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Will Krisenländern Unterstützung anbieten: Finanzminister Olaf Scholz (SPD)
© REUTERS

EU-Arbeitslosenfonds: "Deutschland ist nicht nur der nette Geber"

Der Finanzminister plant einen Fördertopf, der Staaten im Krisenfall bei den Sozialleistungen helfen soll. Am Ende soll davon auch Deutschland profitieren.

Rutscht ein europäisches Land in eine schwere Krise, verlieren etliche Menschen ihre Jobs. Nach einem Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) soll sich das Land in einem solchen Fall aus einem EU-Fonds Geld leihen können, um keine Sozialleistungen zu kürzen. Diese Idee des SPD-Politikers wurde in der vergangenen Woche von Politikern aus CDU und FDP heftig kritisiert. Arbeitsmarktexperten hingegen loben den Plan.

„Es geht nicht darum, schwache Länder dauerhaft zu unterstützen und ihnen Geld hinterherzuwerfen“, sagt etwa Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der auch an der Universität Regensburg lehrt. „Es geht um einen Akutfall und die Summe muss zurückgezahlt werden.“ Es handle sich außerdem nicht um eine europaweite Arbeitslosenversicherung, in der Deutsche Beiträge zahlten und Spanier Arbeitslosengeld erhielten.

Die nationalen Sozialsysteme würden weiter bestehen bleiben, jedes für sich, beruhigt der Experte. Aus seiner Sicht wäre der Fonds lediglich ein Zusatz, falls die Arbeitslosigkeit in einem Land von jetzt auf gleich stark steige, das Land mit der Entwicklung allein überfordert sei oder andernfalls tiefe soziale Einschnitte vornehmen müsse. Auch Marcel Fratzscher, der das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung leitet, lobt den Vorschlag von Scholz.

"Deutschland ist nicht nur der nette Geber"

Die Alternative sehe in einer Notlage immerhin so aus: weniger Geld für Rentner, weniger Lohn, weniger staatliche Hilfen. In Griechenland konnten es sich sehr viele Menschen im Zuge der Einsparungen nicht mehr leisten, zum Arzt zu gehen oder ihre Kinder zu impfen. Letztlich schade die Alternative nicht nur dem eigenen Land, sondern auch anderen Staaten, da wohl weniger importiert werden könnte oder milliardenschwere Rettungspakete geschnürt werden müssten.

„Und es ist ja auch nicht so, dass Deutschland nur der nette Geber ist“, sagt Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Wir profitieren sehr vom Euro, den niedrigen Zinsen – und der starke Export führt zu Arbeitslosen in anderen Ländern.“ Den Vorschlag von Scholz unterstützt Schmid zwar, hält ihn aber „auf lange Sicht für nicht ausreichend“. Ihm schwebt eine Lösung von größerem Ausmaß vor. Aufgrund der Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringen werde, bräuchte es vielmehr eine europaweite „Arbeitsversicherung“. Ähnlich wie die, von der die SPD hierzulande seit Jahren spricht.

Damit es zu keinem Missbrauch des Fonds kommt, will Scholz Folgendes: Die Staaten, die mitmachen wollen, müssten bestimmte Mindeststandards einhalten. Ihre Arbeitslosensysteme müssten über den Konjunkturzyklus ausgeglichen sein. Jeder Staat könnte entscheiden, ob er Steuermittel oder Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verwende. Die Höhe, über die noch nichts bekannt ist, richte sich nach der jeweiligen Wirtschaftskraft. Zahle ein Land seinen Kredit spätestens nach fünf Jahren nicht zurück, könnten höhere Beiträge und der Ausschluss von weiteren Krediten die Folge sein. Die Hilfen sollen dazu dienen, Krisen einzudämmen und Staatspleiten zu verhindern.

Die Bundesregierung hat "keine abgestimmte Position"

Kritiker sehen das anders. „Mit der Union wird es keine EU-Arbeitslosenversicherung geben“, sagte Unionsvizefraktionschef Carsten Linnemann, der auch Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung ist, dem „Handelsblatt“. Dies würde „eine Vergemeinschaftung von weiteren Risiken“ bedeuten. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer meinte, darüber könne gesprochen werden, wenn eine grundsätzliche Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erreicht sei. Aus Sicht der Arbeitgeber führe der Ansatz zu „ökonomischer und sozialer Unvernunft“. „Er würde – zu Ende gedacht – in einer nicht gewünschten Transferunion münden“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Debatte wird also auch in Deutschland noch länger andauern. Regierungssprecher Steffen Seibert meinte, es gebe in der Bundesregierung „keine abgestimmte Position“ zu dem Vorschlag.

Zuletzt ist die Arbeitslosenquote in Europa auf den tiefsten Stand seit fast zehn Jahren gefallen. Die Quote sank um 0,1 Punkte auf 8,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat Anfang Oktober mitteilte. Das ist die niedrigste Quote, die seit 2008 im Euro-Raum verzeichnet wurde. Ein Jahr zuvor hatte die Arbeitslosenquote noch deutlich höher bei 9,0 Prozent gelegen. Seit der Hochphase der Euro-Schuldenkrise hat sich die Lage demnach spürbar verbessert. Die Unterschiede zwischen den Euro-Ländern sind allerdings nach wie vor groß: 19 Prozent in Griechenland, 15 Prozent in Spanien. Dagegen steht Deutschland mit einer Quote von rund drei Prozent besonders gut da. Allerdings weicht diese Quote wegen einer anderen Berechnungsgrundlage deutlich von dem Wert der Bundesagentur für Arbeit ab, der zuletzt bei 5,2 Prozent lag.

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