der Begrenzung von Kohlendioxid durch Autoabgase, aber China wird auch strenger. Ohne Hochtechnologie geht das nicht.
Ist der Autobereich vielversprechender als der Rüstungsbereich?
Beide Bereiche wachsen, im Moment legen wir im Sicherheitsbereich mehr zu. Das liegt an der aktuellen Sicherheitslage. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft und ich kann mich nicht an eine solche Nachfrage erinnern.
Wo verdienen Sie mehr?
Im Autobereich. Wir haben extrem viel Geld für Innovationen und einen dreistelligen Millionenbetrag für Restrukturierungen investiert, das muss sich erst einmal auszahlen.
Sie wollen eine Rüstungsfabrik in der Türkei bauen. Warum?
Wir machen seit zehn Jahren Geschäfte mit der Türkei. Natürlich gibt es da angesichts der politischen Spannungen jetzt Diskussionsbedarf. Aber die Türkei ist Nato-Partner. Und 7000 deutsche Unternehmen haben Geschäftsaktivitäten in der Türkei, das setzt man doch nicht ohne weiteres aufs Spiel. Unternehmer sind keine Politiker. Die türkische Regierung möchte, dass wir nicht nur in die Türkei liefern, sondern auch etwas in der Türkei produzieren.
Was denn?
Wir haben vor über zwei Jahren mit der Planung begonnen, wir produzieren dort aber noch nichts. Es geht um zwei Bereiche, Fahrzeugsysteme und Munition.
Wie kommt das im Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium an, auf deren Wohlwollen Sie ja angewiesen sind?
Wenn wir deutsche Technologie in die Türkei liefern wollen, muss die Bundesregierung zustimmen. Wenn wir in der Türkei deutsche Technologie bauen, muss Deutschland auch das genehmigen. Aber wenn wir mit Partnern in der Türkei einen türkischen Panzer entwickeln und bauen, dann ist die Bundesregierung daran nicht beteiligt.
Und was sagt die Bundesregierung?
Die Türkei hat Leopard-Panzer bekommen, die zur Zeit unter Beschuss genommen werden. Wir diskutieren derzeit mit der Bundesregierung darüber, ob wir diese Panzer mit Schutzsystemen ausrüsten dürfen. Ich habe noch keine Antwort. Aber eines ist klar. Wenn es um deutsche Technologie geht, wird nur das gemacht, was die Bundesregierung sagt.