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In Kitas können die Schutzmaßnahmen nicht so eingehalten werden wie in anderen Berufen.
© imago images/Westend61

Umfrage unter Beschäftigten: Die Angst vor einer Corona-Ansteckung am Arbeitsplatz wächst

Die Menschen haben zunehmend Angst, sich bei der Arbeit mit dem Coronavirus anzustecken. Manche fühlen sich vom Chef überhaupt nicht gut geschützt.

Über die Gefahr von Restaurants und Bars wurde viel diskutiert, Schulen und Kitas sind noch immer Streitthema. Im November trieb allerdings auch jeden dritten Beschäftigten die Angst um, sich bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin mit dem Coronavirus zu infizieren. In den Sommermonaten Juni und Juli tat das nur jeder Vierte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung des Portals Lohnspiegel, an der sich seit April 2020 rund 26 500 Beschäftigte beteiligt haben. Das Portal wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.

Besonders verbreitet ist die Sorge vor einer Ansteckung unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in ihrem Beruf regelmäßig engen Kontakt zu anderen Menschen haben. So gaben seit Beginn der Befragung 55 Prozent der Beschäftigten im Bereich Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege an, sich vor einer Ansteckung zu ängstigen. Es folgen Beschäftigte in der Altenpflege (48 Prozent), Gesundheits- und Krankenpflege (46 Prozent), Human- und Zahnmediziner (47 Prozent) und im Verkauf (41 Prozent).

Die Fertigungsberufe bieten ein uneinheitliches Bild: Während sich in der Lebensmittelherstellung, zu der auch die Fleischwirtschaft zählt, jeder dritte Befragte Sorgen macht, ist es in den Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen sowie den Metallbauberufen nur ein Viertel.

Wer zu Hause arbeitet, ist gelassen

Deutlich gelassener sind auch jene, die klassische Bürotätigkeiten ausüben. Eine entscheidende Erklärung hierfür ist die Nutzung des Homeoffice, die seit Ausbruch der Pandemie stark gestiegen ist. Der persönlicher Kontakt zu Kunden, Kollegen und das Risiko auf dem Weg zur Arbeit entfallen. Unter den Befragten, die teilweise oder vollständig von zu Hause aus arbeiten, macht sich deshalb nur eine kleine Minderheit (17 Prozent) berufsbedingt Gedanken um die eigene Gesundheit. Entsprechend hoch ist in dieser Gruppe auch die Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber: 82 Prozent finden, ausreichend geschützt zu sein.

Wie gefährlich der Arbeitsplatz tatsächlich ist, kann niemand sagen. Einmal pro Woche veröffentlicht das Robert-Koch-Institut (RKI) zwar die Ansteckungsorte von Menschen, die positiv auf Corona getestet wurden. Dort dominierten zuletzt mit weitem Abstand Ansteckungen im privaten Haushalt, gefolgt von Alten- und Pflegeheimen und dem Arbeitsplatz. Die Daten sind jedoch wenig aussagekräftig, weil nur bei etwa 20 Prozent der gemeldeten Fälle überhaupt ein Infektionsort ermittelt werden kann. Das heißt: In 80 Prozent aller Fälle weiß man es nicht. Hinzu kommt, dass Ansteckungen im nahen Umfeld leichter nachzuvollziehen sind als in der U-Bahn.

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Die bloße Befürchtung, sich beim Verlassen der Wohnung möglicherweise mit dem Corona-Virus anzustecken, genügt nicht, damit jemand der Arbeit fern bleiben darf. Nur dann, wenn eine ganz konkrete Gefahr gegeben ist – wie wenn der Kollege im gleichen Raum gerade aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist und typische Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigt – kann im Ausnahmefall ein Recht zur Leistungsverweigerung in Betracht kommen. Dass eine Kollegin Husten hat, wird für sich genommen nicht ausreichen.

Erzieherinnen sind sehr unzufrieden

Wie zufrieden sind die Beschäftigten mit den Maßnahmen ihrer Arbeitgeber? Die Verbreitung des Homeoffice und die Ausstattung mit Schutzausrüstung in besonders gefährdeten Berufen tragen dazu bei, dass mehr als die Hälfte der Befragten die Schritte ihres Unternehmens für ausreichend hält. Ein Drittel sieht das so, mit Einschränkungen. Trotz der langen Vorlaufzeit beklagt aber auch noch jeder achte Beschäftigte, der Chef oder die Chefin mache zu wenig.

Auffällig oft sagen das Menschen in Bau- und Ausbauberufen, da auf Baustellen nach Angaben der Befragten nach wie vor häufig eng an eng und ohne Mund-Nasen-Schutz gearbeitet wird. Auch Erzieherinnen und Erzieher sind besonders unzufrieden. Sie berichten unter anderem davon, dass in ihrer Einrichtung behördliche Vorgaben aus Personalmangel oder Raumnot nicht eingehalten werden.

„Wenn Arbeitgeber die berechtigten Sorgen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach ignorieren, kann dies das Vertrauensverhältnis im Betrieb dauerhaft zerstören“, sagt Elke Ahlers, Expertin für Arbeit und Gesundheit am WSI. „Gefragt sind klare und offene Kommunikation sowie eine enge Einbindung der Beschäftigten in die Entwicklung und Umsetzung von effektiven Hygienekonzepten.“ Erster Ansprechpartner hierfür sollte der Betriebsrat sein. Allerdings hatten nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im vergangenen Jahr nur noch 40 Prozent der Angestellten in privatwirtschaftlichen Betrieben mit fünf oder mehr Mitarbeitern einen Betriebsrat.

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Der Arbeitgeber muss nach dem Arbeitsschutzgesetz auf den Gesundheitsschutz im Betrieb achten und darf das nicht auf die Beschäftigten abwälzen. Die besondere Verantwortung gerade in diesem Jahr wurde zuletzt von der Bundeskanzlerin und den Regierungschefs der Länder betont. In den Beschlüssen vom 25. November mahnen diese die Einhaltung der Schutz- und Hygieneregeln an. Sie appellieren außerdem an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, unbürokratisch Homeoffice zu ermöglichen. Gleichzeitig kann sich die Regierung aber nicht auf ein Gesetz für dauerhaft mobiles Arbeiten einigen.

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