Weinernte 2016: Der Spätsommer rettet den Jahrgang
Kälte, Pilze, Fliegen und Sonnenbrand: Das Jahr 2016 war für die deutschen Winzer extrem herausfordernd.
Es waren zwar nicht die sieben biblischen Plagen, aber es kam doch einiges zusammen: späte Fröste, Hagel, Pilzinfektionen, in manchen Regionen auch Erdraupen und die Kirschessigfliege, schließlich Sonnenbrand. 2016 war der schwierigste Wein-Jahrgang dieses Jahrhunderts. Dass am Ende doch noch reife, gesunde und aromatische Trauben auf der Kelter lagen, erschien manchen Winzern wie ein Wunder. „Im Juli hatten wir den Jahrgang schon fast abgeschrieben“, sagt der schwäbische Winzer Rainer Schnaitmann, „es war ein großer Kampf“. Und der Pfälzer Philipp Kuhn, Gewinner des deutschen Rieslingpreises, meint lakonisch: „Der da oben hat gemerkt, dass er viel Mist gebaut hat, deshalb gab's am Ende acht Wochen Sonne und perfekte Lesebedingungen.“
In Österreich und im Burgund waren die Schäden durch Hagel und Spätfröste teilweise so verheerend, dass in manchen Weinbergen Totalausfälle zu verzeichnen waren. Da hatten die deutschen Winzer noch Glück. Sie kämpften im späten Frühjahr und im Frühsommer gegen extrem aggressive Pilzinfektionen durch den Falschen Mehltau. Im Rheintal mussten vor allem die Biowinzer schon während der Blüte erste Einbußen hinnehmen. Ende August litten die Trauben bei großer Hitze mit Temperaturen von bis zu 38 Grad unter Sonnenbrand. Dann verfärben sich die Traubenhäute bis sie fast schwarz werden. „Doch irgendwann“, sagt Lotte Pfeffer vom rheinhessischen Weingut Gebrüder Becker, „da hatte der liebe Gott ein Einsehen“. Die Schönwetterperiode des Spätsommers sorgte für ein unerwartetes Happy End.
Rheinhessen litt besonders unter Pilzinfektionen
Die Weinlese selbst war in vielen Anbaugebieten sogar richtig entspannt, weil Fäulnis in diesem Jahr kein Thema war. Die Trauben waren gesund, es gab keinen Grund für eine hektische Tempolese, die Winzer konnten den optimalen Reifezeitpunkt abwarten. Die Erntemenge liegt in vielen Betrieben unter dem langjährigen Durchschnitt, die Qualität der Trauben ist gut, in vielen Gebieten sogar sehr gut. Die Säurewerte sind meist etwas niedriger als im Vorjahr, ein Ergebnis der Hitze im August und September.
Rheinhessen, das größte deutsche Anbaugebiet, litt neben der Pfalz am heftigsten unter den Pilzinfektionen. Bei den Biowinzern, die keine synthetischen Pestizide ausbringen dürfen, reichten die Kupferspritzungen in manchen Gebieten nicht aus, um den Falschen Mehltau zurückzudrängen. Lotte Pfeffer verlor bei der Scheurebe 90 Prozent der Trauben. Am Ende erntete ihr Weingut ein Drittel weniger und musste Trauben zukaufen. Pfeffer fordert vehement, das alte Pflanzenstärkungsmittel Kaliumphosphonat wieder für den Bio- Weinbau zuzulassen, um für solche Krisen gewappnet zu sein.
Keine zehn Kilometer weiter, in Nackenheim bei Nierstein, hat das für seine Spitzenrieslinge bekannte Weingut Gunderloch „enormes Glück gehabt“. In den Steillagen am berühmten Roten Hang floss der Regen schneller ab, die Feuchtigkeit konnte sich nicht so lange halten, der Pilzbefall war noch zu bändigen. Für Juniorchef Johannes Hasselbach ist der Jahrgang eine Riesenüberraschung, denn am Ende brachte er „reife und traumhaft gesunde Trauben“.
Die Kirschessigfliege machte sich im Schwäbischen breit
Im Schwäbischen bimmelten beim Weingut Aldinger alle Alarmglocken. Die Kirschessigfliege, seit fünf Jahren Stammgast in deutschen Weinbergen, hatte im Sommer eine hohe Populationsdichte erreicht und sich in den Obstkulturen bereits über Kirschen und Beeren hergemacht. Die Augusthitze stoppte dann aber den Vermehrungszyklus. „Und unser Frühwarnsystem hat gut geklappt“, sagt Matthias Aldinger. Die Lemberger- Trauben des Fellbacher Weinguts hat es aber erwischt, sie mussten vorzeitig gelesen werden, die anderen Anlagen blieben verschont. Aldingers Fazit: „Wir haben gerade noch die Kurve gekriegt, 2016 wird ein guter Jahrgang.“
Mengeneinbußen von rund 20 Prozent verzeichnet das Pfälzer Spitzenweingut Rings. Der Charakter des neuen Jahrgangs sei gegenüber 2015 etwas leichter, aber mit Mostgewichten um die 90 Oechsle „wunschgemäß, wir wollen keine hohen Alkoholwerte“. Die Spitzenweine des Jahrgangs dürften mit 12,5 Volumenprozent auf die Flasche kommen. Wegen der Hitze waren die Schalen der Rotweintrauben dick, „das gibt eine gute Tanninstruktur“, sagt Andreas Rings. Bei eher niedrigen Erträgen stimmt auch die Konzentration der Moste.
Mosel-Winzer Reinhard Löwenstein hatte schon Mitte Oktober seine Trauben im Keller: „Wir haben viele schöne Sachen gelesen, lieber wenig und gut, als viel und schlecht.“ Einige Wochen vor Lesebeginn konnte man seine Helfer mit Grubenlampen im Weinberg beobachten. Sie gingen auf die Pirsch, um Erdraupen zu sammeln, die sich heftig vermehrt hatten und im Dunkeln an den Rebstöcken hochkrabbelten. „Wir haben einige Tausend zu Hühnerfutter verarbeitet“, sagt Löwenstein. Fazit des Jahrgangs 2016: turbulent und herausfordernd.
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