Commerzbank-Vorstand im Interview: „Der Mittelstand findet China verlässlicher als die USA“
Die Mittelstandsstudie der Commerzbank offenbart Sorge um Planungssicherheit und eine Konjunktureintrübung. Firmenkunden-Vorstand Reuther über die Gründe dafür.
Die Commerzbank hat am Montag ihre aktuelle Mittelstandsstudie vorgestellt. Im Interview erläutert der Vorstand für Firmenkunden, Michael Reuther, die Ergebnisse.
Der 60-Jährige ist noch bis September 2019 im Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Bank. Im vergangenen Jahr hatte er angekündigt, seinen bis September 2019 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.
Herr Reuther, ist die Internationalisierung für deutsche Unternehmen weiter bedeutsam?
Die internationalen Märkte sind unverändert sehr wichtig, insbesondere für den Mittelstand, für Absatz und für die Produktion. 52 Prozent der Firmen setzen weiter auch auf das Ausland. Allerdings ist der Anteil der Firmen, die noch nicht exportieren, das aber vorhaben, im Vergleich zur unserer letzten Umfrage von 2013 leicht gesunken. Die kleineren Firmen schauen stärker auf die EU, das erscheint ihnen sicherer und verlässlicher. Größere Unternehmen fokussieren sich auf neue Auslandsmärkte. Dabei spielen auch Schwellenländer eine große Rolle.
Welchen Einfluss hat der Brexit?
Die Unsicherheit ist sehr groß. Die Unternehmen hatten sich auf den 29. März eingestellt, nun soll es der 31. Oktober sein. Ob es so kommt, weiß niemand. Kein von uns betreutes Unternehmen hat nach dem Referendum in Großbritannien investiert. Es ist aber auch keines gegangen.
Bremst die geopolitische Situation die Internationalisierung insgesamt?
Die aktuelle Situation ist für das Investitionsverhalten im Ausland fraglos relevant. Die im Ausland aufgebauten Anlagen sind nicht mehr so gut ausgelastet, die Auftragsbücher nicht mehr ganz so gut gefüllt. Die geopolitischen Unsicherheiten hemmen die Investitionsbereitschaft, ergo zögern die Unternehmen. Dazu gesellt sich die Sanktionspolitik der USA, etwa mit Blick auf den Iran. Die Türkei ist wirtschaftspolitisch schwierig. Auch Russland.
Welche Rolle spielt der zunehmende Protektionismus?
Natürlich verunsichert der Handelskonflikt zwischen den USA und China auch den Mittelstand. Die USA selbst sind aber weiter interessant. Das zeigt sich unter anderem daran, dass zusätzlich zu den 41 Prozent der bereits in die USA exportierenden Unternehmen weitere 16 Prozent der Exporteure das Land als potenziellen Absatzmarkt einstufen. Noch gibt es auch keine höheren Zölle für EU-Produkte. Potenziell wird es aber vor diesem Hintergrund interessanter, in den USA zu investieren, statt nur zu exportieren. Einige Unternehmen denken bereits in diese Richtung.
Ihrer neuen Mittelstands-Studie zufolge halten die Unternehmen China für zuverlässiger als die USA. Woran liegt das?
China wird mittlerweile mit Blick auf Verlässlichkeit den USA und auch Großbritannien vorgezogen. Das ist ein erstaunlicher Wandel. 30 Prozent der Unternehmen bewerten die Rahmenbedingungen in China als gut, aber aktuell nur 17 Prozent in den USA. Das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.
Viele Jahre war die Angst groß, die Chinesen würden hemmungslos kopieren.
Mangelnder Schutz geistigen Eigentums wird generell als ein Problem genannt. Allerdings steht diese Herausforderung nicht im Mittelpunkt. Vielmehr nennen die Unternehmen vor allem bürokratische Anforderungen sowie politische Unberechenbarkeiten und Instabilitäten. Zu China ist aktuell zudem zu sagen, dass Produktionsstandorte mittlerweile zu fast einem Drittel in das Reich der Mitte verlagert werden. Das unterstreicht die aktuelle und künftige Bedeutung des Standorts.
Welche Branchen denken an eine weitere Internationalisierung?
Aktuell ist das Interesse breit gestreut. Vor allem Autozulieferer schauen auf den Paradigmenwechsel bei der Mobilität, weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität, und wie sich dieser Trend auf den internationalen Märkten entwickelt. Steht der Besitz eines Autos künftig im Vordergrund, oder geh es um die gemeinsame Nutzung? Wie wichtig ist das Auto als Datenlieferant? Auch bei Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit können deutsche Firmen wichtige Impulse liefern.
Müssen Banken die Unternehmen beim Gang ins Ausland stärker unterstützen?
Die Unternehmen erwarten zu Recht Hilfestellung bei ihren Auslandsgeschäften, etwa bei der Absicherung beherrschbarer Risiken. Auch die Frage der Sanktionen stellt sich: In welche Länder kann noch mit vertretbarem Risiko exportiert werden? Wir müssen die Unternehmen im oft noch dichten bürokratischen Dschungel vor Ort unterstützen.
Sind deutsche Banken dafür im Ausland ausreichend gut vertreten?
Die Commerzbank finanziert rund 30 Prozent des deutschen Außenhandels und unterstützt den breiten Mittelstand mit einem Umsatz zwischen fünf und 250 Millionen Euro bei Geschäften und Investitionen auch im Ausland. Sparkassen und Volksbanken kümmern sich um den kleineren Mittelstand, bei Großunternehmen spielt neben uns die Deutsche Bank eine wichtige Rolle. Diese Aufteilung hat sich bewährt. Deutsche Unternehmen haben weiter sehr leistungsfähige inländische Banken im Auslandsgeschäft an ihrer Seite.