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Der Ex-Fußball-Profi und heutige Börsenchef vom Bankhaus Oddo Seydler ist seit Jahrzehnten auf dem Börsenparkett unterwegs.
© imago/Hartenfelser

Aktienmarkt: „Die goldenen Zeiten sind vorbei“

Oliver Roth, Börsenchef des Bankhauses Oddo Seydler, spricht im Interview über den Aktienmarkt und die Perspektive für 2019.

Herr Roth, am Donnerstag hat sich der Dax wieder etwas stabilisiert. Ist das Schlimmste überstanden?

Das glaube ich nicht. Die Nervosität ist weiter hoch.

Warum?

In den USA steigen die Zinsen und die Handelsstreitigkeiten mit China belasten den Aktienmarkt. Beides sind Gründe für die Unsicherheit und die Talfahrt der Kurse. Auch die ungelösten Details des Brexit sorgen für Unruhe. Und dann ist da noch der Konflikt in der Eurozone über die Haushaltspolitik in Italien.

Aber das sind keine neuen Entwicklungen.

Aber derzeit spielt der überdeutlich gewordene Trend hin zu einem Zinswechsel die entscheidende Rolle. In den USA ist er im Gange, in Europa steht er im nächsten Jahr an. Steigende Zinsen sind schlecht für Aktien.

Die Anleger verkaufen?

Ja. Sie gehen raus aus Aktien und kaufen Anleihen. Zehnjährige US-Staatsanleihen sind mittlerweile bei Renditen von mehr als drei Prozent wieder attraktiv. Bei zehnjährigen Bundesanleihen hält sich das mit knapp 0,5 Prozent in Grenzen. Aber sie bieten Sicherheit.

Ist die Talfahrt des Dax auf ein Zwei-Jahres-Tief nicht übertrieben?

Nein. Die Angst davor, dass sich die politischen Belastungen verschärfen, ist größer als die Erwartung einer Entspannung. Das führt zu Vorsicht und damit zum Ausstieg aus dem Aktienmarkt. Die massive Verunsicherung wird vorerst anhalten.

Muss der Brexit so große Sorgen machen?

Dann, wenn er ungeordnet erfolgt. Das hätte Folgen für die Wirtschaft, die Unternehmen und für die Finanzmärkte, die derzeit schwer abzuschätzen sind.

Wie belastet sind Konzernthemen wie bei Bayer mit Glyphosat?

Das sind Einzelthemen, durch die aber zusätzlich Öl ins Feuer gegossen wird. Wir stecken voll in einer Korrekturphase. Und die ist noch nicht abgeschlossen. Ich halte das nicht für übertrieben. Die Übertreibungen gab es vorher. Viele der Themen, die heute als Belastungen gelten, lagen schon auf dem Tisch: die Handelskonflikte und der Brexit. Das wurde ignoriert. Allerdings war der Anstieg der Zinsen in den USA noch nicht so deutlich erkennbar.

Wird die Talfahrt derzeit von professionellen Anlegern wie Fonds und Versicherungen bestimmt?

Ja, wobei die großen Spieler noch nicht agiert haben. Wenn sie handeln, kann es noch deutlich weiter nach unten gehen.

Was ist mit Privatanlegern?

Die haben noch gekauft, als sich die Profis schon zurückgehalten haben. Die sind schon zum Jahresanfang vorsichtiger geworden.

Sollten sich Kleinanleger jetzt von Aktien trennen?

Wenn sie bei einem Dax-Stand von 5000 gekauft haben, sollten sie verkaufen und Gewinne sichern. Wer erst bei 12000 Punkten eingestiegen ist, sollte noch warten. Zumindest aber sollten Kleinanleger Stopp-Loss-Grenzen einziehen, um die Verlustgefahr zu begrenzen.

Es gibt also keine Rally zum Jahresende, wie manche Experten meinen?

Es kann eine Rally geben – von 10500 auf 11200 im Dax. Im Ernst: Bis Jahresende bleibt der Markt unter Druck.

Der Dax würde demnach 2018 mit einem Minus abschließen?

Bestimmt.

Und 2019 läuft es wieder besser?

Die goldenen Zeiten für Aktien sind für die nächsten sechs bis zwölf Monate vorbei. Und dann muss man schauen, wohin sich die Zinsen bewegt haben und was aus Brexit und Handelskonflikten geworden ist. Erst wenn sich Entspannung abzeichnet, kann der Aktienmarkt wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen.

12000 oder gar 13000 Punkte wie noch zu Anfang des Jahres sehen Sie nicht mehr?

13000 sicher nicht. 12000: Das hängt davon ab, wie hoch die Wellen weiter schlagen. Wir werden uns erst einmal mit deutlich niedrigeren Niveaus abfinden müssen. Vorsicht und Zurückhaltung sollte derzeit die Devise sein.

Das Interview führte Rolf Obertreis.

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