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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) und seine Frau Elke Büdenbender (l) schauen dem Ausbilder Thomas Römer (2.v.r) über die Schulter.
© dpa

Woche der beruflichen Bildung: Der Bundespräsident auf Werbetour für die Ausbildung

Die duale Ausbildung wird von vielen Jugendlichen und Eltern verschmäht. Nun wollen Bundespräsident Steinmeier und seine Frau sie aufwerten.

An den Geruch von Leim, Sägemehl und frisch geschnittenem Holz kann er sich nur zu gut erinnern. Sein Vater, erzählt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, war Tischler. Bei ihnen zu Hause sei „immer irgendwas gemacht worden“. Zwar habe er sich nach der Schule für das Jurastudium in Gießen entschieden, aber in Wohngemeinschaften sei er als Sohn eines Handwerkers, der gelernt hat, Schäden selbst zu reparieren, stets beliebt gewesen.

Mit einer Reise durch sechs Bundesländer wollen Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender – ihr Vater war ebenfalls Tischler – gerade die berufliche Bildung in Deutschland wieder aufwerten. Gemeinsam haben das Staatsoberhaupt und die „First Lady“ die Schirmherrschaft für die „Woche der beruflichen Bildung“ bis zum 20. April übernommen. Am Dienstag informieren sie sich bei einem Rundgang im Bildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer Berlin über die Ausbildung in den Werkstätten der Tischlerei-Meisterschule und der Zahntechniker.

Angesichts des Fachkräftemangels seien es „keine guten Neuigkeiten, dass im Jahr 2016 jeder Vierte seine Ausbildung abbrach. Unser gemeinsames Ziel muss sein, dass mehr Azubis ihre Lehre zu Ende bringen“, sagt Steinmeier. Dafür sei es wichtig, dass die Ausbildung wieder mehr Anerkennung bekommt. „Gesellschaftlicher Aufstieg wird in Deutschland oft mit einem Studium verbunden“, sagt er weiter. „Vor allem, wenn jemand als Erster in seiner Familie studiert. So war es auch bei mir.“ Eltern müssten jedoch wieder lernen, dass für ihre Kinder nicht immer eine akademische Laufbahn das Beste sei.

Steinmeier plädiert außerdem für besser ausgestattete Berufsschulen, eine angemessene Bezahlung der Azubis und mehr finanzielle Hilfen. Trotz der Unterstützung mit dem Meister-Bafög seien die Kosten für die Schulen noch immer ein wichtiges Thema. Es sei „ungerecht, dass angehende Meister für ihre Weiterbildung tief in die eigene Tasche greifen müssen“. Das schade auch dem Standort Deutschland: „Denn wo Meister fehlen, fehlen auch die Fach- und Führungskräfte“, sagt er. Ob seine Tochter eine Lehre mache? Nein, sie studiere Arabistik. Möbel aufbauen könne sie trotzdem.

Elke Büdenbender über ihre Ausbildung

Während der Bundespräsident erzählt, grinst Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, unentwegt. So froh ist er über die prominenten Gäste. „Jahrzehntelang wurde die Ausbildung hierzulande schlechtgeredet“, sagt er dann doch ein bisschen ernster. „Gerade ändert sich das – und dass Sie und Ihre Frau bei uns sind, ist ein ganz neues Zeichen.“

Ein Tag zuvor: Am Wochenende arbeiten? Oder nachts, wenn andere feiern? Anna Gängler macht das nichts aus. Eine Ausbildung zur Köchin, wie sie sie gerade im Hilton macht, sei wohl nicht für jedermann was. „Aber wer Spaß dran hat, dem macht das nichts.“ Für sie ist es wichtig, dass sie nach dem Abitur einen Beruf erlernt, „der ganz viele Facetten hat, in dem man immer was Neues lernt“. Paul Viebig, der seine Lehre im Waldorf Astoria macht, sieht das ähnlich. Auch ihn reizt das Abwechslungsreiche am Beruf. Er liebt es, etwas Sichtbares zu schaffen – und die Freude der Gäste. Als er sein Menü bei der Jugendmeisterschaft des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) gekocht hat, vergingen die neun Stunden für ihn wie 15 Minuten. Nun warten die beiden im Mercure Hotel Moa auf die Siegerehrung.

Doch vorher tritt Elke Büdenbender auf die Bühne. In ihrer Rede erinnert sie sich am Montagabend an die eigene Berufsausbildung zur Industriekauffrau. Das sei eine entscheidende Etappe in ihrem Leben gewesen. „Wenn ich später meine Tätigkeit als Juristin auch als präzises Handwerk verstanden habe, dann war immer etwas vom Berufsethos des Ausbildungsberufes dabei.“ Sie argumentiert gegen Geschlechterklischees und für die Verbindung von Professionalität mit Leidenschaft für den Beruf. Die Attraktivität der Berufsbildung will sie durch Wertschätzung weiter steigern. Sie setzt für faire Arbeitsbedingungen ein. Dann sagt sie noch zu den Azubis: „Sie schenken vielen Menschen schöne Erinnerungen.“

DGB: Nicht alle bekommen eine Chance

An der anschließenden Podiumsdiskussion nimmt auch Bildungsministerin Anja Karlicek (CDU) teil, die eine Lehre zur Hotelfachfrau absolviert hat. Es geht nun auch um die Schattenseiten, um den harschen Ton etwa, der manchmal herrscht, wenn der Druck zu groß wird. Das mache aber nichts, „wenn man ein ordentliches Betriebsklima hat und sich anschließend wieder in die Augen sehen kann“.

Elke Büdenbender votiert dafür, früh anzufangen mit der Entscheidungsfindung – auch mit Praktika. Sie war erst 15 Jahre alt, als sie sich damals beworben hat: „Da muss man sein Herz in die Hand nehmen und über die Hürde werfen“. Junge Menschen in dieser Phase verdienten alle Unterstützung, sollten unbedingt gute Mentoren finden. Für sie ist es „ganz wichtig, dass man das, was man angefangen hat, auch zu Ende bringt. Das stärkt das Selbstbewusstsein“.

Das sieht Willy Weiland, Präsident des Dehoga von Berlin, ähnlich. In einer Stadt mit mehr als 15000 gastronomischen Betrieben und über zwölf Millionen Besuchern sei es notwendig, auf qualitativ hohem Niveau auszubilden. Gerade im Hotel komme es auch auf die persönliche Ausstrahlung an: „Da muss es menscheln.“

An diesem Mittwoch will das Bundeskabinett den neuen Berufsbildungsbericht verabschieden. Bis Ende September 2017 wurden 523300 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen und damit 3000 mehr als im Vorjahr. Doch auch die Zahl unbesetzter Stellen stieg auf 49000, die der unversorgten Bewerber erhöhte sich auf 24000. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack kritisierte, die Ausbildungschancen der jungen Generation hingegen stark von „Wohnort, Schulabschluss und Pass“ ab. Migranten und Hauptschüler würden weiterhin zu oft aus dem System fallen. „Mehr als zwei Millionen junge Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren sind ohne Ausbildung.“ Langzeitarbeitslosigkeit oder prekäre Beschäftigung seien für sie vorgezeichnet.

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