Auf Schrumpfkurs: Deutsche Bank will 200 Filialen schließen
Wegen Verfehlungen aus der Vergangenheit sinkt der Gewinn der Deutschen Bank deutlich. Nun spart sie kräftig ein: 3,5 Milliarden Euro - jährlich. Wie viele Jobs das kostet, behält das Management noch für sich.
3,5 Milliarden Euro Einsparungen - jährlich. Am Montagmorgen kommt die Deutsche Bank mit Details aus ihrem Zukunftsprogramm aus der Deckung. Wie das größte deutsche Kreditinstitut in Frankfurt am Main mitteilt, soll ein Großteil über "Effizienzsteigerungen" erreicht werden. Der Rest solle erzielt werden, in dem sich die Bank "aus unprofitablen Geschäften zurückzieht, ihre geografische Präsenz optimiert und ihr Filialnetz reduziert".
Im Klartext heißt das: Das Privatkundengeschäft wird deutlich eingedampft. 200 der rund 700 Filialen schließen in den kommenden zwei Jahren, das digitale Angebot dagegen wird bis 2017 deutlich ausgebaut. Wie viel von den 3,5 Milliarden jährlich Personalkosten sind, wie viele Stellen also wegfallen, wurde zunächst nicht bekannt.
Bis zu einer Milliarde Euro kostet es den Angaben zufolge, die Bank in die digitale Gegenwart zu bringen. Angesichts des enormen Betrags wohl ein Trend, den das Management des Geldhauses um die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen verschlafen hat. Allein im Privatkundengeschäft sollen bis zum Ende des Jahrzehnts 500 Millionen Euro in die Digitalisierung investiert werden - etwa in computergestützte Beratung mit weniger Personalaufwand. Oder, um in der Sprache der Bank zu bleiben: "Entwicklung neuer Kundenangebote".
Mehr persönliche Betreuung als bisher soll es hingegen für Kunden mit ein paar Euro mehr geben. Jain und Fitschen wollen die Vermögensverwaltung - ein Segment, in das auch die Konkurrenz zuletzt konsequent investiert hat - weiter ausbauen: um bis zu zehn Prozent jährlich. Dazu würden die Zahl der Kundenbetreuer in Kernmärkten um 15 Prozent erhöht und neue Produkte entwickelt.
Im Tagesgeschäft ist die Bank stark
Sieben Jahren nach Ausbruch der Finanzkrise kämpfen Jain und Fitschen noch immer mit den Lasten der Vergangenheit. Weil die beiden Chefs der Deutschen Bank weitere 1,5 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten zurücklegen mussten, bleibt im ersten Quartal unter dem Strich nur wenig übrig. Das zeigen die Zahlen, die die Deutsche Bank am Sonntagnachmittag veröffentlichte: Der Gewinn nach Steuern lag in den ersten drei Monaten gerade einmal bei 559 Millionen Euro. Vor einem Jahr war der Profit noch doppelt so hoch ausgefallen.
Dabei laufen die Geschäfte eigentlich wieder ganz ordentlich. Gerade im Investmentbanking verdient die Deutsche Bank gut. Die Kapitalmarktsparte – also das Geschäft mit Anleihen, Derivaten, Börsengängen und Fusionen – hat 643 Millionen Euro zum Vorsteuerergebnis beigetragen. Das heißt: Die Deutsche Bank ist ausgerechnet in der Sparte stark, die hauptverantwortlich dafür ist, dass die Juristen des Hauses derzeit so viel zu tun haben und die Kosten für Rechtsstreitigkeiten immer weiter steigen. Erst in der vergangenen Woche hatten sich die Banker mit den Behörden in den USA und Großbritannien auf eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Euro geeinigt. Der Grund: Händler der Bank sollen wichtige Referenzzinsen wie den Libor manipuliert haben.
Jain und Fitschen würden all das wohl am liebsten so schnell wie möglich hinter sich lassen. Sie bemühten sich am Sonntag um Zuversicht. Ihr Institut stehe „heute deutlich stärker da als zu Beginn des Weges 2012“ – also zu dem Zeitpunkt, als die beiden die Führung des Konzerns von Josef Ackermann übernommen haben. Die Aktionäre sind mit der Arbeit des Duos dagegen nicht zufrieden gewesen. Denn wichtige Ziele, die sich Jain und Fitschen vor drei Jahren gesteckt hatten, haben sie nicht erreicht. So hatten die Chefs für dieses Jahr ursprünglich mal einen Eigenkapitalrendite von zwölf Prozent angestrebt. Im ersten Quartal lag diese wichtige Kennziffer – die zeigt, wie gut sich das Eigenkapital verzinst hat – gerade einmal bei 3,1 Prozent.
Die Deutsche Bank trennt sich von der Postbank
Jain und Fitschen geben sich dennoch optimistisch. Und Zuversicht werden sie auch brauchen. Schließlich haben sie sich viel vorgenommen: Die Vorstandsvorsitzenden wollen die Deutsche Bank neu aufstellen. Das Haus soll wieder rentabler werden und mit der Konkurrenz im Ausland mithalten können. Am Sonntag sagten die beiden: „Wir starten in die nächste Phase unserer Strategie aus einer Position der Stärke.“ Gerade erst haben Jain und Fitschen sich zusammen dem Aufsichtsrat auf das neue Konzept für die Zukunft des Hauses verständig.
Klar ist auch: Der Konzern trennt sich von der Postbank. Bei der Hauptversammlung der Tochter im August soll die Zwangsabfindung (Squeeze Out) der noch verbliebenen Anteilseigner beschlossen werden. Bis Ende 2015 will die Bank dann der alleinige Eigentümer der Postbank sein. Möglich ist die Zwangsabfindung durch den jüngsten Kauf von Anteilen an der Postbank auf dem Markt. So stieg der Anteil auf zuletzt 96,8 Prozent und kletterte damit über die für einen Squeeze Out wichtige 95-Prozent-Marke. Bis Ende 2016 will die Deutsche Bank die Tochter dann wieder an die Börse bringen und ihren Anteil dabei auf weniger als 50 Prozent senken.
Auch das Investmentbanking soll schrumpfen. Sanierungsbedarf besteht hier vor allem im Geschäft mit den Hedgefonds.
Manchen Investoren ist der Umbau nicht radikal genug
Die neue Strategie ist ein Einschnitt. Es hätte allerdings härter kommen können. Denn trotz Schrumpfkur hält der Konzern weiter an dem Modell der Universalbank fest. Das heißt: Die Deutsche Bank wird auch in Zukunft sowohl bodenständiges Filialgeschäft als auch das zum Teil riskante Investmentbanking betreiben. Viele der Banker im Haus hatten sich das so gewünscht. Manchen Investoren geht dieser Schritt indes nicht weit genug. „Das ist nicht der große Wurf, den der internationale Kapitalmarkt wohl erwartet hat“, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) am Sonntag.
Viele Investoren hätten es lieber gesehen, wenn die Bank sich komplett von ihrem Privatkundengeschäft getrennt hätte. Auch diese Option haben Vorstand und Aufsichtsrat durchgespielt. Am Ende sollen sie aber zu dem Schluss gekommen sein, dass das gesellschaftlich nicht durchsetzbar sei. Schließlich sind es die Filialen, die die Bank in Deutschland nach außen repräsentieren. Wären sie komplett weggefallen, hätten sich Jain und Fitschen fragen lassen müssen, wie deutsch die Deutsche Bank denn noch sei. Dieser Auseinandersetzung wollten die beiden Vorstandschefs wohl aus dem Weg gehen.
Vor drei Jahren präsentierte die Bank schon einmal eine neue Strategie
Aktionärsschützer Nieding kritisiert, dass die beiden Bankchefs so unentschlossen sind. Erst bei ihrem Amtsantritt vor drei Jahren hatten sie schließlich eine neue Strategie vorgelegt. Weil sie die Ziele aber nicht halten konnten, folgt nun die nächste Kehrtwende. Nieding fragt daher in Richtung der beiden Bankchefs: „Welche Halbwertzeit haben eigentlich Aussagen bei der Strategie?“ Aus seiner Sicht gilt das vor allem für den Umgang mit der Postbank. Vor Jahren hätte der Konzern noch erklärt, wie wichtig die Postbank für sie sei.
Josef Ackermann hatte die kleinere Filialbank vor sieben Jahren gekauft, um das Investmentbanking und das Privatkundengeschäft besser auszubalancieren. Bis zuletzt hat die Postbank dem Mutterkonzern stets einen Gewinn überwiesen: Im vergangenen Jahr waren es immerhin 457 Millionen Euro.
Dass die Deutsche Bank sich nun dennoch von dem kleineren Institut trennt, liegt aber auch nicht an den Zahlen: Der Konzern will seine Bilanzsumme verkleinern. Das soll helfen, besser mit der strengeren Regulierung umzugehen. Denn das Haus musste zuletzt immer mehr Eigenkapital für Krisenzeiten zurücklegen, und das hat den Geschäftsspielraum zunehmend verengt. (mit AFP)