Schienenverkehrsmesse Innotrans: Die Bahnbranche auf Kurs 4.0
Die weltgrößte Messe für Schienenverkehrstechnik Innotrans zeigt in Berlin Innovationen und Selbstbewusstsein. Am kommenden Wochenende ist die Schau für das breite Publikum geöffnet.
Die Straßen rund um das Berliner Messegelände boten am Montag ein Bild, das wie bestellt wirkte für die Verkehrstechnik-Messe Innotrans: Lkw-Stau auf allen Zufahrtswegen, volle Parkplätze und Chaos beim Aufbau der weltgrößten Leistungsschau für Schienenverkehrstechnik und -infrastruktur. Der Kollaps fand vor den Toren einer Messe statt, bei der es bis kommenden Sonntag um „Mobility 4.0“ gehen soll, um den effizienten, komfortablen und ressourcenschonenden Transport von Gütern und Menschen.
„Das ist ein denkbar schlechter Einstieg in das Thema Mobilität und Digitalisierung“, sagte Herbert Zimmermann. Der Geschäftsführer des Fachverbands Elektrobahnen und -fahrzeuge im Branchenverband ZVEI war selbst im Stau stecken geblieben. Seinem Optimismus tat dies jedoch keinen Abbruch, denn die Bahnbranche stehe vor einem „Quantensprung“, sagte Zimmermann. Dies werde die alle zwei Jahre stattfindende Innotrans, die an diesem Dienstag offiziell eröffnet wird, dokumentieren. Die Digitalisierung biete der Bahnindustrie die Gelegenheit, ihre Vorteile gegenüber Wettbewerbern aus anderen Regionen, aber auch gegenüber Lkw, Bus und Auto auszuspielen. Deutsche Unternehmen nähmen „eine führende – vielleicht sogar die führende – Rolle ein“. Beispiel autonomes Fahren: Der Automatisierung auf der Straße stehe der fahrerlose Betrieb auf der Schiene gegenüber. „Der Unterschied: Ihn gibt es bereits“, sagte Zimmermann.
2950 Aussteller zeigen unter anderem 123 Loks, Waggons und andere Schienenfahrzeugen
Selbstbewusst präsentiert sich auch der Messeveranstalter: „Die Innotrans 2016 ist die bislang größte Innotrans aller Zeiten“, sagte der Vorsitzende der Messe-Geschäftsführung, Christian Göke. Vertreten sind diesmal 2950 Aussteller aus 60 Ländern, zwei Drittel kommen aus dem Ausland. Auch die Fläche sei im Vergleich zu 2014 um acht Prozent gewachsen auf 112 000 Quadratmeter. Gezeigt werden allein 123 Loks, Waggons und andere Schienenfahrzeuge – von der Straßenbahn bis zum Hochgeschwindigkeitszug. Erstmals vertreten ist der weltgrößte Bahnhersteller CRRC. Die China Railway Rolling Stock Corporation war 2015 aus der Fusion der beiden chinesischen Staatsunternehmen CSR und CNR entstanden und wächst seitdem ungebremst. Allein im ersten Halbjahr 2016 konnte CRRC die Aufträge aus Übersee mehr als verdoppeln.
Doch Asien ist der Wachstumsmotor der Branche. In China wird massiv in neue Schieneninfrastruktur investiert. So soll das Hochgeschwindigkeitsnetz des Landes von 19 000 Kilometer auf 38 000 Kilometer im Jahr 2025 wachsen, wie Ben Möbius, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Bahnindustrie, sagte. „Auf diese Investitionen müssen wir vorbereitet sein.“ Die deutsche Bahnindustrie exportiert die Hälfte ihrer Produktion ins Ausland. Es gelte, die fragmentierte Bahnbranche in Europa zu stärken, Forschung und Entwicklung zu fördern und Pilotprojekte zu starten, etwa für Hochgeschwindigkeitszüge, meinte Möbius. „Vielleicht auch in Berlin“, sagte er mit Blick auf Überlegungen, eine Magnetschwebebahn zum BER zu bauen.
Die Branche fordert Unterstützung der Ordnungspolitik
Doch es ist noch nicht alles „Schiene 4.0“ in der Bahnindustrie. Die „Innovationswelle“, die die Digitalisierung in der Branche ausgelöst hat, löst nicht alle Probleme über Nacht. „Die Kosten- und die Wettbewerbssituation verschlechtern sich, Innovationen setzen sich zu langsam durch“, sagte Martin Henke, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. So seien Lkw-Spediteure besser in der Lage als ihre Wettbewerber auf der Schiene, Fracht auf dem Transportweg zu lokalisieren und zu steuern. Auch die Elektrifizierung der Bahnen sei nur zur Hälfte abgeschlossen. „Wir brauchen hier auch mehr Unterstützung der Ordnungspolitik“, rief Henke dem Bundesverkehrsminister zu. Alexander Dobrindt (CSU) wird zusammen mit Bahn-Chef Rüdiger Grube die Messe an diesem Dienstag eröffnen.
Die Innotrans ist bis Freitag Fachbesuchern vorenthalten, am kommenden Wochenende öffnen die Türen für das Publikum, der Eintritt kostet drei Euro.