Plastiktüten: Tragfähige Lösung
Nach langem Hin und Her haben sich Wirtschaft und Politik geeinigt: Kunden sollen für Plastik-Tragetaschen künftig zahlen.
C&A macht es bereits, Hornbach und Tchibo auch, der Lebensmitteleinzelhandel ebenso, etliche Unternehmen sollen folgen: Wer als Kunde an der Kasse künftig eine Plastiktüte verlangt, muss bald in vielen Läden dafür bezahlen. Zwischen fünf und 50 Cent pro Stück werden für die Tragetaschen demnächst fällig, bei größeren und dickeren Tüten ein Euro. Dazu hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Dienstag eine freiwillige Vereinbarung mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) unterzeichnet, die ab 1. Juli 2016 gilt.
Mindestens 80 Prozent der Plastiktüten, die in Umlauf kommen, sollen demnach nur noch gegen Entgelt abgegeben werden. Für die Umsetzung dieses Ziels haben die Unternehmen zwei Jahre Zeit, dann wird das Ergebnis von einer unabhängigen Institution überprüft. Die Vereinbarung folgt einer EU-Richtlinie vom April 2015, die den EU-Mitgliedstaaten eine Reduzierung des Pro-Kopf-Verbrauchs vorschreibt.
Verbraucher in Deutschland benutzen jedes Jahr 6,1 Milliarden Plastiktüten und 3,1 Milliarden Hemdchenbeutel zum Einpacken von Obst und Gemüse. Das entspricht 95 000 Tonnen Kunststoff. Dazu kommen 900 Millionen Papiertragetaschen pro Jahr. Landen Plastiktüten in der Umwelt, verfangen sie sich in Bäumen und Sträuchern oder gelangen in Flüsse und Meere. Für die Umwelt ist das ein Problem, da sich Plastik nur langsam zersetzt. Tiere verwechseln Plastiktüten häufig mit Nahrung und können daran sterben. Da zersetztes Plastik Schadstoffe in hoher Konzentration absorbiert, können diese in die Nahrungskette gelangen.
Die Plastiktüte als Symbol für eine Ex-und-Hopp-Mentalität
Laut EU-Verordnung zur Reduzierung von Plastiktüten müssen die Mitgliedstaaten bis Ende 2019 ihren Pro-Kopf-Verkauf auf jährlich 90 Tüten, bis Ende 2025 auf 40 Tüten pro Kopf senken. Deutschland steht dabei mit seinem aktuellen Pro-Kopf-Verbrauch von 71 Tüten vergleichsweise gut da – auch im EU-Durchschnitt, der laut Hendricks derzeit bei 190 Tüten liegt. Dennoch sei die Vereinbarung nötig und richtig, sagte die Ministerin am Dienstag. „Die Bedeutung der Plastiktüte ist nicht zu verachten. Sie steht für eine Ex-und-Hopp-Mentalität beim Einkaufen - auch in Deutschland.“
Deswegen gehe die nun unterzeichnete Vereinbarung auch über die EU-Vorgabe hinaus. Denn diese gilt nur für dünne Tüten, während die freiwillige Übereinkunft mit dem HDE auch Tüten mit einer Stärke von mehr als 50 Mikrometer mit ein. Auch HDE-Präsident Josef Sanktjohanser betonte die Wichtigkeit der Vereinbarung: „Ohne Zweifel haben wir einen Nerv der Gesellschaft getroffen“, sagte er. Es sei positiv, dass das Vorhaben ohne Gesetz und damit ohne bürokratischen Kontroll- und Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten auskomme.
Unterschiedlich strikte Umsetzung bei den EU-Ländern
Kritikern der Vereinbarung wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht diese dagegen nicht weit genug. Ministerin Hendricks sei einmal mehr vor den Handelskonzernen eingeknickt, heißt es in einer Stellungnahme. In anderen europäischen Ländern gibt es deutlich strengere Maßnahmen. Italien beispielsweise hat bereits 2011 Plastiktüten völlig verboten und seit 2014 mit Geldstrafen bis zu 25 000 Euro belegt. Auch Frankfreich plant ein Komplettverbot von Einwegtüten. England erhebt eine gesetzliche Gebühr von sieben Cent pro Tüte, Irland sogar 22 Cent. Seit der Einführung 2007 konnte der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch auf der Insel von 328 auf 16 Stück gesenkt werden.
Ohne Gesetz fehle es laut DUH an Sanktionsmöglichkeiten, und der gewünschte Effekt bleibe aus. Händler würden das Entgelt zum Teil so niedrig ansetzen, dass sich das Verhalten der Kunden dadurch nicht ändern werde. Deutsche Einzelhändler aus der Textilbranche berichten allerdings von positiven Erfahrungen. So hatte etwa das Familienunternehmen Lengermann und Trieschmann seine Kunden mit einer Informationskampagne über das Tütenentgelt aufgeklärt und verzeichnete laut Geschäftsführer Mark Rauschen im Laufe eines Jahres einen Rückgang des Konsums um 75 Prozent. Auch Andreas Bartmann von Globetrotter berichtet von positiven Rückmeldungen der Kunden.
Insgesamt beteiligen sich derzeit 260 Unternehmen an der freiwilligen Vereinbarung. Was die Firmen mit den Einnahmen aus dem Tütenentgelt machen, bleibt ihnen überlassen. Viele Unternehmen wollen ihre Einnahmen laut Ministerin Hendricks an Projekte von Umweltschutzverbänden spenden.
Lara Keilbart