Gestrandete Touristen: „Das Virus ist den meisten schon egal, sie wollen nur noch heim“
Wegen des Lockdown im Flugverkehr sitzen zahlreiche deutsche Touristen fest. Drei Lageberichte aus Marokko und den Philippinen.
Am Sonntagmorgen um 9 Uhr stellt Marokko den Flugverkehr in viele europäische Länder ein – auch nach Deutschland. Während das Auswärtige Amt mitteilt, „mit Hochdruck“ an einer Lösung zu arbeiten, sitzen deutsche Touristen erst einmal fest. Eine von ihnen ist Anette Weiss.
Ihr Flug, mit dem sie am Montagnachmittag zurück nach Deutschland fliegen wollte, wurde annulliert. Doch sie macht sich trotzdem auf den Weg zum Flughafen Marrakesch – sie weiß nicht, was sie sonst tun soll. Vom Flughafen berichtet sie: „Die Lage ist chaotisch, alle versuchen, an Infos zu kommen.“ Weder die Fluggesellschaften noch das Auswärtige Amt hatten bis Montagnachmittag Informationen bereitgestellt. „Es gibt viele Gerüchte. Einige sagen, dass heute der letzte Tag ist, an dem überhaupt noch Flüge gehen.“
Die Situation sei „beängstigend, denn keiner weiß, welche Maßnahmen in Marokko noch getroffen werden“. Sie sagt, die Lage am Flughafen sei „relativ ruhig“, aber man fühle sich hilflos. „Jeder hier hofft jetzt auf die deutsche Regierung und auf Flüge, die uns hier rausholen“, sagte Weiss dem Tagesspiegel per Sprachnachricht. Und das Coronavirus? „Hier sind viele Menschen auf engem Raum, das Virus ist den meisten schon egal, sie wollen nur noch heim.“
Das Auswärtige Amt veröffentlicht die falsche Telefonnummer
Auch Sebastian Weis kann nicht sagen, wann er von seiner Marokko-Reise zurückkehrt. Der freie Journalist hat sich entschieden, vorerst nicht zum Flughafen zu fahren, sondern in seiner Unterkunft im Küstenort Mirleft zu warten: „Da wir keinerlei Informationen haben, würde es sich nicht lohnen, zum Flughafen zu fahren.“
„Ich habe den Eindruck, dass alle von der Situation überrascht worden sind, auch die Politik“, sagt er am Telefon. Er kontaktierte das Auswärtige Amt über eine Nummer, die dieses Sonntag auf Twitter bekanntgab. Als er „nach eineinhalb Stunden Wartezeit“ eine Mitarbeiterin erreichte, habe diese ihm gesagt, sie könne leider nicht helfen: Das Auswärtige Amt habe versehentlich die falsche Nummer veröffentlicht.
Dass sein Flug nicht stattfinden wird, habe er übrigens nicht von Easyjet erfahren, sondern aus den Nachrichten: „Ich habe bisher weder eine SMS noch eine E-Mail von Easyjet erhalten. Der Kundenservice-Chat funktioniert nicht, auf Twitter antworten sie nicht.“ Auf der Website der Fluggesellschaft steht: „Wir planen derzeit einige neue Flüge, um Menschen die Rückkehr nach Hause zu erleichtern - bitte warten Sie.“
Sobald die Flüge feststehen, sollen diese auf einer eigens eingerichteten Unterseite erscheinen. Buchen könne man die nach dem „first come, first serve“-Prinzip. Am Montag waren auf dort zehn Flüge zwischen Flughäfen in Frankreich und Marokko gelistet.
Urlaubender SPD-Sprecher sitzt auf den Philippinen fest
Die Situation in Marokko ist für Reisende aktuell denkbar unübersichtlich. Das ist auch in einer Chatgruppe des Messenger-Dienstes Telegram zu verfolgen, in der sich Deutsche austauschen, die dort festsitzen. Der Chat hatte am Montagnachmittag rund 150 Mitglieder. Sie informieren sich gegenseitig über ihre meist vergeblichen Versuche, Airlines, Reiseveranstalter, die Botschaft in Rabat und das Auswärtige Amt zu kontaktieren.
Manche nehmen die Situation mit Humor: „Bei der aktuellen Coronalage in Deutschland ist doch Minztee und Tajine unter Palmen in Marrakesch netter als Deutschland unter Quarantäne“, schreibt ein Nutzer. Andere hingegen berichten von einem stressigen Tag: „Das geht doch nicht. Ich sitze hier mit vier Kleinkindern. Versuche nun seit 9 Uhr jemand zu erreichen. Aber nichts.“ Ein Nutzer teilt ein Video vom Flughafen Rabat. Es zeigt eine Menschenmenge vor einem Check-in-Schalter.
Und nicht nur in Marokko können deutsche Staatsbürger ihre Urlaubsorte vorerst nicht verlassen. So zum Beispiel Philipp Geiger, stellvertretender Sprecher des SPD-Parteivorstands, der sich momentan in einer längeren privaten Auszeit befindet. Er ist aktuell auf der philippinischen Insel Siargoa. „Gestern gingen die letzten Flüge und Fähren“, schrieb er am Montag auf Twitter. Voraussichtlich soll der Lockdown 30 Tage dauern. Für ihn sei das in Ordnung, doch viele Einheimische seien in Sorge, „wie sie das finanziell schaffen sollen“. Die meisten Menschen auf Siargoa würden vom Tourismus leben. Doch der liege jetzt brach: „Ein Monat ohne Gehalt bedeutet Hunger, während unsere größten Sorgen Sonnenbrand, gute Wellen und die Frage, ob der ATM noch Geld ausspuckt, sind.“
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