Steigende Exporte: Der Gewinner des Handelsstreits heißt Vietnam
Das südostasiatische Land profitiert vom Handelskonflikt zwischen den USA und China. Dem US-Präsidenten wird das jedoch zu viel.
Wenn die USA und China beim G-20-Gipfel in Japan über ihre Handelsbeziehungen streiten, sitzt ein großer Gewinner nicht mit am Tisch: Vietnam. Still und heimlich konnte das südostasiatische Land seine US-Exporte seit Jahresbeginn um rund 40 Prozent steigern, glaubt man den Zahlen der US-Handelsbehörde. Vor allem Smartphones und Computer sowie Kleidung verkauften sich prächtig.
Der Grund: Chinesische Exporte in die USA sind im selben Zeitraum wegen des Handelsstreits mit den Amerikanern teils drastisch gesunken. So verkaufte China gut ein Viertel weniger Smartphones und rund 13 Prozent weniger Computer. In einer aktuellen Umfrage gab jedes dritte US-Unternehmen in China an, das Land verlassen zu wollen – viele in Richtung Vietnam.
Selbst große Hersteller erwägen mittlerweile, dorthin umzuziehen. Berichten zufolge plant der taiwanesische Apple-Zulieferer Foxconn, ein neues Werk mit etwa 3000 Arbeitsplätzen in der Nähe von Halong City zu bauen. Nach Angaben des Vizechefs der dortigen Provinz sollen dort Flachbildfernseher hergestellt werden. Kürzlich war außerdem bekannt geworden, dass Foxconn ein Grundstück im Nordosten der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi gekauft hat.
Trump findet Vietnam schlimmer als China
Doch jetzt droht auch Vietnam Ungemach. Das Land am Südchinesischen Meer ist in den Fokus von US-Präsident Donald Trump gerückt. „Vietnam nutzt uns noch mehr aus als China“, sagte Trump jetzt mit Blick auf dessen boomende Exportwirtschaft. Das Land verhalte sich in den Handelsbeziehungen zu den USA „noch schlimmer“ als Peking. Ob Trump weitere Strafzölle gegen Vietnam verhängen will, ließ er in einem Interview im amerikanischen Sender „Fox News“ offen. Man befinde sich aktuell in Diskussionen mit dem südostasiatischen Land. Bislang blieb Vietnam von hohen Handelsschranken der USA verschont. Von insgesamt fast 500 Antidumping- und Ausgleichszöllen der USA richten sich laut US-Handelsbehörde nur 13 gegen Vietnam.
Doch erst im vergangenen Monat hat das US-Finanzministerium das Land zu einer Beobachtungsliste von Staaten hinzugefügt, die auf mögliche Währungsmanipulationen hin überwacht werden. Der Vorwurf: Staaten wie Vietnam halten ihre Währung absichtlich schwach, um die eigenen Produkte günstiger verkaufen zu können.
Vorwurf des Etikettenschwindels
Auf die Liste schaffen es Länder, die zwei von drei Kriterien erfüllen. Neben dauerhaften Eingriffen in die jeweilige Landeswährung gehören dazu auch ein Bilanzüberschuss, der mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, sowie ein Handelsüberschuss gegenüber den USA von mehr als 20 Milliarden Dollar. Vietnam lag im vergangenen Jahr jedenfalls deutlich darüber. Die Südostasiaten erzielten im Handel mit den Amerikanern ein Plus von 36,5 Milliarden Dollar. In der Region lief nur Japans Handel mit den USA noch besser.
Und noch etwas stört die Amerikaner an Vietnam: Sie beklagen zunehmenden Etikettenschwindel. Produkte wie Bauholz aus China sollen massenweise mit dem Warenstempel „Made in Vietnam“ versehen werden, chinesische Hersteller können so die US-Zölle umgehen. Doch im Land selbst regt sich bereits Widerstand. „Der Handelsbetrug durch die Umetikettierung der Warenherkunft nimmt zu“, räumte das vietnamesische Ministerium für Industrie und Handel gegenüber dem „Wall Street Journal“ selbst ein. Das wirke sich nicht nur direkt auf Produkte und Verbraucher aus, sondern beeinträchtige auch das Ansehen des Landes. Die Behörden sollen künftig noch stärker kontrollieren, heißt es.
EU will Abkommen unterzeichnen
Während sich Trump mit den Vietnamesen anlegt, setzt die EU auf Zusammenarbeit. Die EU-Mitgliedsstaaten haben ein Wirtschaftsabkommen mit dem Land ausgehandelt. Es soll bereits am Sonntag unterschrieben werden, teilte die EU-Kommission mit. Die Vereinbarung sieht unter anderem den Abbau von 99 Prozent der Zölle innerhalb der kommenden Jahre vor. 65 Prozent der EU-Waren sollen bereits von Zöllen befreit werden, sobald das Abkommen in Kraft ist, auf vietnamesischer Seite sind es 71 Prozent der Waren. Vietnam verpflichtet sich mit dem Abkommen aber auch zur Einhaltung höherer Standards, etwa zum Verbot von Kinderarbeit oder zur Teilnahme an den Pariser Klimaschutzzielen.
Für die EU-Staaten ist Vietnam nach Singapur der zweitgrößte Handelspartner in der Region. Für die EU scheinen sich die schwierigen Beziehungen der USA nach Asien zu lohnen. Bereits Anfang Februar ist das Freihandelsabkommen mit Japan in Kraft getreten. Es entstand die größte Freihandelszone der Welt. Im vergangenen Jahr wurde außerdem ein Abkommen mit Singapur unterzeichnet. (mit dpa)