zum Hauptinhalt
Im Rahmen. „Salvador Mundi“ von Leonardo da Vinci wurde für 450 Millionen Dollar versteigert.
© Stephen Chung/imago

Spielplatz der Milliardäre: Der Kunstmarkt boomt

Immer mehr Superreiche kaufen Kunst. Das lässt die Preise steigen. Die Auktionshäuser reagieren auf die neue Kundschaft.

Als im April mehr als 3500 Einrichtungsgegenstände aus der fast 130-jährigen Geschichte des kürzlich renovierten Pariser Luxushotels Ritz versteigert wurden, konnten sich auch Interessenten mit kleinem Geldbeutel etwas Glamour nach Hause holen: Denn zum Verkauf kamen auch Bademäntel, Vorhänge oder Stühle. Organisiert wurde die Versteigerung, an der man auch online teilnehmen konnte, vom Pariser Auktionshaus Artcurial.

„Die Anlage in Kunst sowie generell in alles, was schön ist, hat sehr zugenommen. Sichtbar ist viel Geld im Markt und diese Transparenz wird durch die sozialen Medien erhöht“, sagt Astrid Lilja, Kulturmanagerin und Inhaberin der Berliner art+economy sowie Spezialistin für Kunst als Investment. Alte Kunst, Werke der klassischen Moderne und zeitgenössische Kunst sind genauso gefragt wie Weine, Sammlerautos, Uhren, Schmuck, Comics oder edle Rennpferde. 2017 war ein Jahr der Rekorde für den weltweiten Auktionsmarkt. Etwas von diesem Trend dürfte auch auf der Berlin Art Week zu spüren sein, die am Mittwoch (26. September 2018) beginnt.

Ein Werk von Leonardo da Vinci erzielte einen Rekordwert

Absoluter Rekordwert waren die 450 Millionen Dollar, die Branchenführer Christie’s im November 2017 in New York für das Werk „Salvator Mundi“ von Leonardo da Vinci einfuhr. In diesem Jahr ist das Bild gemischter. Während Modiglianis „Liegender Akt“ von 1917 bei Sotheby’s für 139 Millionen Euro (ohne Aufpreis) wegging, floppten andere Angebote. „Der Kunstmarkt erlebt wie der Aktienmarkt Hoch- und Tiefphasen“, erklärt Lilja.

Eine entscheidende Rolle in der Branche spielen neben großen Messen wie der Tefaf in Maastricht oder der Art Basel mit ihren Ablegern in Hongkong und Miami Beach die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s. Marktführer Christie's gehört dem französischen Investor und Kunstsammler François Pinault, der auch den Luxusgüterhersteller Gucci oder das Weingut Chateau Latour zu seinem Reich zählt. Sotheby’s ist die älteste Gesellschaft, die an der New York Stock Exchange (NYSE) gelistet ist. Um möglichst hohe Kommissionen und Prämien zu kassieren, investieren die Auktionshäuser gern in Künstler, deren Marktpotenzial aus ihrer Sicht nicht ausgeschöpft ist und noch hohes Steigerungspotenzial bietet. Wie hoch Kommissionen und andere Prämien im Markt sind, ist undurchsichtig.

Die Zahl der Superreichen in der Welt wächst rapide. Während sie noch vor 15 Jahren fast ausschließlich aus Europa und den USA stammten, kommen sie heute aus der ganzen Welt“, sagte Nicolas Orlowski, Chef von Artcurial, einem großen Pariser Auktionshaus, das sich in den vergangenen Jahren zu einem starken Konkurrenten für Sotheby’s und Christie’s entwickelt hat, dem Tagesspiegel. Er geht davon aus, dass sich die Zahl der Milliardäre, heute laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ gut 2000, in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird.

Die Wertsteigerungen sind oft größer als bei Aktien

Diese Klientel ist bereit, Unsummen für Kunstwerke, Oldtimer oder edle Weine auszugeben. Gespeist werden solche Kaufaktionen nach Ansicht von Bruno S. Frey, Kunst- und Kulturökonom aus der Schweiz, aus dem „Verlangen, Geld anzulegen, und dem Glauben, dass diese Kunstwerke nachher mehr Geld wert sind“. Laut Sotheby’s verzeichnete der Kunstmarkt im Zeitraum von 1970 bis 2016 jährliche Wertsteigerungen von durchschnittlich 19 Prozent. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sei die Wertentwicklung in den letzten Jahrzehnten fast immer besser als die Investition etwa in die Werte des Indices Standard & Poor’s 500. Frey betont eher die „psychische Rendite“. Anders als Aktien bieten solche Investitionen schließlich auch ästhetischen Genuss.

Um sicherzugehen, konzentrieren sich steinreiche Sammler häufig auf die Ikonen eines etablierten Weltgeschmacks, in dem Werke von Andy Warhol, Francis Bacon, Gerhard Richter oder Jeff Koons, ähnlich wie Weltmarken, nicht nur einen Statusgewinn, sondern auch ökonomische Sicherheit verheißen. Der Zeitschrift „Artnet“ zufolge werden 50 Prozent der Auktionsumsätze mit zeitgenössischer Kunst weltweit mit nur 25 Künstlern erzielt. Demgegenüber sind frühere Kennzeichen erlesenen Geschmack wie ausgewählte Tapisserien, mittelalterliche Skulpturen und alte Meister heute weniger gefragt. Eine Ausnahme stellt laut Lilja die Messe Tefaf in Maastricht dar, bei der viele Käufer „sehr großes Fachwissen besitzen“.

Die Kunden wollen nicht nur bei Kunst beraten werden

Ohnehin werden Kunden heute umfassender betreut. So hat Artcurial gerade den 150 Jahre alten Luxusmakler John Taylor übernommen. John Taylor ist in 14 Ländern, darunter Deutschland und die Schweiz, vertreten und hat 6000 Immobilienprojekte im Gesamtwert von 14 Milliarden Euro im Portfolio. Besonders wertvoll für Artcurial ist die internationale Kundendatei mit 50 000 Adressen.

„Viele unserer Kunden erwarten Beratung und Begleitung weltweit – ob sie eine Immobilie kaufen, Möbel, einen Oldtimer oder Gemälde“, erklärt Orlowski. „Wir bilden unsere Mitarbeiter künftig so aus, dass sie für die Kunden wie ein persönlicher Begleiter und Ratgeber da sind.“ Lilja bestätigt: „Wer sehr viel Geld hat, lässt sich gern auch durch Berater leiten.“ Luxusimmobilien bleiben nach Einschätzung von Dan Conn, CEO von Christie’s internationaler Immobilientochter, trotz politischer und ökonomischer Schwankungen „attraktive und lukrative Investments“.

Auch der deutsche Markt wächst

Es tun sich immer neue Marktsegmente auf. Artcurial setzt etwa stark auf Design des 20. Jahrhunderts. „Wir sind aber auch sehr innovativ“, sagt Orlowski. Mit Street-Art, Comics und Sammlerautos erlöst Artcurial rund ein Drittel des Umsatzes. Gemeinsam mit Prinz Karim Aga Khan IV, einem der reichsten Männer der Welt, gehört Artcurial außerdem das auf Pferdeauktionen spezialisierte Unternehmen Arqana. Referenzaktionär bei Artcurial ist die Familie Dassault. Laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hat die Industriellenfamilie ein Vermögen von 16,1 Milliarden Dollar.

Orlowski blickt bei seiner internationalen Expansion nicht nur auf China, die USA oder den arabischen Raum. „Der deutsche Markt interessiert uns sehr und wir haben dort schon viele Kunden. Wir möchten unsere Aktivität dort aber noch wesentlich erweitern.“ Durch das neue Kulturschutzgesetz, das Verkäufe von Kulturgütern ins Ausland erheblich erschwert, ist der hiesige Markt laut Lilja in Bewegung: „Da wird einiges passieren.“

Gerhard Bläske

Zur Startseite