Griechenland: Die Hoffnung auf den Sommer
Die Wirtschaft des Landes schrumpft unablässig. Doch nun gibt es einen Hoffnungsschimmer: Denn die Buchungszahlen steigen.
Krise? Nicht im griechischen Fremdenverkehr. Während das Land im sechsten Jahr in Folge mit einer schweren Rezession kämpft und die Wirtschaftsleistung 2013 voraussichtlich um weitere 4,5 Prozent schrumpfen wird, bereiten sich die griechischen Hoteliers darauf vor, mehr Gäste denn je zu bewirten.
Andreas Andreadis, der Vorsitzende des Verbandes der griechischen Touristikunternehmen, erwartet in diesem Jahr mehr als 17 Millionen ausländische Urlauber. Das wäre ein neuer Rekord. Die bisherige Bestleistung stammt aus dem Jahr 2011. Damals kamen 16,5 Millionen Besucher. Anastasios Liaskos, Generalsekretär im griechischen Tourismusministerium, schätzt, dass die ausländischen Touristen dieses Jahr rund zwölf Milliarden Euro ins Land bringen werden.
Damit wächst die Hoffnung, dass der Fremdenverkehr jene Wachstumslokomotive ist, die Griechenland aus dem tiefen Tal der Rezession herauszieht. Ministerpräsident Antonis Samaras sieht 2013 als „Jahr der Wende“ und erwartet 2014 die Rückkehr zum Wachstum. „Wenn sich die Tourismussaison so entwickelt, wie wir sie einschätzen, dann könnten wir in der realen Wirtschaft bald eine Wende schaffen“, sagte Finanzminister Ioannis Stournaras kürzlich in einem Interview.
Bei den Hotelbuchungen zeigt die Kurve bereits deutlich nach oben. In Deutschland, das im vergangenen Jahr die meisten ausländischen Besucher stellte, liegen die Hellas-Reservierungen um 15 Prozent über dem Vorjahresniveau. In Großbritannien sowie in Russland, einem für die Griechen zunehmend wichtigen Markt, beträgt das Buchungsplus 20 Prozent. In den USA haben dieses Jahr sogar 40 Prozent mehr Reisende einen Griechenlandbesuch gebucht als 2012.
„Traumurlaub zum kleinen Preis“ – auch Europas größter Reiseveranstalter Tui wirbt mit Vorzugskonditionen für den Griechenlandurlaub. Vor dem Wochenende war bei Tui eine Woche Korfu im Viersternehotel mit Halbpension für 429 Euro statt 903 Euro pro Person zu haben. „Das Geschäft zieht deutlich an“, sagt Sprecherin Kathrin Spichala. Tui verzeichne aktuell bei Griechenlandreisen ein Umsatzplus von neun Prozent im Vergleich zur Sommersaison 2012. „Wir glauben, dass Griechenland das Comeback schaffen wird“, sagt Spichala. Zwar habe das Geschäft noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Aber die wöchentlichen Auftragseingänge und zahlreiche neue Hoteleröffnungen sprächen dafür, dass das Land die Krise zumindest im Tourismus überwunden habe.
Im vergangenen Jahr vergraulten noch Fernsehbilder von Straßenkämpfen in Athen, Schlagzeilen von ständigen Streiks und die Furcht vor einer drohenden Staatspleite viele Besucher. Die Zahl der ausländischen Gäste ging um 5,5 Prozent auf 15,5 Millionen zurück. Inzwischen hat sich das Griechenlandbild wieder zum Positiven gewandelt. Die Parlamentswahl vom vergangenen Juni brachte trotz komplizierter Mehrheitsverhältnisse eine unerwartete politische Stabilität. Der Euro-Austritt ist kein Thema mehr, das im Vordergrund steht. Auch die Streiks und Unruhen sind abgeebbt.
Griechenland profitiert aber auch davon, dass die meisten Hoteliers die früher oft als überhöht empfundenen Preise zurückgenommen haben. Nach einer Statistik des Online-Reiseportals Trivago sind die durchschnittlichen Übernachtungspreise seit 2012 um 15,2 Prozent gefallen. Im Vergleich zu 2011 liegen sie sogar um 20,4 Prozent niedriger. Unter den von Trivago ermittelten 14 preisgünstigsten Strand-Destinationen in Europa sind gleich drei griechische Inseln: Kos auf Platz fünf, gefolgt von Milos auf Rang sechs und Rhodos auf Platz acht.
Die Preise seien im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken, aber stabil geblieben, erklärt Tui – dies aber bei zugleich steigenden Kosten und Inflation in Griechenland. „Die Griechen üben Preisdisziplin“, sagt Sprecherin Kathrin Spichala. Die gefragtesten Reiseziele seien 2013 Kreta, Kos und Rhodos. Nach Angaben des griechischen Reiseverbandes haben inzwischen rund 40 Prozent der Hotels vier oder fünf Sterne, während es bei den Olympischen Spielen 2004 erst 25 Prozent gewesen seien.
Für die griechische Volkswirtschaft spielt der Tourismus eine wichtige Rolle. Er steuert 16 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und sichert jeden fünften Arbeitsplatz. Im Februar erreichte die Arbeitslosenquote in Griechenland zwar mit 27 Prozent einen neuen Rekord. Aber der beginnende Reiseboom macht sich auf dem Arbeitsmarkt bereits positiv bemerkbar: Im April gab es zwar noch 18 078 Entlassungen, aber es wurden 89 779 Menschen neu eingestellt – vor allem in der Fremdenverkehrswirtschaft.
Henrik Mortsiefer, Gerd Höhler