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Diesel-Krise: Die fehlenden Millionen

Im Kanzleramt wird beraten, wie man Fahrverbote vermeiden kann. Wann das versprochene Geld kommt, ist unklar.

Der Sommer ist vorbei, Angela Merkel hat die Wanderschuhe in den Schrank gestellt. Statt guter Luft wie in den Südtiroler Bergen weht an diesem Montag die Diesel-Krise durchs Kanzleramt. Die Bundeskanzlerin, die beim Diesel-Gipfel am 2. August im Urlaub weilte, hat das Thema im Wahlkampf zur Chefsache erklärt. Nun will sie mit Vertretern der Städte und Kommunen, Spitzenverbänden, den Ministerpräsidenten der „Autoländer“ und Ministern „Möglichkeiten zur nachhaltigen Verbesserung“ der Luftqualität in den besonders durch Stickoxidemissionen belasteten Städten diskutieren. Bevor es im November einen zweiten Diesel-Gipfel gibt, bei dem eine Zwischenbilanz der Umrüstungen und Kaufprämien gezogen wird, soll es an diesem Montag vor allem ums Geld gehen.

Ob die rund 35 geladenen Oberbürgermeister konkrete finanzielle Zusagen der Regierung und der Autoindustrie mit nach Hause nehmen können, ist allerdings fraglich. Denn es geht um die Verteilung von Geld, das noch gar nicht zur Verfügung steht.

Autoimporteure wollen nicht zahlen

Die Teilnehmer des ersten Diesel- Gipfels hatten unter anderem einen mit 500 Millionen Euro dotierten Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ vereinbart. Dessen Ziel: die Finanzierung individueller Masterpläne („Green City“-Plan) für alle 28 von der EU-Kommission benannten Städte mit besonders hohen Stickoxidbelastungen (NOx). Es geht um Investitionen in die Elektrifizierung von Taxis und Bussen, um digitalisierte Verkehrsplanung, intermodale Mobilität. Dinge also, für die die klammen Kommunen kein Geld haben. Das Fonds-Budget – „und gegebenenfalls noch was dazu“, wie Merkel angedeutet hat – soll zur Hälfte von den Autobauern stammen, gewichtet nach ihren jeweiligen Diesel-Marktanteilen.

Doch weder Bund und Länder noch die Konzerne sind sich bislang einig, wer wie viel in den Fonds einzahlen soll. Auch verweigern die Autoimporteure nach wie vor eine Beteiligung. Damit ist unklar, ob die 250 Millionen, die die Autoindustrie beisteuern soll, überhaupt zusammenkommen. Die deutschen Autobauer sollen wohl insgesamt 200 Millionen Euro einzahlen. Zudem ist unklar, ob das Budget insgesamt aufgestockt werden muss, um den Bedarf in den Kommunen zu decken. Zu hören ist, dass der Bund nur mehr geben will, wenn auch die Länder mitziehen. Zugleich drängt die Zeit: In Städten wie Stuttgart drohen schon ab dem 1. Januar Fahrverbote, die Merkel unbedingt vermeiden will.

Geld im Haushalt noch nicht eingeplant

Damit aber überhaupt sofort Geld ausgegeben werden kann, müsste der laufende Haushalt 2017 kurz vor dem Ende der Legislaturperiode noch geändert werden. „Es gibt gar keinen Haushaltstitel für den Fonds“, sagte die zuständige SPD- Haushälterin Bettina Hagedorn dem Tagesspiegel. Am Dienstag findet deshalb eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages statt. „Um dort etwas beschließen zu können, müsste allerdings auch ein entsprechender Antrag der Regierung vorliegen“, sagte Hagedorn. Dies sei aber nicht der Fall. Mehr als eine „Willensbekundung“ der Bundesregierung, den Kommunen unter die Arme greifen zu wollen, gebe es nicht.

Mit anderen Worten: Werden keine Mittel aus dem laufenden Haushalt frei, muss die künftige Bundesregierung erst den Haushalt 2018 beschließen, wahrscheinlich im kommenden Frühjahr. Investiert werden könnte in den Kommunen also erst frühestens im Sommer 2018 – ein halbes Jahr nach den womöglich ersten Fahrverboten. „Es ist Sache von Bundesverkehrsminister Dobrindt und von Bundesfinanzminister Schäuble, die auf dem Diesel-Gipfel zugesagten Bundesmittel in Höhe von 250 Millionen Euro tatsächlich noch im Haushaltsjahr bereitzustellen“, sagte Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil dem Tagesspiegel. „Aus dieser Zusagen kommen die beiden nicht wieder raus.“ Aus Sicht der SPD-regierten Kommunen müsse der Fond „aus dem Bundeshaushalt um zusätzliche Mittel für die Jahre 2018–2020 aufgestockt werden“.

Die Grünen im Bundestag erwarten eine Wahlkampfveranstaltung und sprechen von „Kümmern ohne wirksames Ergebnis“. Insgesamt würden die aus dem Fonds finanzierten Maßnahmen erst in einigen Jahren in geringem Umfang die Stickoxidbelastung in den Städten senken. Fahrverbote würden damit in keiner Weise verhindert. Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte gesagt, es gelte, Fahrverbote zu vermeiden, „aber nicht durch Einladungen an Oberbürgermeister“. Der Termin im Wahlkampf sei wohl kein Zufall. „Für ein Wahlkampfhappening ist das Thema viel zu ernst und gewichtig, auch wenn das vielleicht die Absicht war“, sagte Weil.

Erwartungen an das Treffen mit Merkel nicht groß

Bei Städten und Kommunen sind die Erwartungen an das Treffen mit Merkel denn auch nicht allzu groß. „Spektakuläre Geldzusagen kann es nicht geben“, sagt ein Teilnehmer. Man werde der Kanzlerin allerdings „sehr deutlich und nachdrücklich schildern, wie ernst die Lage in den Innenstädten ist“. Es gehe darum, zu eruieren, welche Maßnahmen zur Reduzierung von NOx-Emissionen schnell und wirksam umsetzbar seien. Die Kommunen haben rund 250 000 Fahrzeuge in ihren Fuhrparks, davon werden rund 90 Prozent von einem Dieselmotor angetrieben. Die Autoindustrie sei gefordert, eine schnelle Um- oder Nachrüstung zu ermöglichen, hieß es beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Merkel selbst hatte sich skeptisch zu Forderungen nach Umbauten an Dieselmotoren geäußert. Ziel sei ein „Gesamttableau“, um Fahrverbote zu vermeiden. Als Baustein sollten in den Kommunen Verkehrsleitsysteme, Umrüstungen öffentlicher Flotten und mehr E-Auto-Ladestationen angegangen werden.

All das muss aber finanziert werden. „Die Kanzlerin steht nackt da, wenn die Bürgermeister ihr sagen: Wir haben dafür kein Geld“, sagt SPD-Haushälterin Bettina Hagedorn. „Merkel und Finanzminister Schäuble müssen liefern.“

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