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Tim Berners-Lee entwarf 1989 das Konzept für das Internet. Heute wird das World Wide Web 30 Jahre alt.
© Pedro Fiuza/imago

30 Jahre World Wide Web: "Das Internet hat sich zum Motor der Spaltung entwickelt"

Eigentlich wollte Tim Berners-Lee nur etwas gegen Datenverlust tun. Daraus entwickelte sich das WWW. Am Dienstag wird das World Wide Web 30 Jahre alt.

Ursprünglich hatte Tim Berners-Lee keineswegs vor, die Welt zu verändern. Eigentlich wollte er nur das Informationsmanagement seines Arbeitgebers verbessern. Genau darüber schrieb Berners-Lee in seinem berühmt gewordenen Papier, das er am 12. März 1989 vorstellte. Es gilt heute als das Gründungsdokument des World Wide Webs.

Damals war Berners-Lee gerade einmal 33 Jahre alt. Geboren wurde er 1955 in London. Schon seit seiner frühen Kindheit hatte er mit Computern zu tun, seine Eltern waren an der Entwicklung einer der ersten programmierbaren Computer beteiligt, dem Manchester Mark I. Er studierte in Oxford Physik und fand ab Mitte der 1980er-Jahre eine wissenschaftliche Heimat beim Cern, der Europäischen Organisation für Kernforschung mit Sitz in Meyrin, nahe Genf. Eine „wundervolle Organisation“, schreibt er in seinem Papier vom März 1989. Ein großes Problem sei jedoch die hohe Fluktuation bei den Angestellten. „Bei einer typischen Beschäftigungsdauer von zwei Jahren gehen ständig Informationen verloren.“

Die Lösung für dieses Problem sah Berners-Lee in „vernetzten Informationssystemen“. Am besten sei es, wenn diese Systeme nicht-hierarchisch organisiert seien, weil so der natürliche Informationsfluss von Mensch zu Mensch nachmodelliert werden könne. Außerdem sei es auf diese Weise einfacher, Informationen wiederzufinden: Wenn jeder Nutzer Zugriff habe, müsse man nicht erst nach dem Gatekeeper suchen, der sein Herrschaftswissen manchmal mit in den nächsten Job nähme. Berners-Lee empfahl, die Daten auf Servern zu speichern. Nutzer könnten von ihren Computern auf diese Speicher zugreifen. Die Datenstruktur sollte mittels Hypertext organisiert werden und „Links“ zu anderen Dokumenten zulassen.

Dieser Vorschlag enthielt bereits wesentliche Merkmale des heutigen World Wide Webs. Und er war erfolgreich, das Cern baute ein Datenmanagement- System nach den Vorgaben von Berners-Lee auf – und wurde so zum Geburtsort des modernen Internets. Die Seite info.cern.ch gilt als weltweit erstes Webangebot – allerdings sind die frühen Inhalte nur ab 1992 dokumentiert.

Im Jahr 1994 gründete der Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) das World Wide Web Consortium (W3C), dem er seitdem vorsteht. Das Gremium entwickelt technische Standards für das Internet, um einen möglichst breiten Konsens im Sinne der Nutzbarkeit des World Wide Webs zu erzielen. Die Weiterentwicklung der Hypertext Markup Language (HTML) fand auch unter dem Dach des W3C statt.

Heute ist Berners-Lee Professor an der University Oxford und am MIT. Und er macht sich Sorgen darüber, was aus dem Internet geworden ist. Zum 25. Geburtstag des Netzes im Jahr 2014 forderte er die Einführung eines internationalen Grundrechtekatalogs für Internetnutzer. Damals stand die netzpolitische Debatte unter dem Zeichen der Snowden-Affäre.

Fünf Jahre später sieht Berners-Lee die größte Gefahr in den Datenmonopolen der großen Plattformbetreiber. „Ich habe immer geglaubt, dass das Internet für alle da ist“, schrieb er Ende September 2018 in einem Blogeintrag. „Aber bei allem Guten, was wir erreicht haben, hat sich das Web zu einem Motor der Ungerechtigkeit und Spaltung entwickelt; beeinflusst von mächtigen Kräften, die es für ihre eigenen Zwecke nutzen.“

Um das zu ändern, hat Berners-Lee zwei neue Vorhaben auf den Weg gebracht. Bei dem Projekt „Solid“ (abgeleitet von „Social Linked Data“) werden Werkzeuge und Konventionen für „dezentralisierte soziale Anwendungen“ erstellt. Ziel ist es unter anderem, dass Nutzer von Webdiensten im Besitz ihrer Daten bleiben und damit „umziehen“ können. Möglich machen soll das eine Containerlösung: Alle Nutzerdaten werden auf Servern gespeichert, zu denen Apple, Facebook oder Amazon nur den Zugangscode haben.

Gleichzeitig hat der heute 63-Jährige ein Start-up gegründet: Inrupt soll ein kommerzielles Ökosystem aufbauen, in dem Tools und Standards von Solid zu Anwendung kommen. Berners-Lee findet die Symbiose aus Open Scource und Kommerz wichtig. Beides soll zusammenkommen, die Energie der Open-Source-Gemeinde und die alles verändernde Kraft des Kapitalismus. Man ahnt: So redet jemand, der am Ende doch die Welt verändern will.

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