Passagierzahlen an Flughäfen brechen ein: Lufthansa streicht Verbindungen wegen Coronavirus
Die Lufthansa streicht bis zu jeden zweiten Flug wegen des Coronavirus, viele Reisende lassen Buchungen verfallen. Zudem geben Studien Hinweise auf „Flugscham“.
Der Boom ist vorbei. Auf den Berliner Flughäfen sind in den ersten beiden Monaten dieses Jahres fast neun Prozent weniger Passagiere gezählt worden. Es dürfte noch schlimmer werden – denn jetzt wirkt sich Corona aus.
Die Lufthansa hat angekündigt, wegen der weltweiten Ausbreitung des Virus bis zu jeden zweiten Flug zu streichen. Wer am Montag auf die Abflugtafel in Tegel blickte, sah oft: „Cancelled“. Zwischen 11.50 und 13.10 Uhr beispielsweise wurden sechs Abflüge gestrichen – und zwar fünf von der Lufthansa beziehungsweise ihrer Tochter Eurowings und einer von Alitalia nach Rom. Passagiere twitterten am Montagmorgen Fotos von leeren Gates in Tegel.
„Ausgefallene Großveranstaltungen wie die ITB, aber auch Streichungen von Flügen werden die Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten beeinflussen“, prophezeit Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. Ende vergangener Woche hatte er die Zahlen für den Februar vorgelegt, sie waren noch deutlich schlechter als die von Januar: Abgefertigt wurden 2, 3 Millionen Passagiere auf beiden Flughäfen. Das sind 10,2 Prozent weniger als im Februar 2019.
In Tegel lag das Minus bei 9,3 Prozent, in Schönefeld bei 11,9 Prozent. Der Stopp von Chinaflügen und die Absage der ITB habe sich in den letzten Tagen des Monats zusätzlich bemerkbar gemacht, hieß es in einer Mitteilung der Flughafengesellschaft.
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Die beiden ersten Monate und beide Airports zusammengenommen, sank die Zahl der Fluggäste von fünf Millionen auf 4,5 Millionen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für den Januar hatte die Flughafengesellschaft den Rückgang noch als „erwartet“ eingestuft: „Nach dem noch hohen Wachstum im Jahr 2019 kommt für uns der Rückgang der Passagierzahlen in Tegel und Schönefeld nicht überraschend“, hatte Engelbert Lütke Daldrup die Januar-Zahlen kommentiert und „weltweit verschlechterte Konjunkturaussichten in der Luftfahrtbranche und einen gestiegenen Kostendruck bei den Airlines“ genannt.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte die Welt noch nicht, wie schnell sich das Virus ausbreiten würde. „Die Flugbuchungen gehen massiv zurück. Die aktuelle Abwärtsentwicklung übersteigt alle bisher gemachten Erfahrungen mit externen Schocks – der Nachfragerückgang ist stärker als bei der Sars-Krise, den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und der Weltwirtschaftskrise von 2008 und 2009“, sagte Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), dem Tagesspiegel-Newsletter „Background Mobilität“ [hier abonnieren].
Viele Reisende lassen ihre Buchung aus Angst vor dem Virus verfallen
Die Lufthansa reagiert mit dem radikalen Streichprogramm auf einen „Nachfrageeinbruch“ und zahlreiche Stornierungen. Die Flieger, die noch starten, sind nicht einmal halb voll. Viele Reisende lassen ihre Buchung aus Angst vor dem Virus verfallen.
Teilweise seien die Maschinen nur zur Hälfte ausgelastet, berichteten Airlines dem „Background Mobilität“. Aus Sorge, ihre Slots zu verlieren, wenn zu viele Flüge ausfallen, verhandeln die Gesellschaften jetzt mit der Bundesregierung über Erleichterungen.
2019 hatte die Flughafengesellschaft einen Rekord nach dem anderen gemeldet. Am Jahresende verzeichneten die beiden Flughäfen einen absoluten Passagierrekord: In Schönefeld und Tegel wurden 35,6 Millionen Passagiere abgefertigt, 2,6 Prozent mehr als 2018.
Am Ende der Sommerferien hatte der Flughafenchef noch gesagt, dass von „Flugscham“ wegen des Klimawandels nichts zu spüren sei.
Studie: „Deutlicher ,Greta-Effekt‘ bei Reisenden spürbar“
In der vergangenen Woche nun hat der Tüv eine Mobilitätsstudie veröffentlicht, die sehr wohl eine Flugscham erkennt. Von 1000 repräsentativ befragten Deutschen gaben 17 Prozent an, aus Umweltgründen bereits auf mindestens einen Flug bewusst verzichtet zu haben. 13 Prozent verzichteten dabei auf einen Flug, vier Prozent sogar auf mehrere. 27 Prozent der Befragten gaben an, weiter zu fliegen wie gehabt, 45 Prozent fliegen angeblich nie.
Kurz zuvor hatte der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) eine Mitteilung über eine Geschäftsreisen-Studie so überschrieben: „Deutlicher ,Greta-Effekt‘ bei Reisenden spürbar.“ Demnach setzen deutsche Unternehmen bei der Organisation ihrer Geschäftsreisen zunehmend auf klimafreundliche Verkehrsmittel und nachhaltige Mobilitätskonzepte. 64 Prozent der befragten Unternehmen wollen die Zahl ihrer Flüge reduzieren.
Als Ersatz werden zum Beispiel Videokonferenzen genannt. Beide Studien entstanden vor dem Ausbruch von Corona. Der Begriff „Flugscham“ kam mit Greta Thunberg aus Schweden nach Deutschland. Er soll das Unwohlsein über eine schlechte persönliche CO2-Bilanz ausdrücken.
Bislang setzte die Berliner Flughafengesellschaft auf Wachstum. In den nächsten 20 Jahren soll die Kapazität des BER auf 58 Millionen Passagiere ausgebaut werden – durch die Weiternutzung von Schönefeld-Alt bis 2030 und ein neues Terminal für sechs Millionen Passagiere, das nahe dem Hauptterminal errichtet wird. Der BER soll im Herbst dieses Jahres eröffnet werden.