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Das Atomkraftwerk Gundremmingen.
© Stefan Puchner/dpa
Exklusiv

AKW-Betreiber gegen längere Laufzeiten: „Die Nutzung der Kernenergie hat sich erledigt“

Die Forderung aus Union und Wirtschaft nach längeren Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke stoßen bei Eon, RWE und EnBW auf einmütige Ablehnung.

Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber haben der Forderung nach einer Laufzeitverlängerung für ihre noch in Betrieb befindlichen Akw eine klare Absage erteilt. Übereinstimmend lehnen die drei Betreiber Eon, RWE und EnBW in Stellungnahmen auf Anfrage von Tagesspiegel Background den Vorschlag ab, aus Klimaschutzgründen und wegen des Kohleausstiegs die Laufzeiten über 2022 hinaus zu verlängern. Sie sind nicht einmal bereit, sich auf eine Diskussion darüber einzulassen.

Die Abschaltung der sicheren deutschen AKW ohne Abschaltung der teilweise deutlich weniger sicheren AKW in unseren Nachbarländern ist vollkommen unvernünftig. Das einzige Ergebnis dieser Politik sind die höchsten Energiepreise in Europa für die privaten deutschen Verbraucher.

schreibt NutzerIn ru2000

EnBW, die noch je einen Reaktor in Philippsburg und Neckarwestheim betreibt, antwortete auf die Frage, ob es eine Laufzeitverlängerung mit Wohlwollen betrachten würde, der Konzern habe „eine klare Haltung“. Der Ausstieg aus der Kernenergie sei im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt. „Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.“

EnBW, so eine Sprecherin weiter, habe damals eine langfristige Strategie für den Rückbau ausgearbeitet, die seither umgesetzt werde. „So stecken wir heute mitten im Rückbau von drei unserer fünf Anlagen. Und für die beiden Anlagen, die noch Strom produzieren, haben wir planerisch und genehmigungsrechtlich die Weichen für einen zügigen Rückbau direkt nach ihrer Abschaltung gestellt.“

Für RWE ist eine Laufzeitverlängerung ebenfalls „kein Thema“. Eine Sprecherin sagte weiter: „Diese Diskussion führen wir bei uns im Unternehmen gar nicht mehr. Das Kapitel ist abgeschlossen.“ Ein Eon-Sprecher teilte auf Anfrage mit: „Es gibt in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens zum Ausstieg aus der Kernenergie, an dem wir nicht rütteln sollten. Wir sollten uns nun im Sinne des Klimaschutzes darauf konzentrieren, die Energiewende konsequent und in allen Bereichen erfolgreich umzusetzen."

Bemerkenswert ist diese einmütige Haltung auch, weil Laufzeitverlängerungen rein ökonomisch betrachtet wohl hochattraktiv wären. Das ertragreichste deutsche Kernkraftwerk Isar 2 (in Eigentum der Eon-Tochter Preußen Elektra und zu 25 Prozent der Stadtwerke München) zum Beispiel erzeugt rund elf Milliarden Kilowattstunden Strom jährlich.

Die großen Konzerne haben sich strategisch längst anders organisiert

Bei einem Strompreis von derzeit knapp fünf Cent pro Kilowattstunde, dem derzeitigen Großhandelsniveau, wären jährliche Erlöse allein durch dieses Kraftwerk von etwa 500 Millionen Euro zu erwarten – bei deutlich geringeren unternehmerischen Kosten. Durch die Verknappung des Angebots auf dem Strommarkt aufgrund des Kohleausstiegs könnte die Profitabilität in Zukunft noch ansteigen.

Gesellschaftlich und damit letztlich auch langfristig unternehmerisch, darüber gibt es in den Konzernen eine klare Einschätzung, wäre die Aufkündigung des Ausstiegskonsenses ein hochriskantes, konfrontatives Spiel mit unsicherem Ausgang. Längst haben sie sich zudem strategisch neu orientiert.

Am Dienstag hatte eine konservative Gruppierung von CDU und CSU, die WerteUnion, Laufzeitverlängerungen gefordert. Dadurch könne der Kohleausstieg vorgezogen werden, hieß es in einer Mitteilung. Es sei höchste Zeit, den Fehler des übereilten Atomausstiegs von 2011 zu korrigieren und „die Laufzeit der sichersten Akw der Welt zu verlängern“, so der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch. Die WerteUnion ist wie auch der Gegenpol Union der Mitte keine offiziell anerkannte Parteigruppe – beide gelten als Splittergruppen ohne belastbare Machtbasis.

Die Debatte um Laufzeitverlängerungen war zuletzt allerdings auch in der Wirtschaft aufgeflammt. Hochrangige Vertreter wie Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle und jüngst im Tagesspiegel-Background-Interview VW-Vorstandschef Herbert Diess hatten den Atomausstieg infrage gestellt. Diess sagte, „wenn uns der Klimaschutz wichtig ist, sollten die Kernkraftwerke länger laufen“.

[Dieser Artikel stammt vom Tagesspiegel Background. Das Team veröffentlicht täglich Newsletter mit höchster Relevanz für Top-Entscheider, Kommunikationsprofis und Fachexperten. Hier können Sie die Newsletter vom Tagesspiegel Background abonnieren.]

Mit der deutlichen Absage der Betreiber, die keinerlei Interesse an einer derartigen Debatte erkennen lassen, wird der Vorstoß augenscheinlich vollständig ins Leere laufen. Ohnehin ist aber auch keine politische Mehrheit auch nur ansatzweise in Reichweite. In der Union wird die Debatte um Klimaschutz und Versorgungssicherheit zwar oft mit dem Hinweis geführt, Deutschland habe es sich besonders schwer gemacht mit dem Ausstieg aus der Kernkraft – am Atomkonsens wird aber nicht offen gerüttelt, weil die erheblichen Widerstände, die dadurch gesellschaftlich mobilisiert würden, bekannt sind.

Außerdem lehnt der Koalitionspartner SPD Laufzeitverlängerungen kategorisch ab. SPD-Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth hatte nach dem Diess-Vorstoß beispielsweise getwittert: „Warum VW-Chef Diess sich zu rückschrittlicher Energieversorgung mit Atomstrom bekennt, statt sich auf eine fortschrittliche Verkehrspolitik und saubere, klimafreundliche Autos für alle Geldbeutel zu konzentrieren, bleibt sein Geheimnis.“ Timon Gremmels, SPD-Energieexperte im Bundestag, schrieb: „Ich fordere die Union auf, vertragstreu zu bleiben.“ Der Parteivorsitz der CDU müsse sich klar von dem Vorstoß der WerteUnion distanzieren.

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