zum Hauptinhalt
FILE PHOTO: German Bundesbank President Jens Weidmann addresses a news conference at the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting in Baden-Baden, Germany, March 18, 2017. REUTERS/Kai Pfaffenbach//File Photo
© REUTERS/Kai Pfaffenbach//File Photo

Kurs der Bundesbank: Der Falke Weidmann könnte sich beim Poker verzockt haben

Schon lange schien Jens Weidmann allein in seiner Rolle als Mahner der expansiven Geldpolitik. Warum aber tritt er genau jetzt zurück? Ein Kommentar.

Jens Weidmann gilt als Mann mit klaren Positionen. In der Geldpolitik stand der scheidende Präsident der Bundesbank seit zehn Jahren für Stabilität und Sicherheit. Doch just zu seinem Abtritt geht er ins Risiko. Er wählt den größtmöglichen beruflichen Einsatz – den Rücktritt –, um auf seine Position aufmerksam zu machen. Ein Poker, bei dem denkbar unsicher ist, ob Weidmann gewinnt.

Ein Blick auf den größeren Kontext: Die Notenbanken haben eigentlich einen sehr eng gefassten Auftrag. Sie sollen den Geldwert stabil halten. Mehr und mehr nehmen sich die Währungshüter aber auch anderer Aufgaben an. Der Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Staaten oder coronabedingte Hilfsprogramme erwiesen sich in Krisenzeiten als effektive Hilfsmittel, um das Finanzsystem zu stabilisieren.

Das Gespann Draghi und Lagarde

Doch längst plant man in der Europäischen Zentralbank, den Anleihekauf auch in anderen Situationen, etwa für Investitionen im Kampf gegen den Klimawandel, als Stimulus einzusetzen. Mit Christine Lagarde an der EZB-Spitze und Italiens Ministerpräsidenten Mario Draghi, ihrem Vorgänger, sitzen zwei mächtige Persönlichkeiten an den geldpolitischen Schalthebeln, die genau diesen Kurs stützen. Kritiker meinen süffisant, Draghi könne jetzt in Italien die Gelder ausgeben, die er Rom in seiner Zeit als EZB-Chef zugeschanzt hat.

Doch nicht nur in Frankfurt, Brüssel und Rom florieren derzeit solche Gedankenspiele. Auch in Berlin steuern mit den Grünen und der SPD zwei Parteien auf das Kanzleramt zu, die nur allzu gerne neue Schulden für Zukunftsinvestitionen anstoßen würden. Und bei den Wirtschaftsweisen wurde mit Lars P. Feld der lauteste Kritiker der lockeren Geldpolitik im vergangenen Jahr geschasst.

Wenigstens gibt es eine Debatte

Im EZB-Rat war Weidmann in seiner Rolle als Mahner zuletzt immer einsamer. Es schien, als habe er den Kampf verloren. Das Einzige, was das noch ändern könnte: die öffentliche Debatte. Die hat Weidmann mit seinem Rücktritt angestoßen. Und zwar zu keinem zufälligen Zeitpunkt, sondern eben jetzt, zum Beginn der Koalitionsverhandlungen.

Doch ob es Weidmanns Sache dient, bleibt offen. Schließlich gelten die meisten seiner potentiellen Nachfolger:innen als Befürworter des EZB-Kurses. Gut möglich, dass sich der Falke beim Pokern verzockt hat.

Zur Startseite