zum Hauptinhalt
Selbst die Landesregierung denkt inzwischen über eine Zeit nach dem Braunkohleabbau nach.
© Patrick Pleul/dpa

Vattenfalls Verkauf und die Folgen: Die Lausitz muss umdenken

Lange stemmte sich die Region gegen den Strukturwandel, jetzt ist ein Stimmungsumschwung zu beobachten. Die Suche nach Alternativen zur Kohle hat begonnen.

Es geht nicht nur um 8000 Menschen, die direkt in der Lausitzer Kohle einen Job haben. Die Erleichterung in Brandenburgs Landesregierung und in der Wirtschaft war groß, als Vattenfall am Montag den Verkauf an das tschechische Unternehmen EPH verkündete. „Die monatelange Unsicherheit für die Braunkohlekumpel, ihre Familien und eine ganze Region hat damit ein Ende“, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Es ist eine gute Nachricht für die Lausitz, weil vom Bergbau auch viele Dienstleister und Zulieferer abhängen.“

Tatsächlich ist die Wirtschaft in der Lausitz stark auf die Kohle ausgerichtet, trotz Leuchttürmen wie BASF in Schwarzheide. Wie die jüngste Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHK) Cottbus und Dresden vom Herbst 2015 ergab, ist die Hälfte der Unternehmen in der Lausitz direkt oder indirekt von der Kohle abhängig. Die Energiebranche bringt ein Viertel der Bruttowertschöpfung der Lausitzer Wirtschaft.

Kritik an verschlepptem Strukturwandel

Für 88 Prozent der befragten Unternehmen sind Braunkohle und generell der Energiesektor ein sehr wichtiger und wichtiger Wirtschaftsfaktor – als Auftraggeber und für die Sicherung von Arbeitsplätzen. Für Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus, belegen die Zahlen, wie tiefgreifend der zu erwartende Strukturwandel sei

Doch obwohl Vattenfalls Braunkohlesparte durch die Energiewende und wegen des hohen klimaschädlichen CO2-Ausstoßes seit Jahren unter Druck steht, hatten es die Landesregierung, aber auch führende Köpfe in der Lausitz lange mit aller Kraft abgelehnt, überhaupt über eine Zeit nach der Kohle nachzudenken.

Es gab neben Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nur wenige Mahner auch aus der Wirtschaft, wie etwa IHK-Geschäftsführer Krüger. Er hatte der Landesregierung immer wieder vorgehalten, sie habe den „Diskurs über die Zukunft der Lausitz ohne Braunkohle nie richtig eröffnet“. Zwar werde die Kohleenergie als Brückentechnologie für die Energiewende bezeichnet, aber keiner habe über die Länge dieser Brücke gesprochen.

Tourismus ist keine Alternative

Inzwischen ist in der Lausitz ein grundsätzlicher Stimmungsumschwung zu beobachten. Selbst im Revier wird akzeptiert, dass das Zeitalter der Kohle in absehbarer Zeit vorbei sein dürfte. Ein Beispiel ist die Innovationsregion Lausitz (IRL) GmbH, gegründet im Januar von Kammern, Wirtschaftsverbänden und der BTU Cottbus-Senftenberg, auch Brandenburgs Wirtschaftsministerium ist in der Gesellschafterversammlung vertreten.

Das Unternehmen soll die Lausitz auf die Zeit nach der Kohle vorbereiten und neue Potenziale für die regionale Wirtschaft erschließen. Geschäftsführer ist Hans Rüdiger Lange, der einst Chef des Bereichs Energiewirtschaft bei Vattenfalls Kohlekraftwerken war. Bei der Vorstellung des Programms der IRL sagte er: Man müsse sich ehrlich machen. Der Kohleausstieg und der Strukturwandel seien bereits in vollem Gange. Nun gehe es darum, industrielle Alternativen zu entdecken. Allein der Tourismus sei keine Alternative, sondern nur eine gute Ergänzung, heißt es bei der IHK.

Sogar Ministerpräsident Woidke denkt seit Jahresbeginn offiziell über eine Lausitz ohne Kohle nach. „Unser klares Ziel ist, dass die Lausitz auch nach dem Strukturwandel Industrieregion bleibt“, sagte Woidke damals. „Nur so werden wir in der Region viele gut bezahlte Arbeitsplätze erhalten können.“

Die Unternehmen wollen sich nun neu orientieren, 65 Prozent sehen nach IHK-Zahlen die Neukundenakquise als größte Herausforderung, 45 Prozent sind auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. IHK-Chef Krüger sagt, jeder Tag, an dem die Kraftwerke und Tagebaue weiterlaufen, sei ein guter Tag. Die Region brauche Zeit, um den Strukturwandel zu organisieren und neue Wertschöpfungsketten aufzubauen.

Zur Startseite