Abschied von der Postbank: Die Deutsche Bank stellt sich neu auf
Die Deutsche Bank trennt sich von der Postbank und verkleinert das Investmentbanking. Warum Deutschlands größtes Geldinstitut schrumpfen will.
Der Druck auf die beiden Chefs der Deutschen Bank war groß. So groß, dass Anshu Jain und Jürgen Fitschen sich etwas einfallen lassen mussten. Eine neue Strategie wollten die Aktionäre sehen. Eine Strategie, die die Bank wieder zu dem machen würde, was sie einmal war: eine stolze Großbank, die mit der starken Konkurrenz in New York und London mithalten kann.
Über Monate haben Jain und Fitschen verschiedene Möglichkeiten für den Umbau ihres Hauses durchgespielt. Jetzt ist die Entscheidung gefallen: Die Deutsche Bank wird sich von ihrer Mehrheit an der Postbank trennen. Auch das Investmentbanking soll schrumpfen – also das Geschäft mit Anleihen, Derivaten, Börsengängen und Fusionen. Darauf haben sich Vorstand und Aufsichtsrat am späten Freitagabend geeinigt. Wie Jain und Fitschen sich den Umbau im Detail vorstellen, wollen sie am Montag erläutern.
Ihre früheren Versprechen konnten Jain und Fitschen nicht halten
Für die beiden Bankchefs bedeutet dieser Strategiewechsel einen Neuanfang. Denn von ihren Zielen, die sie sich bei ihrem Amtsantritt vor drei Jahren gesetzt hatten, ist wenig übrig geblieben. Damals, im Sommer 2012, hatten sie sich schon einmal vorgenommen, die Bank neu zu erfinden. Sie wollten eine andere Kultur etablieren. Kosten sparen. Die Rendite steigern. Dabei waren Jain und Fitschen so optimistisch, so voller Tatendrang. Ihre Strategie, mit der sie nach der Ära Ackermann eigene Akzente setzen wollten, nannten sie „2015+“. Denn in diesem Jahr sollte ihre Vision Realität werden, in diesem Jahr sollte die Bank die Krise endgültig überwunden haben.
Doch heute? Heute ist die Deutsche Bank eine Baustelle. Die Geschäftszahlen bleiben hinter den Erwartungen der Investoren zurück, während die Konkurrenz im Ausland davonzieht. Auch der Aktienkurs hat sich seit der Finanzkrise nicht vollständig erholt – und das trotz immer neuer Rekorde an der Börse.
Deutsche Bank in mehr als 1.000 Rechtsstreitigkeiten verwickelt
Dazu kommen die vielen Rechtsstreitigkeiten, in die das Haus verwickelt ist. Erst diese Woche einigte sich die Bank im Skandal um manipulierte Zinssätze mit den Behörden in den USA und Großbritannien auf eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar. Ab Dienstag steht dann Ko-Chef Fitschen vor Gericht: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Prozessbetrug im Fall Kirch vor. Und nun könnte auch noch sein Kollege Jain ins Visier der Ermittler geraten. Bei einer hausinternen Untersuchung sind Dokumente aufgetaucht, die darauf hindeuten, dass der Investmentbanker frühzeitig von Betrugsrisiken im Handel mit Co2-Zertifikaten gewusst haben könnte.
Bei all dem Streit, den mauen Zahlen, den Enttäuschungen der Investoren, scheinen der Kulturwandel und die neuen Werte, die Jain und Fitschen eigentlich so wichtig sind, unterzugehen. Doch wie konnte es so weit kommen? Warum muss die Bank sich neu erfinden? Warum reichte der Wertewandel nicht aus?
Die Deutsche Bank ist ein Institut, das alle Finanzdienstleistungen aus einer Hand anbietet. Sie betreibt Filialen, kümmert sich um Privatkunden, Mittelständler und Konzerne. Sie verwaltet große Vermögen, sie betreut Übernahmen und Börsengänge, sie bringt Anleihen auf den Markt. Sie macht alles: vom bodenständigen Filialgeschäft bis zum teils riskanten Investmentbanking. Experten sprechen von einer Universalbank.
Die Finanzkrise hat alles geändert
Mit diesem Konzept ist die Deutsche Bank lange gut gefahren. Bis die Finanzkrise kam – und die Bankenwelt sich grundlegend wandelte. Seitdem wird die schiere Größe für den Deutsche-Bank-Konzern zunehmend zum Nachteil. Sie macht ihn schwerfällig. So trifft die Regulierung das Institut besonders hart: Die Aufsichtsbehörden stellen immer neue Anforderungen, immer wieder musste sich die Bank deshalb in den letzten Jahren frisches Kapital besorgen – und sei es von einem Scheich aus Katar.
Gleichzeitig steht der Konzern wie alle Finanzhäuser vor großen Herausforderungen: Auch die Deutsche Bank spürt die extrem niedrigen Zinsen. Will sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, muss sie draufzahlen. Gleichzeitig steigen jedoch die Kosten, zum Beispiel weil neue Investitionen in den Ausbau der Digitalisierung nötig werden.
Das Institut soll eine Universalbank bleiben
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen haben Jain und Fitschen lange darum gekämpft, das Modell der Universalbank fortzuführen. Etwas anderes kam für sie nicht infrage. Nur: Die Konkurrenz hat sich in der Zwischenzeit neu aufgestellt. So hat die britische Großbank Barclays zum Beispiel einen drastischen Sparkurs eingeleitet und das Investmentbanking zusammengestrichen. Auch die Royal Bank of Scotland schrumpft und verkauft ihr Fondsgeschäft. Die Schweizer UBS konzentriert sich stärker auf die Vermögensverwaltung. Alle drei Institute haben früher und konsequenter als die Deutsche Bank das Ziel ausgegeben, schlanker und flexibler zu werden. Mit ihrer neuen Strategie sind die Bankchefs Jain und Fitschen daher spät dran.
Dabei ist es nicht so, als wäre seit dem Amtsantritt des Duos gar nichts passiert. In den vergangenen drei Jahren sind Jain und Fitschen durchaus ein Stück vorangekommen, was sich zum Beispiel am 2014 deutlich gestiegenen Vorsteuergewinn ablesen lässt. Doch reicht das nicht. Mit den Großbanken in den USA, mit denen sich die Deutsche Bank messen lassen will, kann sie nicht mehr mithalten. Das Institut hat im vergangenen Jahr einen Nettogewinn von 1,7 Milliarden Euro ausgewiesen. Das klingt viel – doch kommen die US-Konkurrenten auf zwei bis drei Mal höhere Werte.
Experten halten die Entscheidung der Deutschen Bank für richtig
Zur Verteidigung der Deutschen Bank muss man sagen: Sie hat es in Europa schwer. So hat sich die Wirtschaft in den USA nach der Krise schnell erholt, während es in der EuroZone nur langsam vorangeht. Das führt in den USA bei höheren Zinsen zu einer stärkeren Kreditnachfrage und lukrativen Geschäften für die Banken. Gleichzeitig hat die Deutsche Bank aber auch hausgemachte Probleme. Sie hat zum Beispiel die Vermögensverwaltung für die besonders reichen Kunden lange vernachlässigt – während die Konkurrenz diesen Bereich ausgebaut hat.
Die neue Strategie, auf die sich Vorstand und Aufsichtsrat nun geeinigt haben, ist ein Mittelweg. Die Deutsche Bank hält am Modell der Universalbank fest, verkleinert jedoch sowohl das Privatkundengeschäft als auch das Investmentbanking. Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim findet das richtig. „Die Risiken sind so besser gestreut und die Finanzierung steht auf einer stabileren Basis“, sagt er. Bis zuletzt hatten die Banker auch darüber diskutiert, sich komplett vom Privatkundengeschäft zu trennen. Dafür hätte es aber keine „gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland gegeben“, meinen Gewerkschafter.
Dass die Deutsche Bank jetzt mit dem Verkauf der Postbank in erster Linie im Privatkundengeschäft schrumpfen will, kommt nicht überraschend. Anders als für die Sparkassen oder die Commerzbank war die Filiale um die Ecke für die Deutsche Bank nie die Kernkompetenz. Noch bevor das Institut hierzulande Zweigstellen eröffnet hat, war es bereits in London, Schanghai und Yokohama vertreten. Wichtig war und ist für die Deutsche Bank das Geschäft mit den Großkunden und die Präsenz im Ausland. Daran halten Jain und Fitschen fest.