Plastikverbrauch in Deutschland: Die Plastiktüte kann einpacken
Rund 300 deutsche Handelsunternehmen nehmen ab dem 1. Juli Geld für umweltschädliche Tragetaschen – und werben mit der neuen Nachhaltigkeit.
Claudia Voigt hat vorgesorgt. Für ihren Großeinkauf hat sie mehrere Jutebeutel mitgenommen. „Seit Rewe keine Plastiktüten mehr im Sortiment hat, musste ich mir ja Gedanken über eine Alternative machen“, sagt die 46-Jährige. Als erster großer deutscher Lebensmittelhändler verzichtet der Kölner Handelsriese Rewe auf umweltschädliche Tragehilfen. Damit will die Handelskette rund 140 Millionen Plastiktüten im Jahr einsparen. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der circa sechs Milliarden Tüten, die jährlich in Deutschland verbraucht werden.
Dennoch geht Rewe mit gutem Beispiel voran: Anfang des Jahres gaben der Handelsverband Deutschland (HDE) und das Bundesumweltministerium bekannt, dass sich mithilfe einer freiwilligen Vereinbarung rund 300 Unternehmen dazu bereit erklärt haben, künftig Geld für die umweltschädlichen Tüten zu verlangen, um den Plastikverbrauch in Deutschland zu senken. Die teilnehmenden Firmen repräsentieren nach eigenen Angaben immerhin 60 Prozent des Tütenvolumens. „Die Produktion von Plastiktüten ist für die Umwelt äußerst schädlich“, sagt Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), „dabei wird CO2 freigesetzt und es werden fossile Rohstoffe verbraucht“. Nicht zuletzt sei auch der Abbau ökologisch problematisch und häufig würde der Plastikabfall im Meer landen.
Seit Beginn des Jahres sind die kleinen Plastiktütchen aus Drogeriemärkten verschwunden
Die Selbstverpflichtung der Unternehmen tritt zum 1. Juli in Kraft und sieht vor, dass „80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel binnen zwei Jahren kostenpflichtig sein sollen“. Beispiele wie Rewe oder auch die Drogeriemärkte dm und Rossmann zeigen jedoch, dass bereits jetzt einige Unternehmen dieses Ziel in die Praxis umsetzen. Seit Beginn des Jahres sind die kleinen Plastiktütchen aus Drogeriemärkten verschwunden. „Wir geben seit April keine kostenlosen Plastiktüten mehr aus", sagt der Vorsitzende der dm-Geschäftsführung, Erich Harsch. Die Kunden hätten diese Entscheidung sehr positiv aufgenommen.
Nach einer dreimonatigen Testphase befragte Rewe seine Kunden zum Wegfall der Plastiktaschen. Danach befürworte und akzeptiere ein Großteil der Verbraucher den Schritt, fast zwei Drittel der befragten Kunden wolle mehrfach verwendbare Tragetaschen oder Einkaufskartons nutzen.
Auch Kai Falk vom HDE bestätigt, die Verbraucher hätten auf die Umsetzung „verständnisvoll reagiert“. Es würde eine „neue Art der Kommunikation entstehen, indem das Thema Plastiktütenvermeidung von den Kunden in den Filialen offen angesprochen wird“. Bereits jetzt berichten die Unternehmen laut HDE von einem zurückgehenden Tütenabsatz.
Dafür habe sich die Nachfrage nach Alternativen erhöht, sagt dm-Geschäftsführer Erich Harsch. Vor allem die Bio-Baumwolltasche sei ein Verkaufsschlager. „Die Taschen können bei Verschmutzung oder bei Nichtgefallen in unseren dm-Märkten zurückgegeben oder gegen ein anderes Modell eingetauscht werden.“ Darüber hinaus seien sie recycelbar, da die zurückgegebenen Taschen zur weiteren Verwertung gesammelt und in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt würden.
Auch Rewe bietet den wöchentlich rund 27 Millionen Kunden nun in all seinen Supermärkten Alternativen aus Baumwolle und Jute, aber auch Permanent-Tragetaschen aus Recyclingmaterial, Kartons und Papiertüten an.
„Die Plastiktragetasche ist zu einem Symbol unserer Konsumgesellschaft geworden“
Schwieriger gestaltet sich die Umgestaltung in der Schuh- und Textilbranche – eine kostenlose Plastiktüte wird meist nach Bekleidungskäufen im Wert von einigen hundert Euro vorausgesetzt. Seit März werden allerdings im Warenhaus Karstadt Plastiktüten nur noch kostenpflichtig herausgegeben, neuerdings gibt es Mehrwegtragetaschen für 1,50 Euro. „Wir machen mit der Einführung einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit“, sagt Karstadt-Vertriebs-Chef Thomas Wanke. „Natürlich bedeutet das neben der logistischen Bewältigung dieser Aufgabe, auch ein Umdenken bei Mitarbeitern und Kunden anzustoßen“, sagt Wanke. Auch Kai Falk vom HDE räumt ein, dass die Umstellung einige Zeit in Anspruch nähme und die Verbraucher mitmachen müssten, um alle EU-Richtlinien künftig einhalten zu können.
Für die Firmen ist das Thema Nachhaltigkeit gelungene PR. „Die Plastiktragetasche ist zu einem Symbol unserer Konsumgesellschaft geworden“, sagt Kai Falk vom HDE, „die Firmen haben deshalb ein großes Interesse daran, das Umdenken in der Gesellschaft mit der Abschaffung dieser Taschen zu unterstützen“. Dennoch: Tragetaschen sind ein perfektes Marketinginstrument für Firmen, weshalb jetzt auf bedruckte, angeblich umweltfreundliche Mehrwegprodukte gesetzt wird.
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe warnt auch vor Alternativprodukten. „Egal, woraus die angebotene Tragetasche besteht, alle haben einen ökologischen Rucksack.“ Statt der scheinbar ökologisch wertvollen Papiertaschen solle man lieber eigene Mehrwegbeutel nutzen. Die HDE-Vereinbarung wird nach Meinung Fischers nicht allein ausreichen. „Noch ist die Selbstverpflichtung löchrig wie ein Schweizer Käse, es gibt zu viele Schlupflöcher für die Firmen“, kritisiert der Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der DUH. So würden die kostenlosen durchsichtigen Plastiktüten, die an Obst- und Gemüsetheken zu haben sind, nicht von dem Plastiktüten-Bann berücksichtigt werden. Es sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, doch weitere Firmen müssten nachziehen.
Was sich sonst noch ändert
RENTEN STEIGEN
Die größte Rentenerhöhung seit 23 Jahren dürfte vielen Älteren den Sommer ein wenig schöner machen. In den alten Bundesländern klettern die Bezüge um 4,25 Prozent, in den neuen Ländern um 5,95 Prozent. Durch den stärkeren Zuwachs in Ostdeutschland schrumpft der Abstand bei den Bezügen.
HÖHERER KINDERZUSCHLAG
Für Familien mit geringem Einkommen soll der maximale Zuschlag für Kinder von 140 auf 160 Euro pro Monat und Kind steigen. Das Geld bekommen Eltern aber nur für Kinder, die auch bei ihnen im Haushalt leben – dafür gilt der Anspruch laut Familienministerium bis zum Alter von 25 Jahren. Der Zuschlag muss schriftlich bei der zuständigen Familienkasse beantragt werden.
ELEKTROSCHROTTRÜCKNAHME
Elektronikhändler mit einer Verkaufsfläche von mindestens 400 Quadratmetern sind verpflichtet, schrottreife Geräte kostenlos entgegenzunehmen. Die Händler hatten neun Monate Zeit, sich umzustellen. Ab 24. Juli müssen sie die Umsetzung des Elektrogesetzes gewährleisten. Bei größeren Geräten sind sie allerdings nur dann zur Annahme verpflichtet, wenn die Kunden ein ähnliches Produkt neu bei ihnen kaufen. (mit AFP)
Lisa Splanemann
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