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Wirtschaft: Voller Risiken

Die EU-Kommission senkt ihre Wachstumsprognose für 2013 – womöglich wird es aber noch schlimmer, als Brüssel befürchtet.

Die Wirtschaft in der Euro-Zone wird 2013 das zweite Jahr in Folge schrumpfen. Die EU-Kommission vermutet, dass das Bruttoinlandsprodukt der 17 Mitgliedsländer um 0,4 Prozent zurückgehen wird. Die Zahlen, die Währungskommissar Olli Rehn am Freitag in Brüssel vorlegte, sind damit noch einmal um 0,1 Prozentpunkte schlechter als im Februar. Zudem basieren sie darauf, dass die Schuldenkrise nicht erneut eskaliert. Entsprechend vorsichtig schätzen die Brüsseler Finanzexperten die Haltbarkeit der Prognose ein: „Die negativen Risiken überwiegen.“ In der gesamten EU ist die Lage nur wenig besser: Hier sieht Brüssel nur ein Minus von 0,1 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit nennt die EU „unakzeptabel hoch“. Die Quote im Euro-Raum soll dieses Jahr noch 12,2 Prozent erreichen und auch im nächsten Jahr auf diesem Niveau verharren. Und das, obwohl die Wirtschaft dann wieder in Schwung kommen und mit 1,2 Prozent wachsen soll. EU-weit peilt die Kommission sogar 1,4 Prozent an. „Leider wird der Arbeitsmarkt erst mit zwei Jahren Verzögerung auf den Aufschwung reagieren“, sagte Währungskommissar Rehn. Die höchsten Erwerbslosenraten werden weiter mit jeweils 27 Prozent in Griechenland und Spanien gemessen.

Die ökonomische Spaltung Europas vertieft sich entsprechend weiter: Während in Mittel- und Nordeuropa mit Ausnahme der Niederlande, Frankreichs und Sloweniens zumindest ein leichter Aufschwung zu spüren ist, verzeichnen die Südländer teils eine drastisch abnehmende Wirtschaftsaktivität. Am dramatischsten verschlechtern sich die Aussichten für Zypern. Nach der Abwicklung der größten Bank der Insel im Gegenzug für europäische Hilfsmilliarden dürfte der Wohlstand nun nicht um knapp vier, sondern um neun Prozent sinken.

Ohne die vergleichsweise guten Zahlen der Bundesrepublik sähe das Bild noch trostloser aus: Für Deutschland prognostiziert die EU-Kommission in diesem Jahr ein Wachstum von 0,4 Prozent; 2014 sollen es dann 1,8 Prozent sein. Angesichts der geringen Neuverschuldung wird es Deutschland den Brüsseler Experten zufolge auch schaffen, seine Gesamtschuldenquote wieder unter die Marke von 80 Prozent des BIP zu senken.

Keine Chance mehr sieht Währungskommissar Rehn dafür, dass Frankreich und Spanien angesichts der schwachen Konjunktur ihre Etatdefizite wie vereinbart abbauen können. Brüssel erwartet, dass Paris in diesem Jahr neue Schulden in Höhe von 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung aufnehmen muss – 2014 soll das Defizit gar bei 4,2 Prozent liegen. In Madrid läuft die Neuverschuldung aller Sparprogramme zum Trotz weiter aus dem Ruder. Dort liegt die Defizitquote bei 6,5 in diesem und 7,0 Prozent im nächsten Jahr.

Daher will die EU-Kommission Frankreich und Spanien zwei weitere Jahre Zeit einräumen, um die Neuverschuldung unter die erlaubte Drei-Prozent-Marke zu drücken. Dies müsste dann 2015 beziehungsweise 2016 der Fall sein. Der Empfehlung müssen allerdings noch Europas Finanzminister zustimmen. Die Bundesregierung signalisierte kurz nach Rehns Ankündigung in Brüssel ihre grundsätzliche Bereitschaft. Voraussetzung sei jedoch, dass die betreffenden Länder nicht ganz von den vereinbarten Reformen lassen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Der EU-Währungskommissar betonte dies ebenfalls ausdrücklich. An die Adresse der französischen Regierung gerichtet forderte er weitere Reformen, „um das Potenzial an Wachstum und Arbeitsplätzen freizusetzen, das Frankreich so dringend braucht“. Konkret mahnte er den Umbau des Arbeitsmarkts und des Rentensystems sowie eine generelle Öffnung verschlossener Märkte etwa in den Bereichen Energie und Verkehr an.

Ohne einen konkreten Zeitplan zu nennen, deutete Rehn auch eine Fristverlängerung für Slowenien an. Das Land gilt als nächster Kandidat für ein Rettungsprogramm, doch sei die Krise trotz des „negativen Trends“ auch ohne Hilfe von außen „weiterhin zu bewältigen“. Voraussetzung sei aber eine schnelle Lösung der Bankenkrise. Als Kandidaten für eine Fristverlängerung gelten auch die Niederlande und Polen, wenn die EU-Kommission am 29. Mai offiziell entsprechende Empfehlungen abgibt.

Christopher Ziedler

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