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Die Deutschen trugen ihren Verdienst 2015 lieber in Shopping-Center statt zum Bankschalter.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Superjahr für den Einzelhandel: Die Deutschen sind im Kaufrausch

Ob Lebensmittel oder Möbel: 2015 war für die Händler das beste Jahr seit Langem. Viele Faktoren, ein Fakt – man gönnt sich wieder was.

Von Maris Hubschmid

Was soll das Geld auf der Bank alt werden, wenn man es sich damit auch so richtig gemütlich machen kann? Ein extralanges Sofa, ein Kaffeevollautomat, ein breiterer Fernseher – die Deutschen haben im vergangenen Jahr im großen Stil konsumiert. Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte, Bücher und Schmuck standen dabei besonders weit oben in der Gunst der Verbraucher. In der Folge dürfte der Einzelhandel nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts (Destatis) 2015 das größte Umsatzplus seit mehr als 20 Jahren verzeichnet haben.

Das Prinzip: Wer hat, der hat – der gute Arbeitsmarkt lässt die Löhne steigen, und dank des niedrigen Ölpreises tanken Autofahrer so billig wie schon lange nicht mehr. Mancher Extraschein hat sich so in deutschen Portemonnaies angesammelt – und wurde nicht zur Bank getragen. Schließlich sind die Zinsen fürs Sparen nach wie vor kaum nennenswert. Also wird ausgegeben.

Größter Gewinner ist der Onlinehandel

„Der Verbraucher gönnt sich mehr“, betont Wolfgang Adlwarth von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. Zwar werde nicht unbedingt mehr gekauft, aber es gebe eine deutliche Tendenz zu teureren Produkten. Das freut vor allem die namhaften Hersteller: Nachdem lange vor allem der Preis die Kaufentscheidung vorgab, sehen die Analysten der GfK „zum ersten Mal seit Jahren, dass die günstigen Handelsmarken verlieren, während die teureren Markenartikel gewinnen“.

Nach der am Donnerstag veröffentlichten Prognose erzielte der Einzelhandel 2015 ein reales Wachstum zwischen 2,8 und 3,1 Prozent – das wäre das größte Umsatzplus seit 1994. Elmar Wein vom Statistischen Bundesamt zufolge trug auch der flächendeckende Mindestlohn seinen Teil zur Kauflaune bei. Beim Handelsverband Deutschland bestätigt man die Tendenz, will aber noch keine eigene Einschätzung abgeben. Über den größten Gewinner jedoch sind sich schon jetzt alle einig: Der Onlinehandel verzeichnete laut den aktuellen Zahlen zwischen Januar und November Umsatzzuwächse von mehr als neun Prozent – in nahezu allen Segmenten.

Wintermäntel blieben in den Läden

Auch im Lebensmittelhandel liefen die Geschäfte mit einem realen Umsatzplus von 2,4 Prozent erfreulich. Die Deutschen zeigten sich genussfreudig und kauften auch hier nicht unbedingt mehr, dafür aber hochwertiger ein.
Gleichwohl konnten nicht alle Branchen vom Shoppingtrend profitieren. So ging der Aufschwung am Textilhandel laut Destatis nahezu völlig vorbei. Den Statistikern zufolge lag das reale Umsatzplus im Bereich Textilien, Bekleidung, Schuhe und Lederwaren in den ersten elf Monaten des Jahres gerade einmal bei 0,1 Prozent. Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels spricht von einem „Umsatz auf Vorjahresniveau“ – ihm zufolge ist daran in erster Linie das Wetter schuld. Die Mäntel wärmten in diesem Jahr vornehmlich die Kleiderbügel in den Läden – für Thomas Rasch, Hauptgeschäftsführer des Verbands German Fashion, eine katastrophale Saison. „Der milde Winter war ein Tsunami in der Modebranche.“

Allerdings macht sich den Marktforschern zufolge auch „ein schleichender Bedeutungsverlust der Mode im Bewusstsein vieler Kunden“ bemerkbar. Immer mehr Verbraucher zögen eine Aufwertung der Wohnung, ein neues Smartphone oder einen Urlaub einer üppigen Garderobe vor. So verlief auch das Weihnachtsgeschäft für die Anbieter ersten Erkenntnissen nach enttäuschend: „Weihnachten war nicht“, urteilt das Blatt „Textilwirtschaft“. mit dpa

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