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Sinkt und sinkt: Der Euro in den vergangenen sechs Monaten.
© Tsp/Pieper-Meyer

Euro: Die Schwäche, die stark macht

Der Euro wird 2017 nur noch 95 US-Cent kosten, sagt die Deutsche Bank voraus. Die Gemeinschaftswährung sinkt und sinkt. Diese Entwicklung hat für Deutschland positive und negative Seiten.

Eine schwache Konjunktur, extrem niedrige Zinsen, zu wenig Investitionen, abfließendes Kapital – die Rahmenbedingungen in Europa sprechen derzeit gegen die Gemeinschaftswährung. Das macht die Pessimisten mutig: Der Euro werde im Verhältnis zum Dollar weiter abrutschen, glaubt die Deutsche Bank, einer der größten Devisenhändler. Bis 2017 sei ein Euro-Kurs von nur noch 95 Cent möglich, glaubt das Geldhaus – aktuell kostet ein Euro gut 1,27 Dollar. Auch Barclays sagt auf Sicht eines Jahres einen Euro von 1,10 Dollar voraus, Goldman Sachs sieht den Euro 2017 bei einem Dollar stehen.

Über die Plausibilität solcher Langfristprognosen von Bankern lässt sich streiten. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro – der in den vergangenen Tagen etwas zulegen konnte – sobald keinen nachhaltigen Aufschwung erleben wird, ist durchaus groß. Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen die europäische und die amerikanische Wirtschaft wachsen. In den USA wird das Plus 2014 bei etwa zwei Prozent liegen, in der Eurozone allenfalls bei 0,9 Prozent. Während die US-Notenbank deshalb die geldpolitischen Zügel allmählich wieder leicht anzieht, wird die Europäische Zentralbank (EZB) auf absehbare Zeit den Leitzins nicht erhöhen. Sie pumpt sogar noch mehr Geld in den Bankenmarkt, um die Institute vor allem in den Krisenländern wieder zur Vergabe von mehr Krediten an Unternehmen und Verbraucher zu bewegen und damit die Konjunktur anzukurbeln. Für Verbraucher und Anleger in Deutschland heißt das: Kredite und Baugeld bleiben günstig, die Zinsen aufs Sparbuch und aufs Tagesgeld dagegen dürftig. Internationale Anleger schichten ihr Geld um, weil zum Beispiel zehnjährige US-Staatsanleihen aktuell mit knapp 2,60 Prozent rentieren – zehnjährige Bundesanleihen dagegen bringen nur rund ein Prozent. Anlagegeld fließt deshalb verstärkt in den Dollarraum. Das alles schwächt den Euro.

Der schwache Euro hilft manchen deutschen Exporteuren, aber bei weitem nicht allen

Das hat für einige deutsche Unternehmen, die hierzulande produzieren, durchaus Vorteile. Der schwache Eurokurs „könnte dem Export der deutschen Wirtschaft durchaus guttun“, sagte am Donnerstag Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Unternehmen, die viel im Dollarraum verkaufen – Maschinen- und Anlagenbauer, Autohersteller – können ihre Produkte dort billiger anbieten. Ein Wettbewerbsvorteil, den deutsche Exporteure auch in schnell wachsenden Schwellenländern wie Brasilien, Indien oder auch in China nutzen können, in denen Geschäfte in Dollar abgerechnet werden. Allerdings hilft dies nur einem Fünftel der deutschen Wirtschaft. Der Rest exportiert überwiegend in den Euro-Raum. Außerdem sind auch die Wachstumsaussichten etwa in China nicht mehr so glänzend. Die Ukraine- Krise wiederum hat das Russland-Geschäft einbrechen lassen.

Für deutsche Unternehmen, die auf Importe und in Dollar notierte Rohstoffe – vor allem Öl – angewiesen sind, bedeutet ein schwacher Euro höhere Kosten. Derzeit aber ist der Effekt kaum spürbar, weil Öl auf dem Weltmarkt so günstig ist wie lange nicht. Das Barrel, also 159 Liter, kostete zuletzt weniger als 100 Dollar. Mitte 2013 waren es noch mehr als 115 Dollar. Deshalb spüren auch die Verbraucher an der Tankstelle wenig von Wechselkursveränderungen und Preissteigerungen.

Importierte Inflation käme der EZB nicht ungelegen

Der EZB und ihrem Präsidenten Mario Draghi käme ein wenig importierte Inflation nicht ungelegen – zumal die Notenbank offiziell keine Wechselkurspolitik betreiben darf. Die Teuerungsrate lag in der Eurozone zuletzt bei nur noch 0,3 Prozent, war also weit entfernt vom Richtwert 2,0 Prozent. Um die Deflationsgefahren einzudämmen, hatte Draghi Anfang September überraschend den Leitzins auf nur noch 0,05 Prozent gesenkt und ein Kaufprogramm für Anleihen angekündigt. All dies drückte den Euro unter die Marke von 1,26 Dollar.

Mit den Maßnahmen gebe die EZB „ein wichtiges Signal an die Devisenmärkte“, glauben die Volkswirte der Dekabank. Draghi unterstreiche damit seine wiederholte Aussage: „Der Euro ist unumkehrbar.“ Dies freilich bedeute für den Wechselkurs zum Dollar: „Der Euro bleibt auf der Rutschbahn.“ Einer schwachen Währung stehe in der Weltwirtschaft aber stets eine starke andere Währung gegenüber, gab am Dienstag Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zu bedenken. „China und die USA werden sich das sicher nicht lange ansehen.“

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