SAP-Chef McDermott: "Die 41 Millionen Euro sind eine Fantasie"
SAP-Chef Bill McDermott verteidigt im Gespräch mit dem Tagesspiegel sein umstrittenes Gehalt und beschreibt seine Zukunftsvision.
Herr McDermott ...
Nennen Sie mich Bill ...
Bill, deutsche Manager sprechen nicht gern über Geld. Wie ist das bei Ihnen?
Oh, ich spreche gern über Geld, wenn es um Umsatz geht, Wachstum oder Unternehmensgewinne. Wenn das Unternehmen floriert, bringt das neue Arbeitsplätze, der Aktienkurs steigt, und alle haben etwas davon.
Was ist mit Ihrer persönlichen Vergütung? Sie sind Deutschlands bestbezahlter Dax-Chef.
Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Daher verstehe ich sehr gut, dass das ein sensibles Thema ist. Wir haben eine Kluft in unserer Gesellschaft zwischen denen, die ganz oben stehen, und dem anderen Teil der Gesellschaft. Aber auf SAP und Bill McDermott passt diese Diskussion nicht.
Warum nicht?
Die Software- und die Informationstechnologiebranche ist wie keine andere Industrie. Es gibt acht Unternehmen weltweit, mit denen wir uns vergleichen müssen. Ich denke es ist wichtig, diesen Branchenstandard in Betracht zu ziehen. Hier herrscht ein unglaublich harter Wettbewerb und den können Sie nur gewinnen, wenn Sie die besten Köpfe haben. Es gibt wenige Unternehmen, die – wie SAP – 46 Jahre überlebt haben. Um SAP die nächsten 46 Jahre stark zu halten, brauchen wir Top-Leute. Und die müssen wir gut bezahlen und zwar auf allen Ebenen. Es geht nicht um die Person an der Spitze, sondern um die Unternehmenskultur. In meinem Fall sind übrigens 80 Prozent der Vergütung variabel, ich muss also jedes Jahr die gesteckten Ziele erreichen.
Warum verdienen Sie Ihrer Meinung nach die 14 Millionen Euro im Jahr?
Das ist ja nicht meine persönliche Meinung, sondern das hat der Aufsichtsrat so entschieden anhand objektiver Kriterien. Wir vergleichen die Unternehmensentwicklung von SAP mit den acht besten IT-Unternehmen der Welt. Und SAP hatte in den vergangenen sieben Jahren wirklich einen unglaublichen Erfolg. Wir haben Umsatz, Gewinn und den Aktienwert verdreifacht. Wir haben 54.000 neue Jobs geschaffen. Die Marke SAP ist weltweit auf Platz 22 in der Liste der wertvollsten Marken. Wir haben heute insgesamt 86.000 Mitarbeiter. Wir haben zwei Frauen im Vorstand, ich bin sehr, sehr stolz auf die Entwicklung.
Sie könnten theoretisch sogar bis zu 41 Millionen Euro im Jahr bekommen. Wo ist die Grenze des Angemessenen?
Dazu müsste ich aber den Aktienkurs verdreifachen, und wir müssten die besten Wettbewerber um 25 Prozent übertreffen. Die 41 Millionen Euro sind daher eher eine Phantasie. Ich habe nichts gegen Phantasien und Träume, aber bleiben wir doch auf dem Boden. Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat es kürzlich so ausgedrückt. Er hat gesagt, Bill bleibt bei einem Drittel des maximal Möglichen. Und ich bleibe auch etwa ein Drittel hinter den Gehältern der Vorstandschefs in vergleichbaren US-Unternehmen zurück. Um 41 Millionen Euro zu bekommen, müsste der Wert von SAP um weitere 200 Milliarden Euro gestiegen sein. Die Aktionäre hätten dann also 200 Milliarden Euro mehr. Und in einem solchen Fall bekämen auch die SAP-Mitarbeiter über die Aktienprogramme, die sie haben, 1,2 Milliarden Euro mehr.
Versuchen US-Unternehmen, Sie und andere SAP-Leute abzuwerben?
Klar. Natürlich ist das so. SAP hat eine tolle Unternehmenskultur und vielversprechende Zukunftspläne. Aber wir müssen auch wettbewerbsfähige Konditionen anbieten.
Im Wahlkampf werden die Managergehälter eine Rolle spielen. SPD und Grüne wollen sie begrenzen. Drücken Sie Angela Merkel die Daumen?
Ich nehme an, alle Politiker erkennen an, dass SAP kein rein deutsches Unternehmen mehr ist. Ich sehe SAP als globales Unternehmen. Wir sind sehr stolz auf unser deutsches Erbe, aber wir stehen im internationalen Wettbewerb. SAP ist das größte IT-Unternehmen Europas, und wir brauchen die besten Köpfe, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Das betrifft nicht nur die Vorstandsgehälter, sondern die Entlohnung all unserer Mitarbeiter.
Wie deutsch ist SAP denn überhaupt noch?
Der größte Erfinder unserer Generation heißt Hasso Plattner. Wir, die wir Hasso und Dietmar Hopp nachgefolgt sind, stehen auf den Schultern von Riesen. Wir sind stolz auf die deutsche Erfinderkunst, aber wir müssen global auftreten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir sind in China, in den USA, in Afrika, in Südamerika - einfach überall. Und die Bedingungen sind überall unterschiedlich. Um vorne zu bleiben, muss man sich weiter entwickeln. Aber wir sind stolz darauf, ein deutsches Unternehmen zu sein. Und ich bin stolz, der Vorstandschef des wertvollsten deutschen Unternehmens zu sein, das erfolgreich auf den Weltmärkten vertreten ist. Ich hoffe, Deutschland ist auch stolz auf SAP.
Sollte der Chef des wertvollsten deutschen Unternehmens Deutsch können?
Ja, das wäre schön. Ich möchte gern Deutsch lernen, aber es gibt noch so viel anderes zu tun.
Weltweit laufen schon 76 Prozent aller IT-Vorgänge in Unternehmen mit SAP-Programmen …
Ja. Und wir sind ein großes Unternehmen, das jede Menge Gutes tun kann. Im Gesundheitswesen, im Klimaschutz, in der Entwicklungshilfe. Wir können dazu beitragen, dass Krankheiten geheilt werden, arme Menschen eine Chance bekommen. Wir können jungen Leuten eine Chance geben. Ich habe große Hoffnungen, und ich werde jeden Tag für SAP kämpfen.
Wie soll SAP weiter wachsen?
Man braucht eine Innovationskultur, und die haben wir. Mit unserer Datenbank SAP Hana haben wir die Organisation von Informationen neu erfunden, die Daten können nun in Echtzeit ausgewertet werden. 2010 haben wir erstmals Software im Internet angeboten, 2018 werden wir in der Cloud schon mehr Umsatz erzielen als mit dem Kerngeschäft. Allein durch unser Geschäftsnetzwerk Ariba laufen schon jetzt jährlich eine Billion Dollar, das ist mehr als bei Amazon, Ebay und Alibaba zusammen. Aber unser Wachstumskurs hat erst begonnen.
An der Mietsoftware verdienen Sie aber weniger als am Verkauf von Programmen, wird die Marge weiter sinken?
Wir haben das Potenzial gesehen, mit dem Mietmodell ebenso gut zu verdienen wie mit dem Verkauf von Software. Zunächst muss man in dieses neue Geschäftsmodell investieren - zum Beispiel Rechenzentren bauen. In dieser Phase ist die Marge niedriger als im bisherigen Geschäftsmodell.
Unter Ihrer Führung hat SAP Unternehmen für über zehn Milliarden Dollar gekauft. Sind weitere Übernahmen geplant?
Derzeit nicht. Unser letzter größerer Zukauf liegt schon mehr als zwei Jahre zurück. Nun verzeichnen wir das größte organische Wachstum in unserer Branche, das zeigt, dass wir zur Umsatzsteigerung nicht auf Übernahmen angewiesen sind.
Wie genau wollen Sie sonst zulegen?
2011 habe ich „Run simple“ zu unserer Devise gemacht. SAP sollte nicht nur tolle Software entwickeln, die den Menschen das Leben erleichtert, sondern sie sollte auch einfach zu bedienen sein. Inspiriert hat mich dabei einer der größten Denker aller Zeiten, Leonardo da Vinci. Der hat mal gesagt, Einfachheit ist die höchste Form der Vollkommenheit. Unsere nächste große Innovation ist die Weiterentwicklung dieser Vision, deswegen nennen wir sie auch Leonardo.
Was steckt dahinter?
Unternehmen können damit ihre Geschäftsmodelle grundsätzlich überdenken. Wir kombinieren mit Leonardo die bestehenden Systeme auf unserer Cloud Plattform und verknüpfen sie mit Technologien wie maschinellem Lernen, künstlicher Intelligenz oder der Blockchain. Zudem können Start-ups und andere Unternehmen Zusatzdienste auf der Plattform anbieten.
Was genau bringt das den Unternehmen?
Durch die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge ändert sich die Welt fundamental. Überall stecken Sensoren, und Computer übernehmen noch mehr Prozesse. Einfache Tätigkeiten, die Unternehmen viel Zeit und Produktivität kosten, können automatisiert werden und die Menschen können dafür wichtige andere Dinge erledigen. Wir bieten Unternehmen die Werkzeuge, um solche Prozesse zu analysieren und grundsätzlich zu überdenken. Damit wird es möglich, in Echtzeit Geschäftsmodelle zu simulieren, vorherzusagen und ganz neu zu erfinden.
Wieviel Umsatzwachstum versprechen Sie sich von dem neuen Angebot?
Wenn wir es richtig machen, kann Leonardo in zehn Jahren größer sein, als das bisherige SAP.
Das Interview führten Heike Jahberg und Oliver Voß.
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