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Die Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde (Brandenburg). Sie gehören künftig der tschechischen EPH und der Investorengruppe PPF.
© dpa

Vattenfall verkauft Braunkohlesparte: Kein Fest fürs Klima, kein Fest für die Lausitz

Es ist bestätigt: Der schwedische Stromkonzern verkauft sein ostdeutsches Braunkohlegeschäft an Investoren aus Tschechien. Um das Klima besorgte Bürger sollten sich nicht zu früh freuen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Lässt man die juristischen und technischen Details einmal beiseite, könnte man sagen: Endlich eine Entscheidung! Wenigstens das. Anderthalb Jahre nachdem der schwedische Staatskonzern Vattenfall den Grundsatzbeschluss zum Verkauf seiner ostdeutschen Braunkohle-Sparte getroffen hat, sagt er nun auch an welchen Käufer sie gehen soll - und für welche Summe: An den tschechischen Energiekonzern EPH und die hierzulande bisher weitgehend unbekannte Investorengruppe PPF.

Eine transparente und nachvollziehbare Entscheidung, ein Käufervertrag: Das bringt immerhin ein wenig Klarheit für die 8000 Mitarbeiter des Konzerns im Lausitzer Revier und ihre Familien. Nicht mehr. Das genügt nicht, um diesen Schritt zu feiern als einen Fortschritt im Strukturwandel dieser sonst strukturschwachen Region. Oder gar als ein Fortschritt im Sinne des Klimawandels.

Mit Vattenfalls Abbrechen dieses wichtigen Teils der Strom-Wertschöpfungskette, der Rohstoffgewinnung und der Produktion des grundlastfähigen Strom, verlieren Politiker in Bund, Ländern und Kommunen, auch Journalisten und einfache Privatkunden, eine bekannten, etablierten und verhältnismäßig berechenbaren Ansprechpartner an der Stelle, wo es Energiewirtschaft weh tut: an der Grube. Es kommen neue Partner ohne heißen Draht in die Politik, ohne besonders guten Leumund. Allein der Umstand, dass über sie in den Panama-Papers zu lesen ist, lässt nichts Gutes ahnen. Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne.

Vor 13 Jahren hatten die Schweden begonnen, aus Berliner Bewag, der Hamburger HEW den Vereinigte Energiewerke AG und  Bergbauunternehmen Lausitzer Braunkohle AG ein Unternehmen aus einem Guss zu schmieden. Es entstand nach Eon und RWE der immerhin drittgrößte Energiekonzern hierzulande. Das Unternehmen hat in den Jahren ein Image aufgebaut, das irgendwo zwischen dem von Ikea und einer Eishockeymannschaft der 2. Liga changiert: Vattenfall präsentierte sich oft warm und herzlich, auch mit sozialen Engagement und guten Arbeitsbedingungen. Freilich nach Jahren des massiven Arbeitsplatzabbaus.

Dass  es auch um Geld verdienen geht, verheimlichte das Management nie. Meist blieb der Konzern knallhart in der Sache, was legitim ist, zeigte sich mitunter auch ruppig. Letzteres vor allem nachdem die deutsche Politik begonnen hatte, den Zentralen in Stockholm und Berlin das Geschäft durch immer neue Beschlüsse zu vermiesen.

Nur drei Beispiele: Merkels Wende in der Atompolitik zum Beispiel traf das Unternehmen in einer Phase, in dem es dabei war seine endlose Pannenserie in den Griff zu bekommen. Das Land Berlin verhielt sich im Verfahren um die Konzession zum Betrieb um das städtische Stromnetz derart unprofessionell, dass jedem seriösen und kommerziell orientieren Geschäftspartner die Lust vergehen würde. Und man denke an die Bemühungen, die CCS-Technologie zur unterirdischen Verpressung des klimaschädlichen Kohlendioxids zu etablieren. Was haben einige Entscheidungsträger da ein populistisches Theater veranstaltet und Ängste geschürt?

Antworten auf die wichtige Frage, was aus der Kulturlandschaft Lausitz, diesem von Baggern geschundenen Flecken Erde wird, ergeben sich aus dem Eigentümerwechsel nicht. Ist es so, wie man in Cottbus hört und hofft, dass sich nur das Klingelschild ändert? Das wäre bedauerlich, wenn die neuen Eigentümer aus Tschechien nicht schnell einen belastbaren Fahrplan, wenigstens eine Vision für die nächsten Jahrzehnte vorlegen.

Auch im eigenen Interesse: Müssen sich die jungen Leute der Region sorgen, dass EPH nur noch das letzte bisschen Kohle aus der Kohle saugt und sich dann aus dem Staub macht, werden sie kaum dort eine Ausbildung beginnen, eine Familie gründen. AKW-Betreiber – darunter auch Vattenfall in Norddeutschland - erleben schon heute, dass ihnen Fachkräfte fehlen, da niemand mehr Kerntechnik lernen will. Dabei gibt es auch noch nach dem Abschluss des Atomausstieges im Jahr 2022 mehr als genug zu tun.

Blick aus einem Kleinflugzeug im Januar 2016 auf die mächtigen Wasserdampfsäulen, die aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde in den Himmel aufsteigen.
Blick aus einem Kleinflugzeug im Januar 2016 auf die mächtigen Wasserdampfsäulen, die aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes in Jänschwalde in den Himmel aufsteigen.
© picture alliance / dpa

Energieerzeugung von der Grube bis zur Steckdose ist seit jeher ein komplexes und schmutziges (nicht zwingend unmoralisches!) Geschäft. Es geht mehr um Emotionen als etwa im Einzelhandel oder Bankwesen. Denn es geht um Ausbeutung von unwiederbringlichen Ressourcen, Veränderungen von Landschaften, Lebensräumen. Doch einer muss es machen, Energiewende hin oder her. Das vergessen einige der besonders um den Klimaschutz besorgten Bürger gern. Kaum zu glauben, dass sie wirklich glauben, mit den neuen Eigentümer werde die Welt sauberer.

In der Energiegeschichte der Schweden in Deutschland lief es selten wie bei Lindgren, öfter wie bei Wallander. Doch das ist auch gut. Vattenfall hat es nicht schlecht gemacht in den 13 Jahren bisher. Und das Unternehmen bleibt ja mit Kraftwerken in Berlin, beim Stromtransport – und Vertrieb weiter hierzulande präsent. Zum Glück, denn, dass es nur märchenhaft wird mit den schillernden Tschechen ist Stand heute nicht zu erwarten.

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