Europäische Arbeitslosenversicherung: Wenn’s ums Geld geht
Streit um EU-Fonds für Arbeitslose.
Der Reflex ist leider immer derselbe. Immer wenn in Berlin ein europapolitischer Vorschlag erdacht wird, der Deutschland irgendwie vielleicht Geld kosten könnte, ertönen aus dem Lager der Konservativen und der Liberalen sofort die üblichen Bedenkenträger: „Das ist ein weiterer Schritt in die Transferunion“, „Europa braucht keine weiteren Umverteilungssysteme“ oder der Klassiker von der „Vergemeinschaftung der Risiken“ werden dann mit sorgenvoller Miene vorgetragen.
Diesmal erwischte es den jetzt bekannt gewordenen Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu einer europäischen Arbeitslosenversicherung. Dabei handelt es sich um einen vorsichtigen, aber sinnvollen Schritt, um die 19 Mitgliedstaaten der Eurozone besser gegen künftige Wirtschaftskrisen und die damit einhergehende hohe Arbeitslosigkeit zu wappnen. Zunächst einmal ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU diesbezüglich Verantwortung übernimmt, konstruktive Vorschläge zur Stabilisierung der Währungsunion macht und seinen Willen zu solidarischem Verhalten demonstriert. Die Kritik aus Unionskreisen ist diesmal besonders wohlfeil, weil Scholz mit seinen Plänen einen Arbeitsauftrag vom deutsch- französischen Gipfeltreffen im Juni dieses Jahres in Meseberg erfüllt. Auch inhaltlich vermögen die Einwände nicht zu überzeugen.
Der von Scholz vorgeschlagene Fonds, in den die Staaten gemäß ihrer Wirtschaftskraft Beiträge einzahlen, soll den Arbeitslosenversicherungen der beteiligten Staaten im Krisenfall Geld leihen, das sie innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen müssen. Damit ließe sich verhindern, dass im Falle eines ökonomischen Schocks die Haushalte der betroffenen Staaten von rasant steigenden Arbeitslosenzahlen finanziell überfordert werden. Auf diese Weise könnten Krisen abgefedert und teure Euro-Rettungspakete vermieden werden.
Bedingungslos gibt es die Hilfe im Übrigen auch nicht, Scholz hat mehrere Sicherungsmaßnahmen eingebaut. Nur wer arbeitsrechtliche Mindeststandards erfüllt und über eine funktionierende Arbeitslosenversicherung verfügt, soll sich überhaupt an dem Fonds beteiligen dürfen. Säumige Zahler können mit dann drohenden Beitragserhöhungen diszipliniert werden. Transfers, Umverteilung oder Vergemeinschaftung von Risiken sind daher nicht zu erwarten. In den USA funktioniert eine solche Arbeitslosen-Rückversicherung zwischen den Bundesstaaten schon lange. Die Groko täte gut daran, dieses solidarische Projekt auf europäischer Ebene voranzutreiben. Das Kapitel 1 des Koalitionsvertrags heißt schließlich „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Viel bemerkt hat man davon bisher allerdings nicht.